Die US-Militärbasen in der Bundesrepublik Deutschland und ihre Funktion im strategischen Gesamtkonzept der USA

von Wolfgang Jung

Die im Sommer 2002 mit lautem Pathos vorgetragene Behauptung der Regierung Schröder/Fischer, sie hielte die Bundesrepublik aus dem Irak-Krieg heraus, sicherte ihr zwar den vorher kaum zu erwartenden knappen Sieg bei der anstehenden Bundestagswahl, entsprach aber nicht den Tatsachen.

Die Bundesrepublik Deutschland ist wegen der weltweit einmaligen Häufung von US-Militärbasen und der zahlreichen hochkarätigen US- und NATO-Kommandozentralen auf ihrem Territorium in alle völkerrechtswidrigen Angriffskriege der USA und der NATO verstrickt, obwohl nach Artikel 26 des Grundgesetzes "Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten", verfassungswidrig und mit Strafe bedroht sind.

Das Pentagon müsste völlig andere logistische Strukturen entwickeln, wenn es den deutschen Luftraum nicht mehr für Transport- und Übungsflüge nutzen könnte und die Bundesländer Rheinland-Pfalz, Saarland, Hessen, Baden-Württemberg und Bayern nicht mehr als riesiges Manövergebiet, militärisches Zwischenlager und sichere Etappe für US-Truppen, die in den Krieg ziehen oder daraus zurückkommen, zur Verfügung stünden. Der strategische Wert der US-Basen in der Bundesrepublik ist nur zu ermessen, wenn zunächst ihre Einordnung in das weltweite Befehlsnetz des Pentagons untersucht wird.

Die sechs US-Regionalkommandos
Das Pentagon hat den Erdball in sechs Regionalkommandos aufgeteilt, denen jeweils alle US-Teilstreitkräfte in ihren Befehlsbereichen unterstehen: Das NORTHCOM ist zuständig  für die USA, Kanada und Mexiko, das SOUTHCOM für Süd-und Mittelamerika, das PACOM für Indien, China, das restliche Ostasien und den pazifischen Raum einschließlich  der Antarktis, das CENTCOM für Ägypten, die arabische Halbinsel und die Krisen- und Kriegsgebiete im Mittleren Osten, AFRICOM für Afrika ohne Ägypten und EUCOM  für Europa einschließlich des asiatischen Teils Russlands und der Türkei.

Vier der US-Regionalkommandos sind in den USA angesiedelt. Nur zwei residieren außerhalb der Vereinigten Staaten und zwar beide in der Bundesrepublik Deutschland: EUCOM in den Patch Barracks in Stuttgart-Vaihingen und AFRICOM in den Kelley Barracks, ebenfalls in Stuttgart.

Dem Regionalkommando EUCOM (s. http://www.eucom.mil/english/index.asp ), das alle US-Einheiten in Europa befehligt, sind die Hauptquartiere der in Europa stationierten Kontingente der U.S. Air Force, der U.S. Army, der U.S. Navy, des U.S. Marine Corps und der U.S. Special Forces unterstellt. EUCOM stellt dem CENTCOM Truppen aller Teilstreitkräfte für die völkerrechtswidrigen Angriffskriege im Irak und in Afghanistan zu Verfügung.

Das Regionalkommando AFRICOM (s. http://www.africom.mil/ ) sollte eigentlich nach Afrika verlegt werden, musste aber in Stuttgart bleiben, weil bisher kein afrikanisches Land bereit war, das neu eingerichtete Kommando aufzunehmen. Ihm ist die 17th Air Force, die noch auf der US-Air Base Ramstein stationiert ist, als Lufttransport-Einheit zugeordnet (s. http://www.17af.usafe.af.mil/ ). Als Bodentruppe steht ihm die in Vicenza in Italien angesiedelte Southern European Task Force / SETAF zur Verfügung (s. http://www.usaraf.army.mil/), die sich neuerdings auch als U.S. Army Africa bezeichnet. Sie setzt sich aus den sechs Bataillonen des 173rd Airborne Brigade Combat Teams zusammen (s. http://www.173airborne.army.mil/home.htm ). Vier Bataillone dieser Fallschirmjäger-Einheit sind zur Zeit noch in Schweinfurt und Bamberg untergebracht, sollen aber mit den beiden bereits in Vicenza stationierten vereinigt werden, wenn die neuen Kasernen auf dem benachbarten Flugplatz Dal Molin fertig sind.

Auch vier der dem EUCOM unterstehenden Hauptquartiere der US-Teilstreitkräfte in Europa residieren in der Bundesrepublik Deutschland. Nur das Hauptquartier der U.S. Navy Europe, die identisch mit der im Mittelmeer operierenden, auch für Afrika zuständigen U.S. Sixth Fleet (der 6. US-Flotte) ist, befindet sich im italienischen Neapel (s. http://www.c6f.navy.mil/).

Die US-Army in Europa und in der Bundesrepublik
Die U.S. Army Europe / USAREUR, das Europa-Kontingent des US-Heers (s. http://www.hqusareur.army.mil/ ), wird zur Zeit umgebaut. Es ist geplant, ihr Hauptquartier nach ihrer Umwandlung in die 7th Army im Jahr 2012/13 von Heidelberg nach Wiesbaden zu verlegen.

Nach Abschluss des Transformationsprozesses sollen die während des Kalten Krieges in 39 US-Militärgemeinden auf 850 überwiegend in der Bundesrepublik gelegenen Army-Einrichtungen stationierten 213.000 GIs mit den sie begleitenden 327.000 Angehörigen und US-Zivilangestellten auf ca. 40.000 US-Soldaten und knapp 200.000 US-Zivilisten zusammengeschmolzen sein und in sechs bis acht verbleibenden Militärgemeinden auf weniger als 100 Einrichtungen der US-Army konzentriert werden.

Nur die Joint Task Force South, die aus dem schon erwähnten 173rd Airborne Brigade Combat Team besteht, wird dauerhaft im italienischen Vicenza stationiert sein. Die für Rumänien vorgesehene Joint Task Force East soll sich aus wechselnden Einheiten zusammensetzen, die zum Üben für einige Wochen oder Monate aus den USA oder aus der Bundesrepublik nach Osteuropa rotieren.

Die anderen Verbände der US-Army in Europa sollen sich auf den EUCOM-Standort Stuttgart und vier weitere Militärgemeinden in der Bundesrepublik verteilen.

Zu den bleibenden Standorten Wiesbaden, Grafenwöhr, Ansbach und Kaiserslautern könnten noch Baumholder und Schweinfurt dazu kommen. Im Raum Wiesbaden werden neben dem Army-Hauptquartier der U.S. Army Europe (die demnächst 7th Army heißen wird), das auch als "Warfighting Headquarters" (als Kriegsführungs-Hauptquartier) der US-Army genutzt werden soll, die Luftverteidigung, die Nachrichtenübermittlung und der Geheimdienst der Army angesiedelt. (Informationen dazu unter http://www.wiesbaden.army.mil/sites/local/default.asp )

Die US-Air Force in Europa und in der Bundesrepublik
Auch das Hauptquartier der U.S. Air Forces in Europe / USAFE auf der US-Air Base Ramstein (s. http://www.usafe.af.mil/ ) liegt in der US-Militärgemeinde Kaiserslautern. Ihm unterstehen alle Flugplätze und alle Einheiten der US-Air Force in Europa einschließlich der Türkei. Zur USAFE gehören ca. 42.000 Personen, darunter rund 27.000 aktive Soldaten und 600 Reservisten.

Der wichtigste US-Flugplatz in Europa ist zweifellos die in der Westpfälzischen Moorniederung liegende Air Base Ramstein (s. http://www.ramstein.af.mil/ ). Dem Hauptquartier der U.S. Air Forces in Europe / HQ USAFE ist die 3rd Air Force, das "Warfighting Headquarters" oder Kriegsführungs-Hauptquartier der US-Air Force, mit dem 603rd Air and Space Operations Center angegliedert, das innerhalb von nur 7 Stunden Luftangriffe im gesamten Befehlsbereich des EUCOM organisieren kann (s. http://www.luftpost-kl.de/luftpost-archiv/LP_09/LP18809_020909.pdf ). Ramstein wäre mit seinen noch vorhandenen, intakten Atomwaffen-Grüften auch der richtige Platz für die Kommandozentrale des geplanten US-Raketenabwehrschildes.

Die Air Base Ramstein ist das größte Luftdrehkreuz der US-Streitkräfte außerhalb der Vereinigten Staaten und die "größte, verkehrsreichste, beste und eine der wichtigsten, wenn nicht die wichtigste Militärbasis der Welt".

Sie verfügt über zwei Start-und Landebahnen für die größten Transportflugzeuge der US-Air Force (C-130, C-17, C-5), ist mit dem besten Schlechtwetter-Instrumentenanflugsystem CAT III ausgestattet, hat die größte Wartungshalle der US-Air Force und wird jährlich für mehr als 30.000 Starts und Landungen genutzt (s. http://www.luftpost-kl.de/luftpost-archiv/LP_05/LP05005_211205.pdf ). In Ramstein ist das 86th Airlift Wing (Lufttransport-Geschwader) stationiert, das für Lufttransporte im Bereich des EUCOM zuständig ist. Monatlich werden ca. 30.000 Militär- und Zivilpassagiere abgefertigt. Über die Air Base Ramstein werden über 90 Prozent der Personen-und Frachttransporte in den Irak und nach Afghanistan abgewickelt. Jeden Monat werden über 900 Tonnen Bomben, Raketen und Geschosse für die US-Kampfjets in den Irak und nach Afghanistan geliefert.

Das auf der Air Base Ramstein stationierte 435th Air Ground Operation Wing / AGOW (Geschwader zur Unterstützung von Luft-Boden-Operationen) ist eine Spezialeinheit, die fähig ist, aus dem Stand in Krisen-und Kriegsgebieten voll funktionsfähige Feldflugplätze zu errichten, auf denen sofort Transporter landen können; ihre Spezialisten sind aber auch ohne lange Vorlaufzeit in der Lage, den Einsatz von Kampfjets und ihr Zusammenwirken mit Bodentruppen zu ermöglichen.

Das Allied Air Component Command / CC Air HQ Ramstein der NATO, das ebenfalls auf der US-Air Base Ramstein residiert, ist u. a. zuständig für den militärischen Flugverkehr der ISAF nach und über Afghanistan.

Der zweite Flugplatz der US-Air Force in der Bundesrepublik, die Air Base Spangdahlem, liegt in der Eifel. Das dort stationierte 52nd Fighter Wing (Kampf-Geschwader) hat drei Staffeln: die 22nd Fighter Squadron mit 18 Kampfjets des Typs F-16, die 23rd Fighter Squadron mit weiteren 18 F-16 und die 81st Fighter Squadron mit 18 Kampfjets des Typs A-10, die besonders für die Unterstützung von Bodentruppen geeignet sind und bei Ihren regelmäßigen Kampfeinsätzen im Irak und in Afghanistan weite Gebiete mit Geschossen aus abgereichertem Uran verseucht haben. Ihre Kampfeinsätze üben die US-Piloten über der Westpfalz und dem Saarland – Luftkämpfe in der TRA Lauter und Angriffe auf Bodenziele und die gegnerische Luftabwehr über den POLYGONEN. TRA steht für Temporary Reserved Airspace (zeitweise reservierter Luftraum).

Die TRA Lauter ist im Militärischen Luftfahrthandbuch Deutschland unter der Bezeichnung ED-R 205 (unterer Luftraum)/305 (oberer Luftraum) ausgewiesen und erstreckt sich zwischen der französischen Grenze im Süden, dem Rhein im Osten, Luxemburg im Westen und Eifel und Hunsrück im Norden. Der häufig ganztägige militärische Fluglärmterror ist zu einer unerträglichen Belastung für die Bevölkerung geworden.

Spangdahlem dient seit der Rückgabe der Rhein-Main Air Base in Frankfurt auch als Ausweichdrehkreuz für Lufttransporte und wird wegen der im Moor versinkenden neuen Startbahn der Air Base Ramstein auch zunehmend dafür genutzt.

Perspektive
Die rechtliche Grundlage für die Anwesenheit der US-Streitkräfte in der Bundesrepublik ist der Nordatlantikvertrag vom 04.04.1949. Darin heißt es in Art. 13: „Nach zwanzigjähriger  Geltungsdauer des Vertrages kann jede Partei aus dem Vertrag ausscheiden, und zwar ein Jahr, nachdem sie der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika die Kündigung  mitgeteilt hat; ... .“ Die Bundesrepublik Deutschland ist der NATO mit Wirkung vom  24.03.1955 beigetreten. Nach dem Wortlaut des Art. 13 hätte sie bereits am 04.04.1969,  vom Datum ihres Beitritts an gerechnet, aber spätestens am 24.03.1975 wieder aus der  NATO ausscheiden können. Die Schließung der US-Basen auf unserem Boden ist aber  auch ohne Austritt der Bundesrepublik aus der NATO möglich. 

Die Stationierung ausländischer Truppen in unserem Land wurde im "Vertrag über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland" vom 23.10.1954 geregelt. Der Vertrag sollte nach Art. 3 nur bis zum „Abschluss einer friedensvertraglichen Regelung mit Deutschland“ gelten, ist also eigentlich am 12.09.1990 mit dem „Vertrag über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland“ (dem so genannten Zwei+Vier-Vertrag) außer Kraft getreten. Durch Notenwechsel mit den Stationierungsstreitkräften vom 25.09.1990 wurde festgelegt, dass der Stationierungsvertrag zwar weiterbestehen bleibt, die Bundesrepublik ihn aber mit einer Frist von zwei Jahren jederzeit kündigen kann. Wenn wir das US-Militär und seine vielen Basen nach nur zwei Jahren loswerden wollen, müssen wir nur für eine Bundestagsmehrheit und damit auch für eine Bundesregierung sorgen, die sich verfassungstreu verhalten und einen Vertrag, der durch Verstöße gegen unser Grundgesetz ständig missbraucht wird, umgehend kündigen. (s. auch http://www.luftpost-kl.de/luftpost-archiv/LP_05/LP01805_010705.pdf )

Dieser Artikel wurde für das Nachrichtenmagazin HINTERGRUND verfasst und in etwas veränderter Form (ohne Links) in der Ausgabe für das 4. Quartal 2009 veröffentlicht. Der Beitrag wurde von der Redaktion des Friedensforums dann nochmals leicht gekürzt. Quelle: www.luftpost-kl.de

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