Friedensdemonstration

Die Waffen nieder! – Demonstration am 8.Oktober 2016 in Berlin Jens-Peter Steffen

von Jens-Peter Steffen
Initiativen
Initiativen
( c ) Netzwerk Friedenskooperative

Die Berichterstattung in den Mainstream-Medien über die bundesweite Friedensdemonstration mit der von Bertha von Suttner entlehnten Überschrift blieb suboptimal. Dafür fanden sich um so mehr Beiträge, Fotos und Dispute im Netz. Es bleibt eine Chronistenpflicht zu erfüllen.

Zur Demo aufgerufen hatten die Kooperation für den Frieden, der Bundesausschuss Friedensratschlag und die Berliner Friedenskoordination. In einem mehrwöchigen Prozess wurde ein Aufruf formuliert, dessen Hauptziel die Kritik am Verhalten der eigenen Regierung war und der konkrete Forderungen an die deutsche Politik stellte: Dazu gehörte der Abzug der Bundeswehr aus allen Auslandseinsätzen, eine drastische Reduzierung des Rüstungsetats, ein Stopp der Rüstungsexporte, die Ächtung von Kampfdrohnen und ein Ende der Beteiligung an NATO-Manövern und Truppenstationierungen entlang der Westgrenze Russlands.

Nicht nur diesen Formulierungsprozess prägte die Differenz zwischen den Spektren der Friedensbewegung. Die Bandbreite reichte von pazifistisch eingestellten VertreterInnen der Förderung Ziviler Konfliktbearbeitung bis zu einem links verorteten antimilitaristischen Spektrum. Inhaltlich spürbar wurde das wiederholt in der Frage der Einschätzung der Rolle Russlands. Bedeutet eine qualifizierte Erwähnung Russlands bereits eine unerlaubte Äquidistanz des Landes zu den USA, oder kann es bei aller Anerkennung der aggressiven Rolle des Westens eine kritische Charakterisierung russischer Politik geben? Für Anti-West-ImperialistInnen wie für Russland-KritikerInnen blieb der Aufruf nicht akzeptabel.

Den Aufruf zur Demo zeichneten schließlich an die 160 Organisationen und viele, viele individuelle FriedensaktivistInnen. Zwei Pressegespräche in Berlin zur Popularisierung des 8.X. wurden von den Medien äußerst schwach besucht.

Der Vorbereitungskreis wünschte sich eine kompakte Demo aus Auftakt, Marsch und Abschluss. Zudem sollte die RednerInnenliste politische Breite demonstrieren. Das ist in dem erwünschten Maße nicht gelungen. Mit Sarah Wagenknecht als fulminant frei sprechende Abschlussrednerin entstand fraglos eine Dominanz der Links-Partei. Michael Müller, ehemaliger parlamentarischer Staatssekretär der SPD und aktuell Vorsitzender der Naturfreunde, war die einzige zu nennende Ergänzung aus den Parteien. Aus der grünen Partei war keine RednerIn zu gewinnen.

Alternativ wurde angedacht, eine Breite sozialer und politischer Bewegung auf die Bühne zu bringen. Oder Personen zu gewinnen, die als moralische Institutionen gesehen werden können. Auch diese Pläne ließen sich nicht umsetzen.

Von „einem Sprecher“ der Veranstalter wurden zwischen 5 und 10.000 TeilnehmerInnen erwartet. Ich gestehe ein, dass ich nach der vierten Wiederholungsfrage der dpa-Journalistin keine Ausrede mehr hatte und mich zu dieser Schätzung hinreißen ließ. Insofern bin ich über die Zahl von 8.000 TeilnehmerInnen froh, liegt sie doch im prognostizierten Rahmen. Ich halte die Zahl gegenüber der durch die Polizei veröffentlichten 5.000, die sie zu einem unbekannten bestimmten Zeitpunkt „gezählt“ haben will, für angemessen. Es gab eine spürbare Fluktuation der Beteiligung bei Auftakt, Marsch und Abschluss. Nicht wenigen Menschen machte das feucht-kalte Wetter zu schaffen und sie schwenkten ab in die wärmende Gastronomie. Aus eigenem Augenschein kann ich sagen, dass eine nicht unerhebliche Zahl an Interessierten direkt am Brandenburger Tor auf den Abschluss wartete.

Vereinnahmungsversuche durch rechte Nebendemo
Bei den angereisten ortsfremden DemoteilnehmerInnen – und teilweise auch bei den Medien - sorgte eine rechte Nebendemo „Raus aus der NATO“ auf dem Alexanderplatz für Verwirrung. Zu den AufruferInnen gehörten AfD-Mitglieder und die „Engagierten Demokraten gegen die Amerikanisierung Europas“, aber auch Stephan Steins Webseite „Die Rote Fahne“. Mit den Symbolen der Friedensbewegung fischten sie an der Weltzeituhr nach Publikum. Die VeranstalterInnen versuchten dies durch entsendete OrdnerInnen zu korrigieren, die den ob der rechten, verschwörungstheoretischen und sogar antisemitischen Slogans und Bilder irritierten FriedensktivistInnen den Weg zur Demo „Die Waffen nieder!“ wiesen.

Die VeranstalterInnen der Weltzeituhr-Demo, die sich als „Friedensbewegung bundesweite Koordination“ bezeichnet, konnten zumindest teilweise parasitär von der Demo „Die Waffen nieder!“ profitieren. Stephan Steins zeigte letzlich keine Scheu, die Tausende der „Die Waffen nieder!“-Demo für sich zu reklamieren. Die Doppeldemo-Situation bedingte aber auch, dass die im Vorfeld aufgebrachten medialen Anschuldigungen um den angeblichen „Querfrontcharakter“ der großen Demo nun aus blieben.

Für die VeranstalterInnen war unsere Demo erfolgreich. Prinz Chaos II rief zum Abschluss ins Publikum, dies sei der Anfang von was Neuem. Na ja, wenn das Alte sich weiter gut entwickelt, das wäre auch was Gutes.

Ausgabe

Rubrik

Initiativen