Friedenswoche Hannover 1989

Die Völker der Erde brauchen Frieden und Gerechtigkeit

von Petra Metsch

In vielen Städten und Regionen wurden auch in diesem Jahr während der Frie­densdekade Friedenswochen durchgeführt. Beispielhaft berichten wir hier von der Dekade in Hannover.

Die diesjährige Friedensdekade in Hannover fand unter dem Leitgedan­ken "Frieden ist mehr als die Abwe­senheit von Krieg - Friedensarbeit in Hannover" statt. Entsprechend diesem Motto und dem Aufruf von Aktion Sühnezeichen, den wir übernommen hatten, sollte sich gerade die Stadt mit allen den Aktionsfeldern, die es hier für friedenspolitische Bemühungen gibt, in den Veranstaltungen wider­spiegeln. Der Aufruf, sich an der Friedenswoche zu beteiligen, war an viele Gruppen und Initiativen gegangen. So kam ein breit gefächertes Programm zustande.

Natürlich war die DDR mit den ra­santen Veränderungen der letzten Wochen ein Thema der Friedensde­kade, Hannover ist ja außerdem Part­nerstadt von Leipzig. Sozusagen als Auftakt - die Veranstaltungen began­nen mit einem Gottesdienst zum 150-jährigen Bestehen der Evangelischen Jugendarbeit in Hannover - ging am Sonntag, den 12. 11. 1989 "der Blick nach Leipzig", und die Chancen für eine "andere" DDR sollten diskutiert werden. Die Aktualität der Themen­stellung war bei Druck der Programme noch gar nicht abzusehen. Inzwischen schauen wir durchaus etwas neidvoll nach Leipzig, soviel Bewegung und Veränderung - einiges davon täte uns auch gut. Eingegangen wurde an dem Abend dann auf die oppositionellen Bewegungen der DDR und erörtert wurde u. a. die Frage, inwieweit eine Zusammenarbeit der oppositionellen Kräfte in beiden Staaten möglich ist.

Die Kirchengemeinden in Hannover-Hainholz hatten sich verstärkt dem Problem der Flüchtlinge, Asylbewer­ber und Übersiedler zugewandt. Hier fanden vier Veranstaltungen zu diesem Themenbereich statt, wobei die Über­siedler aus der DDR besonders zu Wort kamen.

Besuche und Gottesdienste am Ort ehemaliger Konzentrationslager soll­ten wieder Anstoß geben, die Ausein­andersetzung mit der Vergangenheit nicht zu beenden, die unter bestimm­ten Gesichtspunkten auch in der Veranstaltung "Desertieren oder tapfer verteidigen..." von ehemaligen Wehr­machtssoldaten und Bundeswehroffi­zieren und -angehörigen aufgegriffen und diskutiert wurde. Gebete für den Frieden und themenbezogene ökume­nische Gottesdienste fanden in vielen weiteren Kirchen im Rahmen der Friedenswoche statt.

Die Völkerverständigung zwischen der Bundesrepublik und der Sowjetunion war ein weiteres Thema, hier wurde über Begegnungsreisen von Friedensgruppen in die Sowjetunion berichtet.

Gewaltverzicht und die Auswirkungen im persönlichen und politischen Alltag, der "konziliare Prozeß" von Basel und Seoul, Atommüll - einstürzende End­lager und blockierte Transporte - wa­ren weitere Diskussionspunkte. An­hand der geplanten Endlager für Atommüll in Gorleben und Schacht Konrad wurde über die europäischen Pläne zur niedersächsischen Atom­müll-Lagerung berichtet. Über die Folgen einer Weltausstellung in Han­nover und ihre Auswirkungen auf die Bevölkerung informierte das Aktions­forum gegen die Weltausstellung.

Ein interessantes Projekt war von ei­ner der Stadtteil-Friedensgruppen initiiert und durchgeführt worden: Theater in den Friedensgruppen, Friedensgruppen machen Theater. Unter dem Motto: "Friedensgruppen entdecken die Straße neu - mit Schminke, Schmackes und Requisiten" wurde zu einer Veranstaltung mit Kostproben eingeladen. Dabei ging es neben den Vorführungen auch um den Austausch zwischen den verschiedenen Theatergruppen der Friedensbewegung, die über ihre Erfahrungen mit Straßen­theater berichteten und an diesem Abend für ihre weitere Arbeit die Rückmeldung haben wollten, die sie auf der Straße so oft nicht haben.

Natürlich fehlte auch eine Musikver­anstaltung nicht: "Ohne uns...!- Rock gegen Rechts" mit Gruppen aus der DDR und BRD, veranstaltet von der Evangelischen Jugend.

Am Ende der Dekade stand ein In­formationsabend zur Schweizer Kam­pagne "Schweiz ohne Armee"; am 26. 11. wurde bekanntlich in der Schweiz über ein Volksbegehren zu Abschaf­fung der Armee abgestimmt, zusätz­lich zu dieser Diskussion um die Schweizer Aktion wurde dann über die Bemühungen um eine "Bundesrepu­blik ohne Armee" informiert.

Über "Ziel und Möglichkeiten kom­munaler Friedensarbeit in Hannover" wurde ebenfalls am letzten Tag der Dekade diskutiert mit Vertreterinnen und Vertretern der Ratsfraktionen und mit Experten aus der Friedensarbeit. Ein sperriges Thema bisher für Han­nover, mit relativ wenig Öffentlichkeit und wenig Unterstützung durch gesell­schaftliche Gruppen, Verbänden, In­stitutionen und Parteien. Doch wird die kommunale Friedensarbeit sicherlich ein Schwerpunkt der Arbeit des Friedensbüros/Komitees Friedenswo­che für die nächste Zeit werden.

Der Besuch bei all diesen kurz er­wähnten Veranstaltungen war sehr unterschiedlich, aber eigentlich immer kam es zu interessanten und lebhaften Diskussionen, die häufig dazu ani­mierten, im kleineren Kreis weiter zu diskutieren. Ansatzpunkte für eine Weiterarbeit über die Friedenswoche hinaus wurden geschaffen.

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Petra Metsch ist beim Antikriegshaus Sievershausen beschäftigt.