Ehrenschutz für die Bundeswehr?

von Martin Singe
Hintergrund
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1. Der geplante Paragraph 109b Strafgesetzbuch

"Ehre" bedeutet eigentlich die an eine Person gebundene Würde einer Person, bzw. die dieser Würde entsprechende äußere Achtung. Wieso die Bundeswehr "Ehre" haben soll, ist also erst einmal schleierhaft. 1995 - zum 40jährigen Be­stehen der Bundeswehr - veranstaltete die Bundesregierung zwei Große Zap­fenstreiche in Bonn und Erfurt sowie eine große öffentliche Rekrutenvereidi­gung erstmals in Berlin. Bei diesen An­lässen wurde massive Kritik aus der Friedensbewegung laut, die sich u.a. auch im Zitieren des berühmt gewor­denen Tucholsky-Wortes "Soldaten sind Mörder" äußerte. Für 1997 sind rund 30 öffentliche Vereidigungen und zwei Große Zapfenstreiche geplant. Nach dem Bonner Zapfenstreich fand im Bundestag eine geradezu hysterische Debatte statt, wie denn dem Mörder-Ge­schrei zu begegnen sei. Seitdem steht der Plan, einen besonderen Ehrenschutz-Paragraphen im Strafgesetzbuch zu ver­ankern, um solchem pazifistischen Ge­johle ein Ende setzen zu können.

Im März 1996 wurde dann der geplante _ 109b (Verunglimpfung der Bundes­wehr) als Gesetzesinitiative der Regie­rungskoalition vorgestellt und ging in die 1. Lesung: "Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreitung von Schriften (_ 11 Abs. 3) Soldaten in Beziehung auf ihren Dienst in einer Weise verunglimpft, die geeignet ist, das Ansehen der Bundeswehr oder ihrer Soldaten in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, wird mit Freiheits­strafe bis zu drei Jahren oder mit Geld­strafe bestraft." In der Gesetzesbegrün­dung betont die Regierungskoalition, daß es nicht genüge, die Soldaten auf die Beleidigungstatbestände zu verwei­sen. "Vielmehr ist es erforderlich, die Funktionsfähigkeit und Verteidigungs­bereitschaft der Bundeswehr, den Ein­satzwillen des einzelnen Soldaten und die Bereitschaft der Bürger, ihren Wehrdienst zu leisten oder den Beruf eines Bundeswehr-Soldaten zu ergrei­fen, durch eine weitere spezielle Straf­vorschrift zu schützen ..." (Bundestags-Drucksache 13/3971).

Bei der Anhörung des Rechtsausschus­ses zum Gesetzesvorhaben im Oktober 1996 stellte Prof. Armin Steinkamm von der Bundeswehr-Universität München am deutlichsten heraus, worum es Re­gierung und Bundeswehr (auch wenn es aus ihr heraus taktisch begründete Wi­dersprüche gibt) mit dem Gesetzesvor­haben eigentlich geht. Im Mittelpunkt steht jedenfalls nicht das Mitgefühl mit konkreten beleidigten Soldaten, also de­ren durch den Beleidigunsparagraphen hinreichend geschützte Ehre. Zwar wer­den - wie auch bei dieser Anhörung - immer wieder die "wehrlosen Wehr­pflichtigen" bemüht, die - auf irgend­welchen Wiesen oder Domvorplätzen zu öffentlichen Vereidigungen oder zu Zapfenstreichen aufgestellt - zu ge­kränkten Opfern pazifistischer Kritik würden. Im Kern zielt der neue Strafge­setzbuchparagraph 109b - einsortiert bei den Straftaten gegen die Landesvertei­digung - auf den Schutz der Bundeswehr als Institution und bedeutet somit eine Beschneidung des Grundrechts der Meinungsfreiheit um der Förderung der deutschen Wehrkraft willen. So hob Steinkamm bei der Anhörung hervor, daß es um den "Schutz des geistig-poli­tischen Wehrpotentials" gehe. Der Schutz der Funktionsfähigkeit der Bun­deswehr sei erstes Ziel des Gesetzes. Tätigkeiten, die geeignet sind, den Ver­teidigungswillen zu schwächen, müssten bestraft werden, unabhängig vom Nachweis der konkreten Ansehensschä­digung einzelner Soldaten. § 109b würde ein Signal für die jungen Men­schen, die potentiellen Soldaten, bewir­ken und unmittelbar den Hingebungs- und Einsatzwillen der deutschen Solda­ten fördern. Deshalb sei der neue Para­graph auch bei den Straftaten gegen die Landesverteidigung als neuer Straftatbe­stand eingeordnet, um das Rechtsgut der äußeren Sicherheit zu schützen.

2. Die Auseinandersetzung um das Tucholsky-Zitat zwischen 1984 und 1996

1984 hatte der Arzt Peter Augst bei ei­ner Podiumsdiskussion, zu der er als Vertreter der Friedensbewegung geladen war, in einer Frankfurter Schule zu ei­nem Jugendoffizier gesagt: "Jeder Sol­dat ist ein potentieller Mörder, auch Sie, Herr Witt." (1) 1986 wird Augst wegen Volksverhetzung und Beleidigung zu einer hohen Geldstrafe verurteilt. Nach Berufung spricht das Landgericht 1987 frei, das OLG hebt den Freispruch 1988 auf und verweist das Verfahren an eine andere Strafkammer des LG zurück, die schließlich 1989 erneut freispricht. Die­ses LG-Urteil hat erstmals einen Auf­schrei durch die Bundeswehr-konforme Öffentlichkeit gehen lassen, bis hin zum Vorwurf der Rechtsbeugung (CDU-MdB Gerster). Dabei hatte das Gericht sehr vorsichtig geurteilt. Mit Gutachten hatte es ausführlich untersuchen lassen, inwiefern ein sittlich gemeinter Mord­vorwurf das Töten im Krieg adäquat be­zeichnen könne. Es betonte im Urteils­spruch sogar, daß eine Beleidigung vorläge, diese jedoch nicht strafwürdig sei, da der Arzt ein berechtigtes Inter­esse (gemäß _ 193 StGB) wahrgenom­men hätte und in diesem Falle das Grundrecht auf Meinungsfreiheit stärker wiege als die Beleidigung. Das Urteil zitierte das Bundesverfassungsgericht: "Für eine freiheitlich-demokratische Staatsordnung ist es (das Grundrecht auf Meinungsfreiheit) schlechthin kostituie­rend, denn es ermöglicht erst die stän­dige geistige Auseinandersetzung, den Kampf der Meinungen, der ihr Lebens­element ist (BVerfGE 7, 208)"(2). Die Frankfurter Rundschau kommentierte den Freispruch: "Nun also der Frei­spruch, der die Republik, oder zumin­dest viele ihrer Repräsentanten, erbeben läßt. ... Der Frankfurter Fall und seine rechtliche Beurteilung hätte, weil so un­endlich viel Ernsthaftes und Grundsätz­liches dahintersteckt, eine Chance sein können, über die ethischen Grenzen und realen Möglichkeiten von Rüstung und Verteidigung neu zu diskutieren. Diese Chance haben die Vereinfacher mit ih­rem Getöse ruiniert. Auf Kosten der po­litischen Kultur und des Ansehens der unabhängigen Justiz. Ein deutsches Trauerspiel."(3) In einem Entschlie­ßungsantrag des Verteidigungsaus­schusses, der sich über das Urteil "tief betroffen und empört" zeigte, wird erstmals die Forderung erhoben, zu prü­fen, "ob Veranlassung besteht, den Ehr­schutz der Soldaten und der Institution Bundeswehr im Strafgesetzbuch zu er­weitern"(4). Das Darmstädter Signal, eine kritische Soldatenvereinigung, so­lidarisierte sich mit dem Freispruch und erklärte, daß es die Aussage "Alle Sol­daten sind potentielle Mörder" inhaltlich für richtig hält, gerade angesichts einer möglichen Nuklearkriegsführung mit Massenvernichtungswaffen. Auch diese Erklärung führte zu Strafverfahren und zur Degradierung von Major Prieß, die dann aber 1992 vom Bundesverwal­tungsgericht wieder aufgehoben wurde.

Nach vielen weiteren Gerichtsverfahren Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre, die wechselhaft mal mit Verutei­lungen, mal mit Freisprüchen endeten (5), richtete sich das Interesse immer mehr auf die erwartete Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, das ein Be­leidigungsverfahren aus dem 2. Golf­krieg von 1991 zu behandeln hatte (6). Christoph Hiller, Sozialpädagoge, hatte während dieses Krieges neben zwei weiteren pazifistischen Aufklebern auch einen solchen mit dem Tucholsky-Zitat an seinem Auto angebracht. Der erste Strafbefehl wegen Volksverhetzung in Höhe von 8.400,- DM wurde ihm im Juni 1991 zugestellt. Der Instanzenweg endete schließlich beim BVerfG, das am 19.9.1994 entschied. Dieses Grundsatz­urteil von 1994 nun erregte erneut die Gemüter der herrschenden Politik und der Militärs. Von Schand- und Skandal­urteil, vom schlimmsten Urteil seit Be­stehen der Bundesrepublik u.v.m. war die Rede. Noch ehe die meisten das Ur­teil gelesen hatten, machten sie ihrer Empörung Luft, so daß sich das BVerfG bemüßigt sah, eine eigene Presseerklä­rung zur Klarstellung nachzuliefern, in der es dann hieß: "Eine Aussage des In­halts, daß es generell erlaubt sei, Solda­ten der Bundeswehr als Mörder zu be­zeichnen, enthält der Beschluß nicht. Das ergibt sich aus der Begründung der Entscheidung zweifelsfrei." (7) Das BVerfG hatte in der Begründung ausge­führt, daß die verurteilenden Gerichte nicht alle Interpretationsmöglichkeiten des inkriminierten Satzes geprüft hätten. So habe der Verurteilte zum einen den Mord-Begriff nicht im juristischen son­dern im umgangssprachlichen Sinn als moralisches Unwerturteil gebraucht. Außerdem seien konkret nicht die Sol­daten der Bundeswehr gemeint gewe­sen, so daß sie auch durch diesen Auf­kleber nicht beleidigt worden seien. Trotz dieser Differenzierungen riss die Empörung in den Medien und bei den Politikern nicht ab. Erneut wurde der Ruf nach einer klärenden ergänzenden Gesetzgebung zum Schutz der Soldaten laut.

1995 hatte das BVerfG wiederum eine Grundsatzentscheidung in Hinblick auf vier weitere Fälle ähnlich gelagerter Tatbestände zu treffen. Unter Verweis auf den 94er Beschluß hob das BVerfG auch diese Verurteilungen auf, da die Begleitumstände der Aussage, die mög­lichen Interpretationen und eine hinrei­chende Güterabwägung zwischen Mei­nungsfreiheit und Ehrenschutz nicht vorgenommen worden waren.(8) Um vorschneller Politikerschelte zu entge­hen, faxte das BVerfG diesmal vorab eine Zusammenfassung der Begründung an die Bonner Politiker, was jedoch nichts nützte. Der Aufschrei in Bonn war dem von 1994 vergleichbar, zumal etwa zeitgleich im Oktober 1995 der Große Zapfenstreich im Bonner Hof­garten veranstaltet wurde, bei dem das Tucholsky-Zitat skandiert wurde, was u.a. zu einer Sondersitzung des Bun­destages führte. Seitdem nimmt das Ge­setzesvorhaben eines neuen Bundes­wehr-Ehrenschutzes konkrete Gestalt an.

3. Ein Rückblick auf die Debatte von 1931/32

Die von Carl von Ossietzky als verant­wortlichem Redakteur herausgegebene Zeitschrift "Weltbühne" hatte immer wieder militärkritische Artikel veröf­fentlicht. Jeweils Anfang August ge­dachte die Zeitschrift in besonderer Weise des Beginns des 1. Weltkrieges. (9) Am 4.8.1931 veröffentlichte sie eine neue Übersetzung der "Exhortatio" Papst Benedikts XV. von Juli 1915, die den Krieg als grauenhafte Schlächterei bezeichnete, aber von den deutschen Bischöfen seinerzeit nur in einer im Ton sehr abgemilderten und damit deutlich verfälschten Übersetzung veröffentlicht worden war. Angefügt an die Neuüber­setzung war eine mit "Ignaz Wrobel", einem Pseudonym Tucholskys, verse­hene Glosse unter dem Titel "Der be­wachte Kriegsschauplatz". Hierin hieß es u.a.: "Da gab es vier Jahre lang ganze Quadratmeilen Landes, auf denen war der Mord obligatorisch, während er eine halbe Stunde davon entfernt ebenso streng verboten war. Sagte ich: Mord? Natürlich Mord. Soldaten sind Mörder." Reichswehrminister Groener stellte ge­gen Ossietzky, der zu dieser Zeit bereits wegen einer anderen Verurteilung im Gefängnis saß, als Verantwortlichen für die "Weltbühne" Strafantrag wegen Be­leidigung des Soldatenstandes. Tucholsky, der Verfasser des Artikels, lebte zu diesem Zeitpunkt bereits im schwedischen Exil. Am 1.7.32 fand die Verhandlung vor dem Schöffengericht Charlottenburg statt, die zu einem Frei­spruch Ossietzkys führte. Auch die Re­vision der Staatsanwaltschaft wurde am 17.11.32 verworfen. Allerdings blieb Ossietzky seinerzeit in Haft, da er we­gen eines anderen "Weltbühne"-Artikels 1931 wegen Landesverrates bereits zu 18 Monaten Haft verurteilt worden war: Das Reichsgericht stellte mit seinem Urteil das Staatsinteresse der Geheim­haltung - die "Weltbühne" hatte über die heimliche Entwicklung von Kampfflug­zeugen berichtet - über die Pressefrei­heit und wollte mit dem Urteil ein ein­schüchterndes Signal gegenüber der mi­litärkritischen Presse setzen. Den Frei­spruch von 1932 begründete das Gericht damit, daß nicht beweisbar sei, daß mit dem Zitat ein bestimmter erkennbarer Kreis von Personen oder Angehörigen der Reichswehr gemeint sei, so daß aus Rechtsgründen keine Schuldfeststellung getroffen werden könne, da sich eine Beleidigung immer nur gegen eine Per­son oder gegen einen konkret unfassbaren Personenkreis richten könne. Aller­dings wurden im Anschluss an die Frei­sprüche durch alle Instanzen neue Not­verordnungsparagraphen zum Schutz der Reichswehr diskutiert, die schließ­lich nach erneuten Veränderungen im Strafgesetzbuch Ende 1932 im _ 134a Niederschlag fanden: "Wer öffentlich das Reich ... oder die deutsche Wehr­macht beschimpft oder böswillig und mit Überlegung verächtlich macht, wird mit Gefängnis bestraft." Erst am 30.1.46 wurde dieser _ 134a durch den Alliier­ten Kontrollrat aufgehoben.

4. Radikalpazifistische Kritik darf sich nicht mundtot machen lassen

Gegenwärtig werden weiterhin Prozesse gegen PazifistInnen geführt, denn auch nach den BVerfG-Urteilen haben Ge­richte natürlich einen großen Spielraum, Verurteilungen auszusprechen, wenn sie meinen, daß konkrete Bundeswehrsol­daten von radikaler Kritik getroffen sind. Eine ganze Welle von Prozessen war ja bereits während und nach 1991 (Golfkrieg) ausgelöst worden. Zugleich verschärfen sich auf anderen Ebenen die staatlichen Maßnahmen gegen Pazifi­stInnen, so. z.B. Maßnahmen gegen die Berliner Kampagne gegen die Wehr­pflicht (Hausdurchsuchungen, Be­schlagnahmungen), verstärkte Arrestie­rungen und Bestrafungen von Totalver­weigerern, der Versuch, (Total-)Verweigererberatungen mit dem Rechtsberatungsgesetz (von 1935!) zu verhindern u.v.m.

Angesichts der gegenwärtigen politi­schen Entwicklung in Richtung Einfüh­rung eines neuen Strafrechtsparagra­phen, der nun nicht mehr die Wehr­macht, sondern die Bundeswehr vor ra­dikaler Kritik schützen soll, sind scharfer Widerspruch und Protest ange­sagt. Ob der Gebrauch des Mörder-Zi­tates - insbesondere angesichts der juri­stischen Mördertypologie im _ 211 StGB aus dem Jahr 1941 (10) - zum Deutlichmachen pazifistischer Kritik besonders geeignet ist, mag hier dahin­gestellt bleiben. Jedenfalls darf auch solchermaßen scharf vorgetragene Kri­tik am Soldatenhandwerk nicht straf­rechtlich verfolgbar sein, sonst bliebe in der Tat das hohe Gut und Grundrecht der Meinungsfreiheit auf der Strecke, begraben von deutscher Wehrkraft und deutschem Wehrwillen. Michael Hepp, Mitherausgeber der sehr empfehlens­werten Dokumentation "Soldaten sind Mörder" (1) und Vorsitzender der Tucholsky-Gesellschaft, hatte in der eingangs zitierten Debatte des Rechts­ausschusses zum _ 109b eindrucksvoll vorgetragen, daß man sich mit Einfüh­rung dieses neuen Paragraphen aus einer über 2000jährigen pazifistisch-humani­stisch-aufklärerischen Tradition verab­schieden würde, in der immer wieder Krieg mit Morden und Soldaten mit Mördern parallel gesetzt wurden. So hätten - gäbe es den _ 109b bereits län­ger - nach 1945 u.a. auch Martin Nie­möller, Heinrich Böll und Albert Ein­stein verurteilt werden müssen. Statt also radikal geäußerten Pazifismus zu kriminalisieren, müsste sich vielmehr mit der umgangssprachlich vorgetrage­nen "Soldaten sind Mörder"-Kritik in­haltlich auseinandergesetzt werden, wie es schon angesichts der Urteile zwi­schen 1989 und 1995 gefordert worden war. Die gesamte Entwicklung der Bun­deswehr zu einer out-of-area-"Krisenreaktions"-Armee deutet darauf hin, daß die Potentialität, mit der auch deutsche Soldaten zu "Mördern" werden können - im Sinne von kriegführenden Subjekten, die andere Menschen, auch Unschuldige, mit grausamen Waffen und aus politisch niederen Motiven (wie z.B. Wohlstandssicherung) töten -, eher zu- als abnimmt. In der Zeitschrift Truppenpraxis/Wehrausbildung 2/1996 hat Oberstleutnant i.G. Reinhard Herden künftige Kriegsszenarien ausgemalt: "Die großen Kriege des 20. Jahrhunderts fanden zwischen wohlhabenden Staaten statt. Im nächsten Jahrhundert werden die jetzt in Frieden miteinander leben­den wohlhabenden Staaten gegen die Völker der armen Staaten und Regionen ihren Wohlstand verteidigen müssen. Der Menschheit steht ein Jahrhundert des Mangels bevor. Um Dinge, die man einmal kaufen konnte, wird man Krieg führen müssen." Solche Szenarien lie­gen genau auf der Linie der Umschrei­bung künftiger "sicherheitspolitischer" Aufgaben in den neuen Verteidigungs­politischen Richtlinien der Bundeswehr und den neuen Strategiekonzepten der NATO. Muß man Soldaten, die sich als "Krisenreaktionskräfte" der NATO in den Dienst solcher Strategien stellen, nicht verunglimpfen, um ihr Gewissen wachzurütteln? Welches "Ansehen" verdient eine Armee, die sich solchen Kriegen als Zukunftsaufgabe widmet? Also ist radikalpazifistische Kritik so nötig wie eh und je. Und sei es nach Einführung eines _ 109b verstärkt in der Form zivilen Ungehorsams.

 

Anmerkungen

1)    Vgl. zum folgenden das von IPPNW, Komitee für Grundrechte und Demo­kratie, Verein für Friedenspädagogik Tübingen und Humanistischer Union herausgegebene Buch: Christoph Weller (Redaktion), Sind Soldaten Mörder? Analysen und Dokumente zum "Soldatenurteil", Tübingen 1990

2)    Weller, a.a.O., 146

3)    Weller, a.a.O., 214f

4)    Weller, a.a.O., 191

5)    Vgl. Michael Hepp, Viktor Otto (Hg.), "Soldaten sind Mörder". Do­kumentation einer Debatte 1931-1996, Berlin 1996, 95-124

6)    Vgl. zum folgenden Hepp, a.a.O., 125-212

7)    Hepp, a.a.O., 171f

8)    Vgl. Hepp, a.a.O., 213ff

9)    Vgl., auch zum folgenden, Hepp, a.a.O., 13ff und Weller, a.a.O., 112-120

10)   Vgl. Dirk Heinrichs, Den Krieg entehren. Sind Soldaten potentielle Mörder? Stuttgart 1996, insbes. das Kapitel "Rechtsgeschichtliche Erhe­bungen zum _ 211 StGB, 41-59

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Martin Singe ist Redakteur des FriedensForums und aktiv im Sprecher*innenteam der Kampagne "Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt".