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Die Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag und das Verhalten der Bundesregierung
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1. Der Antrag der Weltgesundheitsorganisation (WHO)
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf hat im Mai 1993 beim Internationalen Gerichthof ("Weltgerichtshof") - im Folgenden: IGH - nach Art. 96 der UN-Charta ein Rechtsgutachten ("advisory opinion") zu der Frage angefordert:
"Wäre im Hinblick auf die Folgen für Gesundheit und Umwelt der Gebrauch von Atomwaffen im Krieg oder in einem anderen Internationalen Konflikt durch einen Staat eine Verletzung der völkerrechtlichen Vertpflichtungen einschließlich der WHO-Verfassung?"
Mit anderen Worten: Die Weltgesundheitsorganisation will endlich geklärt sehen, ob ein Einsatz von Atomwaffen in einem Krieg oder in einem anderen Internationalen Konflikt gegen geltendes Völkerrecht verstoßen würde (vgl. Document WHA 46.40 - vom 14. Mai 1993).
Der Beschluß der Weltgesundheitsorganisation erfolgte mit großer Mehrheit, allerdings gegen die Stimmen der Atomwaffenmächte und auch der deutschen Delegation. Die deutsche Bundesregierung hat sich im Verein mit ihren Verbündeten intensiv bemüht, die Anforderung eines solchen Rechtsgutachtens zu verhindern.
Zwischenzeitlich haben die Atomwaffenstaaten und ihre Verbündeten - bislang jedoch ohne Erfolg - versucht, die WHO zur Rücknahme ihres Antrages auf Erstattung eines solchen Rechtsgutachtes durch den Internationalen Gerichtshof zu bewegen. Ungeachtet der großen Pressionen, die die Atomwaffenstaaten und ihre Verbündeten ausgeübt haben, haben zahlreiche Staaten zwischenzeitlich bis zu dem vom IGH gesetzten Termin am 10. Juni 1994 positive Stellungnahmen abgegeben, darunter Irland, Weißrussland, Schweden, Kasachstan, Litauen, Mexico, Moldawien, Neuseeland, Nordkorea, Papua Neuguinea und die Ukraine.
Die deutsche Bundesregierung hat in ihrer gegenüber dem IGH abgegebenen Stellungnahme ausdrücklich bestritten, daß die Weltgesundheitsorganisation berechtigt ist, ein solches Rechtsgutachten beim Internationalen Gerichtshof anzufordern. Sie meint, ebenso wie die Regierungen der Atomwaffenstaaten, der Antrag sei unzulässig. Zum Zweiten vertritt die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme die Auffassung, daß der Einsatz von Atomwaffen wie der Einsatz jeder anderen Waffe völkerrechtlich in Ausübung des naturgegebenen Rechts auf individuelle oder kollektive Selbstverteidigung gegen bewaffneten Angriff zulässig sei; nur "Angriffe auf die Zivilbevölkerung als solche" seinen stets verboten.
Diese Haltung der Bundesregierung ist kritikbedürftig. Warum trägt die Bundesregierung nicht dazu bei, daß diese ihre Haltung vom Internationalen Gerichtshof überprüft wird?
2. Gutachtens - Aufforderung durch die UN-Generalversammlung
Trotz heftigen Widerstandes der Atomwaffenmächte und ihrer Verbündeten hat zwischenzeitlich am 16. Dezember 1994 auch die Generalversammlung der Vereinten Nationen ebenfalls die Einholung eines Rechtsgutachtens nach Art. 96 der UN-Charta beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag beschlossen: Die Bundesregierung hat in enger Abstimmung mit den Regierungen Frankreichs, der USA und Großbritanniens u.a. durch einen Geschäftsordnungsantrag bis zuletzt versucht, einen solchen Beschluß der UN-Generalversammlung zu verhindern. Trotz allem wurde dann dieser Beschluß der Generalversammlung mit 78 Ja-Stimmen gegen 43 Nein-Stimmen (bei 38 Enthaltungen) gefasst.
Die Gutachtens-Frage der UN-Generalversammlungen geht über diejenige der Weltgesundheitsorganisation hinaus. Die UN-General-Versammlung legt dem Internationalen Gerichtshof die Frage vor, ob der Einsatz und die Androhung des Einsatzes von Atomwaffen gegen geltendes Völkerrecht verstoß.
Es wäre sehr zu wünschen, wenn der Deutsche Bundestag und die deutsche Öffentlichkeit sich ähnlich wie die Parlamente anderer Staaten endlich mit diesem beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag eingeleiteten Verfahren beschäftigen würden. Die in jenen Verfahren vom Internationalen Gerichtshof zu treffenden Entscheidungen haben weitreichende Bedeutung gerade auch für die geltende NATO-Strategie, die nach wie vor an der Möglichkeit eines Einsatzes oder gar eines Ersateinsatzes von Nuklearwaffen festhält. Würde der Internationale Gerichtshof den Einsatz von Atomwaffen und/oder die Androhung des Einsatzes von Atomwaffen für völkerrechtswidrig erklären, könnte die geltende NATO-Strategie nicht mehr aufrechterhalten werden. Gleiches würde für die Nuklearstrategien der anderen Atomwaffenmächte gelten. Schließlich wäre dann auch kein Raum mehr für eine weitere Stationierung von Atomwaffen auf deutschem Boden.