BürgerInnenfunk eröffnet auch kleinen Friedensgruppen neue Chancen, Öffentlichkeit herzustellen

"Die Wirkung ist groß"

von Robert Hülsbusch
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Eine gängige Musik erklingt. Eingeschaltet ist der private lokale Rund­funksender für den Kreis Coesfeld, "Radio Kiepenkerl". Langsam wird die Musik ausgeblendet. Der Moderator erhebt seine Stimme: "Hallo liebe Hörerinnen und Hörer im Kreis Coesfeld und weit darüber hinaus. Hier ist wieder der Bürgerfunk aus Nottuln, hier meldet sich wieder die Friedensinitiative Nottuln mit ihrer Sendung. Am Mikrofon: Willi Kar­koska." Die Musik wird wieder hochgefahren.

Seit einem Jahr nun hat für die Friedens-initiative Nottuln ein neues "Me­di­en­zeitalter" begonnen. Auf der letzten Jah­reshauptversammlung wur­den aus­führlich die Möglichkeiten, einen eige­nen Bürgerfunk zu installie­ren, erörtert. Eine einzigartige Grund­lage bietet dafür in Nordrhein-Westfalen das Landes­rundfunkgesetz (LRG NW). Das Ange­bot der "medialen Kommuni­ka­ti­on" für Gruppen mit kultureller Ziel­setzung ist dort im _ 24, Abs. 4 ver­an­kert. Hiernach muß der Lokalfunk­sender 15 % der lo­kalen Sendezeit, höchstens jedoch zwei Stunden täglich, für den Bürgerfunk be­reitstellen. Jede Gruppe (ab 2 Personen) kann also so ein eigenes Radiopro­gramm im Rahmen der all­ge­meinen Pressegesetze gestalten. Eine in­haltliche Zensur findet nicht statt. Auch eine "ökonomische Zensur" gibt es nicht: Die bei Lokalfunkbetrei­bern üb­liche Orien­tierung der Pro­gramm­ge­stal­tung an die Zielgruppe "Konsumenten" ist beim BürgerInnen­funk nicht erfor­derlich.

Die Eingangsmelodie endet. "Wir haben auch heute wieder für Euch eine interes­sante Sendung zusammengestellt, mit viel Musik, Veranstaltungshinweisen und Tipps. Das Thema heute: Stefan T. aus Appelhülsen - ein Deserteur aus Ju­goslawien wehrt sich gegen seine Ab­schiebung. Doch bevor ich Stefan T. aus Appelhülsen vorstelle, hier die Gruppe KEIMZEIT mit ihrem Sommerhit `Kling, klang'."

Der BürgerInnenfunk ist kein klassi­scher offener Kanal, sondern eingebettet in die Gesamtstruktur des Senders. Dies hat Vorteile: Die Attraktivität und Be­deutung des BürgerInnenfunks ist so sehr hoch. Die gewohnheitsmäßigen Hörerinnen und Hörer von "Radio Kie­penkerl" werden vom BürgerInnenfunk der FI quasi "übernommen". Dies setzt jedoch auch - will man zu einer ver­nünftigen, konstruktiven Zusammenar­beit mit den Profis des Lokalsenders kommen - die Bereitschaft voraus, sich nach der üblichen Sendestruktur des Senders auszurichten oder zumindest diese nicht ganz unberücksichtigt zu las­sen. Anfänglich zeigte der Lokalsender großen Unmut angesichts der Absicht der FI, BürgerInnenfunk zu machen. Der Chefredakteur befürchtete einen Niveau-Abfall, der wieder auf seinen Rundfunksender zurückfällt. Gerne würde er - das gab er offen zu - die Bür­gerInnenfunksendung der Friedensi­nitiative verhindern. Das Landesrund­funkgesetz verpflichtet ihn jedoch: Es wird gesendet, was die FI produziert. Schnell lernte der Chef von "Radio Kie­penkerl", daß seine Bedenken unbe­rechtigt waren. Die Friedensinitiative zeigte sich bereit, das "strukturelle Ni­veau" des Senders zu übernehmen: Es wird aktuelle Musik gesendet, die ein­zelnen Wortbeiträge sind nicht länger als 2 1/2 Minuten. Bei insgesamt 5 Sets betragen so die inhaltlichen Beiträge - auf die es der FI natürlich ankommt - in einer Sendestunde maximal 12 Minuten. Willi Kakorska, Mitglied der Friedensi­nitiative, erklärte sich bereit, die Pro­duktion der BürgerInnenfunksendung zu übernehmen. Für 1500 DM stellte die FI ihm ein Reportagegerät zur Verfügung (Sony TCD 5, ein Gerät, mit dem auf die professionellen KollegInnen arbei­ten). Die Anschaffung dieses "Hand­werkzeugs" ist für eine regelmä­ßige Produktion - die FI sendet einmal im Monat - unerlässlich. Geschnitten und endgültig produziert wird die Sendung im Radiostudio einer kath. Weiterbil­dungsstätte in Münster. Aber auch ohne diese optimalen Voraussetzungen ist für Friedensgruppen BürgerInnenfunk mög­lich. Leute, die keinerlei Rund­funkerfahrung besitzen, können diese in den immer mehr stattfindenden örtli­chen VHS-Kursen erwerben. Häufig stellt die VHS vor Ort mittlerweile auch die Studiotechnik zur Verfügung. Wer an seinem Ort diese Möglichkeiten nicht hat, kann darüber hinaus noch ein trans­portables Tonstudio über die Landesan­stalt für Rundfunk kostenlos ausleihen.

Die Produktion einer Radiosendung ko­stet Geld. Für eine 45-minütige Sendung muß man ca. 80 DM ansetzen. Dazu kommen die Mietkosten für das Studio. Doch keine Panik - die Sache ist finan­zierbar: Die Landesanstalt für Rundfunk übernimmt auf Antrag Produktionsko­sten für den BürgerInnenfunk. Heute, wo die Zahl der AktivistInnen in der Friedensbewegung erheblich ge­schrumpft ist, ist die "mediale Kommu­nikation", ist der BürgerInnenfunk eine große Chance, weiter viele Menschen zu erreichen. Der Aufwand ist relativ ge­ring, die Wirkung groß. Und es macht Spaß.

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Robert Hülsbusch, Friedensinitiative Nottuln.