Völkerrecht und Autonome Waffen

Drohnen und Autonome Waffensysteme im Blick des Völkerrechts

von Norman Paech
Schwerpunkt
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Am 3. Januar 2019 töteten die USA den iranischen Generalmajor Soleimani und neun seiner Begleiter in Bagdad durch einen Drohnenangriff. Wie die UN-Sonderberichterstatterin für willkürliche Exekutionen und Schnell-Hinrichtungen Agnes Callamard dem UN-Menschenrechtsrat berichtete, bestand für die USA keine tatsächliche, unmittelbare Bedrohung. Das Vorgehen der USA war eindeutig rechtswidrig und stellte einen groben Verstoß gegen das Völkerrecht dar. Die USA hingegen rechtfertigten die Ermordung des Generals mit Selbstverteidigung.

Wenn in der gegenwärtigen Diskussion im Bundestag die Ausrüstung der Drohnen der Bundeswehr mit Raketen mit dem Schutz der eigenen Soldaten im Einsatz, d.h. mit Selbstverteidigung, begründet wird (1), sollten wir den Angriff gegen Soleimani im Hinterkopf behalten. Denn Verteidigungssituationen sind leicht zu konstruieren. Man denke nur an den unseligen Angriff auf den Tanklastzug am Kunduzfluss in Nordafghanistan im September 2009, der ebenfalls mit dem Schutz der eigenen Soldaten begründet wurde, obwohl objektiv für diese weder eine konkrete Bedrohung noch Gefahr bestand.

Der vermehrte Einsatz von Kampfdrohnen in erklärten oder nichterklärten Kriegen vornehmlich im Mittleren Osten und ihre zweifelhaften Erfolge hat die Diskussion über ein Verbot oder die rechtliche Regulierung autonomer Waffensysteme beflügelt. International hat sich der Begriff „Lethal Autonomous Weapon Systems“ (LAWS) für Waffensysteme mit autonomen Funktionen, die keine menschliche Intervention für die Auswahl und Bekämpfung des Ziels benötigen, eingebürgert. Die ferngesteuerten Kampfdrohnen sind gleichsam eine Vorstufe für die vollkommen autonom agierenden Waffen, auf die die technische Entwicklung zusteuert. Sie werfen bereits eine Vielzahl technologischer, politischer, ethischer und völkerrechtlicher Fragen auf, von denen hier nur die völkerrechtlichen Fragen erörtert werden sollen. Es geht dabei zunächst um die spezifische Qualität und besondere Wirkung der Drohnen im Kampfgeschehen und sodann um die Frage ihrer Regulierung nach den Regeln des humanitären Völkerrechts.

Drohnen und das humanitäre Völkerrecht
Zentral ist dabei der menschliche Einsatz, der schon heute auf Grund der erweiterten technischen Möglichkeiten der Drohnen nicht nur erheblich reduziert, sondern auch ersetzt werden kann, so bei Einsätzen, die für Menschen zu gefährlich sind. Die gezielten Tötungen durch die CIA in Pakistan und Jemen sind ein fester Bestandteil der US-Strategie, die die eigenen Verluste bei derartigen Operationen eindeutig reduziert haben. Während die Pilot*innen im Cockpit fern vom Kampfgeschehen für die Kämpfenden vor Ort praktisch unangreifbar geworden sind, könnte sich der Angriff der Gegenseite auf die technologische Infrastruktur richten (2), was allerdings nur Kriegsparteien auf ähnlichem technischen Niveau möglich wäre. Die gegenwärtigen Ziele in Jemen, Somalia, Pakistan, Irak oder Syrien würden diese Möglichkeiten noch nicht eröffnen. In der Literatur wird zudem darauf hingewiesen, dass unbemannte Waffensysteme die Wahrscheinlichkeit bewaffneter Konflikte erhöhen und langfristig zu einem Absinken der politischen Hemmschwelle zum Gewalteinsatz führen. (3) Vor allem aber gibt es zahlreiche Berichte über die unerträglichen verängstigenden Wirkungen der Kampfdrohnen auf die Zivilbevölkerung, die sich durch die über ihnen kreisenden Drohnen ständig bedroht fühlen. Obwohl die Drohnen in großer Höhe fliegen, sind ihre Motoren vom Boden aus gut wahrnehmbar und wecken Angst, das Ziel einer Rakete zu werden.

Die völkerrechtlichen Fragen des Einsatzes von LAWS werden derzeit unter den Vertragsstaaten der Waffenkonvention der Vereinten Nationen (Convention on Certain Conventional Weapons, CCW) diskutiert. Der rechtliche Rahmen wird durch das humanitäre Völkerrecht bestimmt, in dem drei Gebote grundlegend für die rechtliche Beurteilung autonom agierender Kampfsysteme sind: das Gebot der Unterscheidung zwischen Zivilist*innen und Kombattant*innen, die Verhältnismäßigkeit von Mittel und Zweck und das Gebot der militärischen Notwendigkeit des Kampfeinsatzes. Die Verletzung der Menschenwürde ist das stärkste Argument gegen die Entwicklung und den Einsatz derartiger Systeme. 28 Staaten haben sich bisher ebenso wie die EU (4) für ein Verbot ausgesprochen, während z.B. die USA, Russland, Südkorea und Israel ein Verbot ablehnen. In der Bundesrepublik haben sich sowohl der Koalitionsvertrag der Bundesregierung von 2013 wie der von 2018 zwischen CDU/CSU und SPD für eine Ächtung autonomer Waffensysteme ausgesprochen.

Von Menschen gesteuerte Drohnen
Drohnen, bei denen immerhin noch die Entscheidung über Ziel und Einsatz beim Menschen liegt, werden hingegen derzeit noch überwiegend als völkerrechtlich unbedenkliche Waffensysteme eingeschätzt. Die Überlegungen gehen allenfalls in Richtung einer vertraglichen Regulierung ihres Einsatzes, wie es z.B. der ehemalige Vorsitzende von IALANA Peter Becker mit einem Vertragsentwurf vorgeschlagen hat. (5) Allerdings hat sich in jüngster Zeit mit der Entscheidung der Verteidigungsministerin über die Anschaffung waffenfähiger Drohnen ein Dissens mit der SPD-Fraktion aufgetan.

Eine Gruppe von Fachpolitiker*innen hat einen Kriterienkatalog entwickelt, der zur Voraussetzung eines völkerrechtlich unbedenklichen Einsatzes gemacht werden soll. Hierzu zählen:

  • das ausdrückliche Verbot extralegaler Tötungen,
  • die kategorische Ablehnung von vollautomatisierten Drohnen und anderen Waffensystemen
  • die Erstellung und Offenlegung eines verbindlichen Einsatzkonzeptes für Drohnen
  • der Einsatz von Drohnen nur, wenn er explizit im jeweiligen Bundeswehrmandat vorgesehen ist
  • die Verortung des operativen Hauptquartiers mit den Kontroll- und Steuereinheiten für Drohnen im Einsatzland
  • eine größtmögliche Fürsorge und psychologische Begleitung für das Bedienungs- und Kontrollpersonal.

Weiter geht eine Initiative der SPD-Abgeordneten Nina Scheer (6), die einen Verzicht auf Kampfdrohnen und ihre völkerrechtliche Ächtung verlangt. Die psychische Belastung der Zivilbevölkerung, die mit der Bedrohung durch die Drohnen zu massenhaften Traumatisierungen führe, qualifiziere sie zu Angriffswaffen, die dem verfassungsrechtlichen Verbot des militärischen Angriffs und dem Selbstverständnis der Bundeswehr als Verteidigungsarmee widerspreche. Alle bisher mit ihnen gemachten Erfahrungen würden sie als Angriffswaffen kennzeichnen. Diese Meinung wird durch einen offenen Brief von vier ehemaligen US-amerikanischen Drohnenpiloten an Präsident Obama noch bekräftigt. Sie werfen dem Drohnenprogramm vor, „eine der verheerendsten Triebfedern des Terrorismus und der Destabilisierung weltweit“ zu sein. Das kann in der Tat nicht mehr mit einer angeblichen Verteidigungsaufgabe verdeckt werden. Sie wird zu oft als Rechtfertigung missbräuchlich vorgeschoben, als dass sie noch ernsthaft für die Rechtmäßigkeit der Kampfdrohnen ins Feld geführt werden kann.

Anmerkungen
1 Vgl. Deutscher Bundestag, Beschaffung von Kampfdrohnen umstritten, v. 20. Juni 2014, <https:/www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2014/kw27_pa_verteidigung/283434.
2 Vgl. Anja Dahlmann, Marcel Dickow, Präventive Regulierung autonomer Waffensystem, SWP-Studie 1, Januar 2019, Berlin, S. 13.
3 Vgl. Anja Dahlmann, Marcel Dickow, Anm. 2, S. 15; Frank Sauer, Niklas Schörnig, ‚Killer Drones: The ‚Silver Bullet’ of Democratic Warfare?, in: Security Dialogue 43 (August 2012), 4, S. 363-380.
4 Entschließung des Europäischen Parlaments v. 12. September 2018 zu autonomen Waffensystemen, Zif. 2 u. 4.
5 Vgl. Peter Becker, Vorschlag und Begründung für ein völkerrechtliches Abkommen zur Drohnenkriegführung, in: Norman Paech, Karsten Nowrot (Hrsg.), Krieg und Frieden im Völkerrecht, Köln 2019.
6 Nina Scheer, Bewaffnete Drohnen – Verzicht als Chance für gestaltende Friedenspolitik, v. 11. Dezember 2020.

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