Frauen, Frieden und Sicherheit

Die Resolution 1325 – Erfahrungen und Perspektiven

von Karin Nordmeyer

Seit der Antike ist bekannt, dass Frauen und Kinder in kriegerischen Auseinandersetzungen als taktische Kriegswaffe und als Beute eingesetzt werden. Vergewaltigungen der Frauen und Mädchen demoralisieren den Gegner, insbesondere, wenn sie vor den Augen der Angehörigen stattfinden. Die Ehre des Gegners soll verletzt werden, seine Zukunft soll mit der Schändung der Frau zerstört werden, die oftmals geschwängert wird und die Kinder der Feinde gebären muss. (1) Konservativen Schätzungen zufolge wurden während des Balkankrieges (1992-95) zwischen 20.000 und 50.000 Mädchen und Frauen vergewaltigt. In Ruanda erduldeten allein während des Genozids im Jahr 1994 zwischen 250.000 und 500.000 Frauen und Mädchen diese Tortur. (2) Sexualisierte Kriegsgewalt destabilisiert die Völkergemeinschaften. Nach Kriegsende findet die im bewaffneten Konflikt erlernte Verrohung  ihren Weg in die neu entstehenden Gesellschaften, etwa in Form akzeptierter geschlechtsbezogener Gewalt im häuslichen Umfeld.

Spätestens jedoch seit der Gründung der Vereinten Nationen und der Verabschiedung der Charta sowie der Allgemeinen Menschenrechtserklärung gilt dieser Macht-Missbrauch als massive Menschenrechtsverletzung und soll durch diverse Rechtsinstrumente sanktioniert und verhindert werden. Die Resolution 1325 des UN-Sicherheitsrates „Women, Peace and Security“ aus dem Jahr 2000 ist mit ihren inzwischen sieben ergänzenden Resolutionen dabei das umfassendste Instrument. (3) Die Resolution fordert die Strafverfolgung von Tätern und den Schutz von Frauen und Mädchen vor geschlechtsspezifischer Gewalt in bewaffneten Konflikten, sowie die aktive Mitwirkung von Frauen in allen Phasen der Konfliktbeilegung, Konfliktbewältigung und Friedenskonsolidierung.

Bis heute sind erschreckender Weise zu wenige Fortschritte bei der Umsetzung der Resolution 1325 zu beobachten, wie es die im Jahr 2015 von UN Women betreute Globale Studie zur Umsetzung belegt. (4) Noch immer wird die besondere Bedeutung von Frauen für die Gestaltung von Friedensprozessen von viel zu wenigen Staaten erkannt. Und obwohl der UN-Sicherheitsrat immer wieder erklärt (5), dass die Mitwirkung von Frauen und Mädchen und die Gleichstellung der Geschlechter entscheidend zu den Anstrengungen zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit beitragen, fehlt es am politischen Willen vieler Staaten zur Umsetzung der Resolution 1325.

Anwendungsbereiche der Resolution
Wir wissen aktuell von weltweit mehr als 200 gewaltsam ausgetragenen Konflikten (6), die wir als bewaffnete Konflikte, als Kriege oder begrenzte Kriege oder Regionalkonflikte bezeichnen. In all diesen Auseinandersetzungen mit Waffen kommt es zu sexualisierter und geschlechtsbezogener Gewalt. Nur wenige Strafverfahren sind bisher anhängig. Der Internationale Strafgerichtshof (ICC) bearbeitet seit 2002 zwar Völkermord und Kriegsverbrechen, jedoch wird dem Tatbestand der darin ausgeübten sexualisierten Gewalt noch zu wenig Beachtung geschenkt.
Dennoch: Wir verzeichnen einige Fortschritte in der Dokumentation, Untersuchung, Aufklärung und Bestrafung insbesondere im Jugoslawien-Tribunal, dem Internationalen Strafgerichtshof sowie durch verschiedene Opferschutzprogramme.

Die neuen hybriden Aggressionsformen in den aktuellen kriegerischen Auseinandersetzungen auf mehreren Kontinenten, für die immer häufiger auch nicht-staatliche Akteure verantwortlich sind, für die keine Regeln zu gelten scheinen, nicht einmal die Mindeststandards des Kriegsvölkerrechts, verschärfen die Situation für die Menschen in den betroffenen Gebieten deutlich. Das hat besonders für Frauen und Kinder schwerwiegende Folgen. 80 Prozent der Frauen und Kinder im Irak, die bei Schwangerschaft und Geburt starben, hätten gerettet werden können, wenn der Zugang zu Gesundheitsdiensten nicht durch Bomben, Minen, Sprengstoff zerstört gewesen wäre. Die Zahlen in Syrien sind vermutlich ähnlich hoch.

Eine große Fehlstelle in der Umsetzung der Resolution 1325 ist weiterhin die geforderte Mitwirkung von Frauen an der Gestaltung von Friedensprozessen auf allen Entscheidungsebenen. Es werden weibliche Akteure weder ausreichend an Friedensverhandlungen beteiligt, noch werden sie in ausreichender Zahl für Friedensmissionen vorgeschlagen und eingesetzt. Nur etwa drei Prozent Frauen dienen in den UN- Friedensmissionen. Ihr Wissen, Können  und Engagement finden im Wiederaufbau sowie in der Konfliktprävention kaum Berücksichtigung. Ihre Qualität als „positive agents for change“ wird nicht abgerufen. Weniger als vier Prozent der UnterzeichnerInnen von Friedensabkommen sind Frauen. Frauen stellen weniger als zehn Prozent  der VerhandlungsführerInnen bei Friedensgesprächen dar. (7) Das sind viel zu wenige weibliche Akteure, um tatsächlichen Einfluss auf Verlauf und nachhaltige Ergebnisse der Verhandlungen nehmen zu können. Die aktuellen Genfer Friedensgespräche für Syrien lassen die Mitwirkung von Frauen als Verhandlungsführerinnen am Verhandlungstisch bis heute nicht zu.

Eine der Begründungen für die fehlenden Frauen an Verhandlungstischen/Friedenstischen ist allzu oft, es gäbe keine geeigneten und legitimierten Frauen für diese Aufgaben. Dabei wird die Erkenntnis auch des UN-Sicherheitsrats verkannt, „dass die Ermächtigung von Frauen und Mädchen und die Gleichstellung der Geschlechter entscheidend zu den Anstrengungen zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit beitragen“. (8) Dazu ist eine frühzeitige und umfassende Förderung und Befähigung von Frauen zur Teilhabe und Mitwirkung erforderlich. Das braucht Regierungshandeln und erfüllt die Forderung: gleiche Rechte, gleiche Pflichten, gleiche Macht für Frauen und Männer.

Auch wenn inzwischen in fast 60 Staaten Nationale Aktionspläne zur Umsetzung der Resolution 1325 beschlossen wurden und darin wirkungsorientierte Ausrichtungen formuliert sind, sind diese selten mit nennenswerten Finanzen ausgestattet, die für die Umsetzung von Maßnahmen jedoch unabdingbar sind.
Die deutsche Bundesregierung treibt die Förderung des Aufbaus von Institutionen und Mechanismen zum Schutz und Unterstützung von Überlebenden (die Bezeichnung „Opfer“ wird von vielen Frauen als Bezeichnung abgelehnt) sexualisierter und geschlechtsbezogener Gewalt voran. Auch der Ausbau der internationalen Strafgerichtsbarkeit und die Verfolgung von Völkerstraftaten sind im Fokus des zweiten deutschen Nationalen Aktionsplans (NAP) zu 1325 zu finden. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel mahnte die internationale Staatengemeinschaft in einer Rede vor den Vereinten Nationen (UN) im September 2015 dringend, „der Resolution 1325 (des UN-Sicherheitsrats aus dem Jahr 2000) mehr Geltung im Alltag zu verleihen“. (9)

Die Resolution 1325 des UN-Sicherheitsrats bleibt ein sehr wichtiges international bindendes Rechtsinstrument auch in der Hand der Zivilgesellschaft, um Geschlechtergerechtigkeit und verstärkte politische Beteiligung von Frauen in Friedensprozessen von den eigenen Regierungen einzufordern.

Anmerkungen
1 Aus dem Kosovo wird berichtet, dass die inzwischen erwachsenen Kriegskinder des Balkankonflikts um 1995 die lokalen Gesellschaften nun „stören“. Viele Frauen sind körperlich dauernd versehrt, sie sind traumatisiert. Außerdem verschlechtern sich häufig die Beziehungen zu ihren Kindern und Ehemännern und zu ihrem sozialen Umfeld.
2 Aus: http://www.unwomen.org/en/what-we-do/peace-and-security/facts-and-figures
3 Fulltext: http://wps.unwomen.org/resolution/
4 Aus: A Global study on the Implementation of UN SC Res 1325, http://wps.unwomen.org/
5 Aus: http://www.un.org/depts/german/sr/sr_them/frauen.htm
6 Aus: Konfliktbarometer 2017 des Heidelberger Instituts für Internationale Konfliktforschung (HIIK)
7 : http://www.unwomen.org/en/what-we-do/peace-and-security/facts-and-figures
8 Aus: http://www.un.org/depts/german/sr/sr_them/frauen.htm
9 Rede der deutschen  Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Global Leader‘s Meeting der Vereinten Nationen in New York, 27. September 2015.   

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Karin Nordmeyer ist Vorsitzende des UN Women Nationales Komitee Deutschland e.V., Menschenrechtsaktivistin und Expertin für Frauenrechte in nationalen und internationalen Gremien.