Die Traditionspflege der Bundeswehr - Erwartungen an Minister Scharping

von Jakob Knab
Hintergrund
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1. Die Traditionspflege unter Bundesminister Rühe war gekennzeichnet von völkisch-reaktionären Gefälligkeiten gegenüber der verstockten Kriegsnostalgie der alten Kameraden. Sieben Jahre lang hatte die Hardthöhe (Fü S I) einen hinhaltenden Abwehrkampf geführt, um die Traditionswürdigkeit des Hitlerfreundes und Kriegsverbrechers Generaloberst Dietl (1890-1944) über die Runden zu retten. (... (1))

2. Ab 1990 erstellte das MGFA im Auftrag der Hardthöhe (Fü S I) Geheimstudien zu allen Namensgebern der Bundeswehr-Kasernen. Diese Studien blieben unter BMVg Rühe unter Verschluß, damit keine Bewegung in die offene Flanke der Traditionsfront kam. Wir erwarten von BMVg Scharping die wegweisende Entscheidung zur Veröffentlichung dieser Studien. Bei der Benennung von Kasernen gibt es ein erhebliches öffentliches Interesse der Verfassungspatrioten.

3. Generalfeldmarschall von Mackensen ist Kasernenpatron der Bundeswehr in Karlsruhe und Hildesheim. Auszug aus seinem "Sündenregister": In der Schlacht von Gumbinnen hatte Makkensen in nur zwei Stunden 9000 (i.W. neuntausend) seiner Männer in Tod und Verderben gehetzt. Er selbst sprach von "Massenmord" und "Massenschlächterei". Den Durchbruch von Gorlice-Tarnow erzwang Makkensen mit Giftgas. Mackensen empfand Genugtuung angesichts der Ermordung Erzbergers: "Den Schädling sind wir los." Mackensen verdammte Stauffenbergs Tat als "fluchwürdiges Attentat". Mitte November 1944 richtete Mackensen einen Aufruf an die Jugend, um vierzehn- bis siebzehnjährige Buben zu "Opferbereitschaft und Fanatismus" zu ermahnen. Makkensen hielt bis zuletzt an Adolf Hitler als "Retter" fest. BMVg Rühe freilich sah keine Notwendigkeit zur Umbenennung der Mackensen-Kasernen.

4. Generaloberst Freiherr von Fritsch ist vielfacher Kasernenpatron der Bundeswehr (u.a. Itzehoe, Hannover, Celle, Koblenz, Pfullendorf). Am 11. Dezember 1938 schrieb der Antisemit Fritsch: "Bald nach dem Krieg kam ich zur Ansicht, daß drei Schlachten siegreich zu schlagen seien, wenn Deutschland wieder mächtig werden sollte: die Schlacht gegen die Arbeiterschaft, gegen die katholische Kirche und gegen die Juden. Und der Kampf gegen die Juden ist der schwerste." Noch fast ein Jahr nach seinem Sturz bekannte Freiherr von Fritsch: "Ich habe mir eingebildet, ein guter Nationalsozialist gewesen und noch zu sein." Er blieb es bis zu seinem Tode.

5. Auf der Kommandeurstagung in München hatte der einstige BMVg Volker Rühe (CDU) am 17. November 1995 kundgetan: "Die Wehrmacht war als Organisation des Dritten Reiches in ihrer Spitze, mit Truppenteilen und mit Soldaten in Verbrechen des Nationalsozialismus verstrickt. Als Institution kann sie deshalb keine Tradition begründen."

Indes: Etwa 30 Kriegshelden und Heerführer von Hitlers Wehrmacht (u.a. Mölders, Marseille, Lent, Konrad, Hüttner, Lütjens) sind immer noch traditionswürdige Kasernenpatrone der Bundeswehr. Es gibt eine Kontinuität der NS-Kriegspropaganda und des Heldenkultes der Wehrmacht, die in der Traditionspflege der Bundeswehr mündet. BMVg Scharping muß die politische Entscheidung fällen, ob Hitlers Kriegshelden und Heerführer weiterhin geschichtliche Vorbilder für die Bundeswehr sein können. Dagegen sind die hochherzigen Männer des 20. Juli 1944 in der Traditionspflege der Bundeswehr weiterhin in der Minderheit.

6. Am 2. Oktober 1990 tilgte Minister Rainer Eppelmann auf Weisung der Hardthöhe die 299 Traditionsnamen der NVA (u.a. Georg Groscurth, Arvid Harnack, Harro Schulze-Boysen). Die Traditionspflege der NVA wurde mit einem Federstrich getilgt. Dagegen hatte die Bundeswehr im Jahre 1955 die Kasernenbenennungen der Wehrmacht einfach übernommen. In der nationalsozialistischen Traditionsoffensive der Jahre 1937/38 hatte die Wehrmacht auch ideologisch aufgerüstet. Schließlich wurden in der "demokratischen" Traditionsoffensive der Jahre 1964/65 Hitlers Kriegshelden geschichtliche Vorbilder der Bundeswehr.

7. Der Ungeist des Militarismus hat sich in den Traditionsräumen der Bundeswehr eingenistet. "Es ist notwendig, daß unsere Zivilisation ihren Tempel auf Bergen von Leichen, auf einem Ozean von Tränen und auf dem Röcheln von unzähligen Sterbenden errichtet" - so Kasernenpatron Graf von Haeseler, zu dessen Ehren der Traditionsraum in Lebach eingeweiht wurde. Wir fordern die sofortige "Aktion Entrümpelung" in diesen Andachtsräumen der Ewiggestrigen.

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Jakob Knab ist Sprecher der "Initiative gegen falsche Glorie".