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Die Wiederannäherung von Außen- und Militärpolitik in Polen
vonIm Frühsommer dieses Jahres fand eine weitreichende Wiederannäherung zwischen der Außen-und der Militärpolitik Polens statt. Dies betraf besonders den Stil, in dem Aktivitäten ausgeführt und koordiniert wurden. Diese Entwicklung folgte einem größeren politischen Konflikt innerhalb des polnischen politischen Establishments, bei den es auch darum ging, wer - oder welche Institution - das Militär des Landes kontrollieren sollte. Wir drucken im folgenden Ausschnitte aus einem Artikel, der als Forschungsbericht in der Zeitschrift "Radio Free Europe/Radio Liberty- Research Report" (RFE/RL) erschienen ist.
In einem Gespräch mit einem Reporter der Militärzeitschrift Polska Zbrojna sagte Außenminister Krzysztof Skubiszewski kürzlich, daß "die Außenpolitik das einzige stabile Element (in der polnischen Politik) gewesen sei und unseren Partnern und der NATO zeige, daß nicht alles in Polen dem politischen Wahnsinn zum Opfer gefallen" sei... Skubiszewskis Betonung einer Unterscheidung zwischen Polens Innen- und Außenpolitik war gewiss richtig. Denn während die Innenpolitik nun schon seit einiger Zeit unter fast unaufhörlichen programatischen Konflikten zwischen verschiedenen Gruppen und unter einem Streit über Vorrechte zwischen der Präsidentschaft, dem Ministerrat und dem Parlament leidet, sind die außenpolitischen Bewegungen relativ immun gegenüber den internen Streitigkeiten geblieben.
Skubiszewskis Bemerkungen erhielten dadurch besondere Bedeutung, daß sie in einer Militärzeitung veröffentlicht worden waren. In den letzten Monaten war das Verteidigungsministerium zu einem der zentralen Konfliktpunkte zwischen dem Präsidenten und seinen Ministern sowie innerhalb der Regierung selbst geworden. Die zivilen Führer des militärischen Establishments wurden beschuldigt, versucht zu haben, sich Vorrechte des Präsidenten in Fragen der nationalen Sicherheit und die des Außenministers bei der Koordinierung außenpolitischer Aktivitäten anzumaßen.
Eine kontinuierliche Außenpolitik
Am 23. Juni unterzeichnete Polen einen Freundschafts-und Kooperationsvertrag mit Belorussland, in dem ihre gemeinsame Grenze gesichert und gegenseitige Garantien für ihre ethnische Minderheiten im jeweils anderen Land vereinbart wurden... Am 1. Juli wurde ein Vertrag mit Lettland, am 2. Juli einer mit Estland unterzeichnet... All diese Aktivitäten sind ein zusammenhängender Teil einer Außenpolitik, die Anfang 1990 entwickelt und seitdem ohne größere Veränderungen fortgeführt wurde. Die Politik hat zwei Ziele: Erstens, die Kooperationsbeziehungen mit den unmittelbaren Nachbarn Polens zu entwickeln und zu verbreitern, indem eine Reihe bilateraler Abkommen und Kontakte geknüpft werden. Und zweitens, Polen in Westeuropas politische, ökonomische und Sicherheitssysteme zu integrieren, indem die Assoziation mit westlichen Regierungen, Institutionen und Organisationen gesucht wird.
Nachdem bereits Kooperations-und Freundschaftsverträge mit Deutschland (1991), der Tschechoslowakei (1991), der Ukraine (1992), Russland (1992) und jetzt Belorussland unterschrieben wurden, hat Polen das erste Ziel beinahe erreicht. Die Unterzeichnung eines Freundschaftsvertrags mit Litauen, dem einzigen verbleibenden Nachbarland, mit dem ein solches Abkommen bislang nicht erzielt wurde, wurde aufgrund von andauernden Schwierigkeiten zwischen den beiden Ländern bezüglich des politischen Status der polnischen Minderheit in Litauen verzögert.
Der Versuch, Polen in Westeuropa zu integrieren, hat u.a. zur Unterzeichnung von Abkommen... mit Frankreich, Großbritannien und Italien sowie zu Handels-und Kulturvereinbarungen geführt; Polen trat dem Europarat bei und es gelang ihm, Beziehungen mit der OECD, der EG, der WEU und der NATO aufzunehmen... Diese Politik der Kontinuität ist erfolgreich gewesen und hat Polen Respekt bei seinen internationalen Partnern und auch beträchtliche Unterstützung zu Hause eingebracht. Das jüngste Anzeichen für diese einheimische Unterstützung waren die kürzlichen Resolutionen im Senat und dem Sejm, wahrhaftig beachtenswerte Reaktionen von einem politischen Establishment, das durch Uneinigkeiten und persönliche Animositäten gekennzeichnet ist.
Streit über die militärische Sicherheit
Nirgendwo waren diese Uneinigkeiten und persönlichen Animositäten deutlicher wahrzunehmen als in dem Streit über die militärische Sicherheit zwischen Präsident Lech Walesa und dem Verteidigungsminister Jan Parys. Der Streit konzentrierte sich auf die Frage, wer bzw. welche Institution für die militärische Sicherheit verantwortlich sein und die Tätigkeit der verschiedenen Institutionen in diesem Gebiet koordinieren sollte. Der Präsident bestand darauf, daß er das Recht habe, Angelegenheiten, die die nationale Sicherheit beträfen, zu beaufsichtigen, wobei er sich auf die Verfassung und sein Mandat berief. Parys argumentierte, daß die Verfassung die Anwendung der Vorrechte des Präsidenten von der Zustimmung des Parlaments abhängig machte und daß, wenn die Gesetze nicht geändert würden, Entscheidungen über die militärische Sicherheitspolitik von Parlament und Regierung, nicht vom Präsidenten gefasst werden sollten. Er wurde in seiner Sicht von Premierminister Jan Olszewski unterstützt.
Die Intensität des Streits wurde signifikant durch Parys öffentliche und vehemente Rechtfertigungen seiner radikalen Schritte erhöht. Wenige Wochen, nachdem er Ende Dezember 1991 sein Amt angetreten hatte, kündigte er seinen Widerstand gegen vorher überlegte Reformen des Militärischen Establishments an..., entfernte zwei Zivilisten und vier höhere Militärs vom Ministerium und füllte die Positionen mit seinen eigenen Leuten; schwor, das Militär von politisch unpassenden Offizieren zu säubern; forderte eine konzentrierte Stationierung bewaffneter Kräfte entlang der Ostgrenzen des Landes, weil er Polen hauptsächlich durch seine östlichen Nachbarn bedroht sah; und sandte mehrfach eigene Abgesandte in verschiedene westliche Länder, um Lobbyarbeit für NATO-Garantien für Polens Sicherheit zu betreiben, wobei er die heimischen Prozesse der Definierung der Außenpolitik ziemlich missachtete. Keine dieser Aktionen fand die Zustimmung von Walesa oder seinem Stab und die meisten wurden öffentlich kritisiert.
Am 7. April wurde Parys gezwungen, sein Amt vorübergehend niederzulegen; nach verschiedenen Anhörungen und gegenseitigen Anschuldigungen mit dem Apparat des Präsidenten trat er am 18. Mai zurück. Am 5. Juni wurde Premierminister Olszewski formal von seinem Amt abgesetzt. Olszewskis Abtritt setzte einen Prozess der Wiederannäherung der Sicherheits-und der Außenpolitik des Landes in Gang. Eine der ersten politischen Handlungen des neuen Premierministers Waldemar Pawlak war, Janusz Onyszkiewicz zum Verteidigungsminister zu machen, einen früheren Staatssekretär im Verteidigungsministerium, der von Parys entlassen worden war. Onyszkiewicz ergriff auch verschiedene Maßnahmen, um das Gefühl von Unsicherheit und Spannung innerhalb des Militärs zu beseitigen, besonders indem er von jedem größeren personellen Wechsel absah und erklärte, daß jeder solcher Wechsel in Zukunft auf der Basis von Kompetenz und Verdienst anstatt aus politischen Gründen gemacht werden würde...
Der Übergang von Konfrontation zu Koordination war relativ einfach, da die Grundvoraussetzungen nationaler Sicherheitspolitik von keiner der postkommunistischen Regierungen in Frage gestellt worden waren: sie sind immer pro-europäisch und pro-westlich gewesen. Mitte Juni reisten Skubiszewski und Onyszkiewicz nach Bonn, um einem speziellen Treffen der WEU teilzunehmen, wo Polen zusammen mit einigen anderen osteuropäischen Ländern in das Beratende Forum aufgenommen wurde. Dieses war von der Union eingerichtet worden, um die Osteuropäer mit einem weiteren politischen und Sicherheitsband mit dem Westen zu versehen. (In Ergänzung zu dem Nordatlantischen Kooperationsrat, der im Dezember 1991 von der NATO eingerichtet worden war.)... Polens sich ausweitende Verbindungen mit der NATO wurden weiterhin durch den Besuch von Generalstabschef Colin Powell untermauert, der Onyskiewicz während eines Treffen am 9. Juli sagte, daß die USA daran interssiert waren, "Kontakte zwischen den bewaffneten Kräften Amerikas und Polens zu stärken". Onyszkiewicz hat angeblich geantwortet, daß Polen besonders daran interessiert sei, seine Offiziere zur Ausbildung nach Amerika zu senden, moderne amerikanische Waffen zu erwerben und die Unterstützung der USA bei der Reorganisierung des militärischen Establishments zu bekommen.
Ausblick
Im Gebiet der Außen-und Sicherheitspolitik liegt der Hauptunterschied zwischen der Regierung von Olszewski und seinen Nachfolgern im politischen Stil. Die Olszewski-Regierung verkündete ihren aktiven Antikommunismus und den Wunsch nach einen raschen "Durchbruch", obwohl diese Gefühle tatsächlich mehr in politischen Slogans als in tatsächlicher Aktion ausgedrückt wurden. Ihre Nachfolgerin hat einen besonneneren Ansatz eingeschlagen. Der Kern dieser Orientierung wurde kürzlich durch Außenminister Skubiszewski erklärt, als er über das langfristige Ziel einer Mitgliedschaft in der NATO sprach; ein Ziel, das alle postkommunistischen Regierungen teilen: "Es ist nicht einfach, dieses Ziel zu erreichen", sagte er. "Es forderte und fordert immer noch eine schrittweise Vorwärtsbewegung, Schritt für Schritt, und jeder dieser Schritte muß erfolgreich sein."
Dieser gradualistische und maßvolle Ansatz wird vermutlich die polnische Außen- und Militärpolitik für einige Zeit bestimmen. Dies wird durch die Personalwahl für Schlüsselpositionen angedeutet...Wichtiger noch, es gibt Anzeichen, daß sowohl die Ziele wie die Art und Weise, wie diese Politik ausgeführt wird, eine beträchtliche Zustimmung im ganzen Land gefunden hat. Die Außenpolitik wurde von der Öffentlichkeit immer so gesehen, daß sie die Interessen des Landes wiederspiegele und es gab eine generelle Unterstützung für die Entwicklung von freundschaftlichen Beziehungen mit den Nachbarländern und für Polens Teilnahme an einem europäsichen ökonomischen und politischen System. Tatsächlich könnte, nach der jüngsten Erfahrung mit voreiligen "Durchbrüchen" und Reinigungen, Überlegung und schrittweiser Fortschritt sehr gut die wirksamen Formeln erscheinen, um Abgleiten und Unordnung zu vermeiden.
Dieser Artikel ist in voller Länge in der Zeitschrift RFE/RL erschienen.