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Die Tabus um Ramstein und Büchel müssen entzaubert werden

von Hermann Theisen
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Seit vielen Jahren wird ein zivilgesellschaftlicher und politischer Diskurs um die Rolle des Militärstützpunkts Ramstein bei extralegalen Tötungen durch US-Kampfdrohnen und die Rolle des Militärstützpunkts Büchel innerhalb der NATO-Nuklearwaffenstrategie geführt. Beide Themen vereint, dass sie von politischen Entscheidungsträger*innen noch immer nahezu totgeschwiegen werden, obwohl ihre jeweiligen Hintergründe innerhalb der Öffentlichkeit weitestgehend bekannt sind.

Das politische Bestreben, beide Themen auch weiterhin zu tabuisieren, erinnert an das kindhafte die Augen mit den eigenen Händen verschließen, um nicht sehen zu müssen, was nicht gesehen werden will. Auf diesem Hintergrund wurden Anfang Mai Petitionen gestartet, um die für Ramstein und Büchel verantwortlichen Kommunal- und Landesparlamente dazu zu bringen, ihre Stimme gegen jene Tabus zu erheben.

In den Petitionen heißt es zum Thema Ramstein: „Setzen Sie sich im Rahmen Ihrer politischen Möglichkeiten dafür ein, dass die auf dem Militärstützpunkt  Ramstein stationierte Relaisstation nicht weiter für extralegale Tötungen durch US-Drohnen genutzt wird und es zu keiner weiteren diesbezüglichen Unterstützung durch deutsche Geheimdienste kommt!“ und zum Thema Büchel: „Setzen Sie sich im Rahmen Ihrer politischen Möglichkeiten dafür ein, dass die auf dem Luftwaffenstützpunkt Büchel stationierten Atomwaffen abgezogen werden, es dort zu keiner Stationierung von neuen atomwaffentauglichen Bundeswehr-Kampfflugzeugen kommt und die Beteiligung der Bundeswehr im Rahmen der Nuklearen Teilhabe der NATO beendet wird!“

Die Stadt- und Verbandsgemeinderäte in Ulmen und Ramstein, die Kreisräte in Cochem und Kaiserslautern sowie die Abgeordneten des Rheinland-Pfälzischen Landtags wurden in persönlichen Briefen mit den Petitionen aufgefordert, eine Haltung zu den aufgeworfenen Fragen rund um Ramstein und Büchel zu erheben und hier korrigierend einzugreifen. Zur Rolle der in Ramstein stationierten Relaisstation im US-Drohnenkrieg könnte das beispielsweise ein Appell an die US-Army sein, der die Einhaltung deutschen Rechts bei sämtlichen militärischen Handlungen innerhalb der Militärliegenschaft Ramstein fordert.
Sämtliche Behörden weigerten sich zunächst, die Petition überhaupt an die jeweiligen Adressaten weiterzuleiten, geschweige denn sie als solche anzunehmen und zu behandeln, was zu einer ganzen Serie von Klagen vor den Verwaltungsgerichten Koblenz, Neustadt an der Weinstraße und Mainz geführt hat: Die Stadt Ulmen und Verbandsgemeinde Ulmen schickten alle Briefe zunächst wieder an den Absender zurück und erhielt sie daraufhin postwendend wieder. Nach Klageerhebung wurden die Petitionen im Stadt- und Verbandsgemeinderat Ulmen dann doch behandelt. Die Kreisverwaltung Cochem-Zell lehnte zunächst ebenfalls eine Annahme der Petition ab, entschied sich nach Klageerhebung aber für eine Annahme der Petition. Die Ramstein-Petition führte dazu, dass die Stadt- und Verbandsgemeinde Ramstein-Miesenbach einen Kaiserslauterner Rechtsanwalt mit der Vertretung ihrer Interessen beauftragte. Dieser Anwalt vertritt die Auffassung, dass keine kommunale Zuständigkeit für eine Petition zum Themenkomplex Ramstein vorliege, worüber nun das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße zu entscheiden haben wird. Die Kreisverwaltung Kaiserslautern vertritt eine ähnliche Auffassung und auch hier ist eine Klage anhängig.

Die beim Rheinland-Pfälzischen Landtag eingereichten Büchel- und Ramstein-Petitionen wurden mit folgender Begründung nicht als Petition angenommen: „Ihre Schreiben an alle Abgeordneten des Landtags enthalten inhaltlich eine Meinungsäußerung, verbunden mit einer politischen Forderung, der sich der Landtag Rheinland-Pfalz anschließen soll. Die politischen Forderungen betreffen zum einen die Rolle des Militärstützpunkts Ramstein bei US-Drohnenangriffen und zum anderen die Rolle des Luftwaffenstützpunkts Büchel (Eifel) im Rahmen der nuklearen Teilhabe. Ich bitte um Verständnis, dass eine formelle Befassung des Petitionsausschusses mit diesen politischen Forderungen nicht möglich ist, da ihre Ausführungen keine Petition im Sinne des Art. 11 der Verfassung für Rheinland-Pfalz darstellen.“ Diesbezüglich sind nun zwei Klagen vor dem Verwaltungsgericht Mainz anhängig.

Bereits vor fast zweitausend Jahren beschäftige sich der Philosoph Mark Aurel eingehend mit der Frage nach dem schmalen Grat zwischen Recht und Unrecht: „Oft tut auch der Unrecht, der nichts tut. Wer das Unrecht nicht verbietet, wenn er kann, der befiehlt es.“

Spannend wird nun sein, ob die angerufenen Verwaltungsgerichte bereit sein werden, an den zivilgesellschaftlichen und politischen Diskurs um die Konfliktfelder Ramstein und Büchel anzuknüpfen, um ihn damit (hoffentlich) zumindest ein wenig voranzubringen.

Für Rückfragen zum Verlauf der Klagen: hermann [dot] theisen [at] t-online [dot] de

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