Der Siegener Fall Bernhard Nolz

Ein Beispiel für eine neue Ära der Diskriminierung

von GEW Siegen
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Bernhard Nolz ist vielen aus der Friedensbewegung als Aktivist der "PädagogInnen für den Frieden" und Mitbegründer des Siegener Zentrums für Friedenskultur bekannt. Eine Rede, die er kurz nach dem 11. September hielt, führte zu seiner vorläufigen Suspendierung als Lehrer.

Der Vorstand der GEW Siegen fordert: Sofortige Aufhebung der Suspendierung - keine Disziplinarmaßnahmen gegen Bernhard Nolz! Keine Diffamierung von Bernhard Nolz! Das Zentrum für Friedenskultur als Einrichtung akzeptieren!

Was steckt dahinter?
Bernhard Nolz, Lehrer an der Siegener Bertha-von-Suttner-Gesamtschule, hatte auf einer Kundgebung, die sich an einen Trauermarsch von Schülern und Schülerinnen anschloss, eine Rede zum Thema der Kundgebung "Gegen Terror, Krieg und Gewalt" gehalten. Die Rede fand viel Beifall, aber im Nachhinein auch Kritik: Nolz sei zu wenig auf die Betroffenheit und Trauer der Schüler und Schülerinnen angesichts des Terroranschlags auf New York eingegangen; er habe seine Person zu sehr in den Mittelpunkt gestellt; er habe anti-amerikanische Äußerungen von sich gegeben u.ä..

Er bietet den Schülern und Schülerinnen wie der Schulleitung umgehend Gespräche an, um den Dissens nach Möglichkeit aufzuklären. Keiner nimmt dieses Angebot wahr.

Gefundenes Fressen
Für die erzkonservative "Siegener Zeitung" war dies gefundenes Fressen, um durch einen bösartigen Kommentar die Stimmung aufzuheizen: Nolz habe die Veranstaltung dazu genutzt, sein "eigenes politisches Süppchen zu kochen", er habe "in unglaublicher Weise" die USA angegriffen und dazu aufgerufen, "den Wehrdienst zu verweigern". Wie bestellt sind entsprechende Leserbriefe da: "Wir Siegerländer nehmen nicht hin, dass unsere Söhne von einem demagogische,Pädagogen` ... öffentlich zur Wehrdienstverweigerung aufgerufen werden." Und: "Geradezu perfide ist es, wenn Herr Nolz ... seinem Hass auf die USA freien Lauf lässt und zur Wehrdienstverweigerung aufruft."
 

Was Bernhard Nolz gesagt hat
Zu den USA: "Seit vielen Jahren beeinträchtigen die USA die Arbeit der Vereinten Nationen. Das reichste Land der Welt kommt seinen finanziellen Verpflichtungen nicht nach und bezahlt seine Beiträge nicht. Derselbe Staat stellt jetzt 40 Milliarden bereit, um aufzurüsten und andere Länder mit Krieg zu überziehen."

Zur Wehrpflicht: "Euch, ihr Schüler, rufe ich auf, wenn ihr wehrpflichtig werdet, den Kriegsdienst zu verweigern. Damit setzt ihr ein Zeichen für den Frieden." Selbst der Staatsschutz findet an der Rede nichts auszusetzen.

Was ein Gesamtschulleiter dazu sagt
Es schaltet sich der Rektor einer Siegener Gesamtschule ein, die in mehrfacher Hinsicht mit der Bertha-von-Suttner-Gesamtschule konkurriert. Er empfindet Wut, dass die Schülerinnen und Schüler der Konkurrenzschule "ausgerechnet einen Lehrer als Kundgebungsredner wählen, der sie dann auch noch in Sachen Frieden belehrt". Er vermisst - wie schon die Siegener Zeitung - Anteilnahme mit den Opfern und den "Bezug zum Trauermarsch". Und er wiederholt das Wort von der "Wehrdienstverweigerung".

Damit bringt er die Stimmung erst richtig zum Kochen - und verschafft sich insgeheim Vorteile vor der Konkurrenzschule.

Der offene Brief
Einige Schülervertreter der Bertha-von-Suttner-Gesamtschule lassen sich in dieser Situationen unbedacht zu einem "Offenen Brief" hinreißen, in dem sie alle "Argumente" des Gesamtschulleiters nahezu wörtlich wiederholen und sich "in aller Deutlichkeit von der völlig unangemessenen Rede des Herrn Nolz" distanzieren und sich "in ihrem Vertrauen missbraucht" fühlen. Auch sie wiederholen die unwahre Behauptung, Nolz habe zur "Wehrdienstverweigerung" aufgerufen und "geschmacklose anti-amerikanische Akzente gesetzt".

Nolz macht sie in einem Brief darauf aufmerksam, dass sie mit der öffentlichen Behauptung von Unwahrheiten sich auf ein juristisches Feld begeben haben und bietet ihnen noch einmal das Gespräch an, um die Sache wieder einzurenken, andernfalls er überlegen müsse, juristische Schritte gegen sie einzuleiten.

Die Schüler gehen auch auf dieses Angebot nicht ein. Lehrerkolleginnen beschuldigen ihn jetzt, die Schüler zu bedrohen, was man doch nicht dürfe.

Die Schulaufsicht greift ein
Jetzt bestellt die Schulaufsicht Bernhard Nolz zu einem Dienstgespräch und suspendiert ihn zunächst für begrenzte Zeit von seinen Dienstpflichten. Sie leitet Vorermittlungen für ein Disziplinarverfahren ein, wogegen Nolz selbstverständlich mit Hilfe des gewerkschaftlichen Rechtsschutzes Einspruch erhebt.

Der Terrorismus-Hammer
Die Idee, auf dem Konflikt sein eigenes politisches Süppchen zu kochen, kommt nicht nur dem Gesamtschulleiter sondern natürlich auch der CDU. Und die schwingt nun mit unverkennbaren Denunziationen den Terrorismus-Hammer. Der Siegener CDU-Bundestagsabgeordnete Paul Breuer wirft Nolz in der BILD-Zeitung vor, "dass er eine klammheimliche Freude über das in New York Geschehene empfindet" und nennt ihn das "fünfte Rad am Wagen des Terrorismus". Der CDU-Stadtverband fordert, die für die USA und die Terroropfer "äußerst verletzende Rede" müsse auch Folgen für das Zentrum für Friedenskultur (ZFK) haben, dessen ehrenamtlicher Geschäftsführer Bernhard Nolz ist. Die Internet-Präsentationen des ZFK "offenbarten eine erschreckende Geisteshaltung. Sie machten den beklemmenden Eindruck, dass das ZFK letztlich nicht für die wehrhafte, gegen Terror zu verteidigende Demokratie eintrete, sondern diese schwächen wollte". Das ZFK sei "ein Netzwerk von Gesinnungstätern", die in "eine unheimliche Allianz mit den Terroristen" geraten.

Der Bürgermeister
Der CDU-Stadtverband fordert von der Stadt, jede Zusammenarbeit mit dem ZFK sofort abzubrechen. Und der CDU-Bürgermeister vollzieht das willenlos. Er annulliert kurzer Hand einen Computer-Kurs für Migrantinnen, der mit der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt vertraglich vereinbart war im Zusammenhang mit einer gemeinsam geplanten Veranstaltung im Rahmen des Landesprogramms gegen Rassismus und für Toleranz. Er setzt die Aganda-21-Gruppe MigrantInnen unter Druck, die Zusammenarbeit mit dem ZFK in der Planung einer gemeinsamen Kabarettveranstaltung aufzukündigen, andernfalls er seine seit Langem zugesagte Schirmherrschaft zurückziehen werde. Er annulliert die Durchführung einer Ausstellung von mehreren Friedensorganisationen in der Rathausgalerie, weil auch das ZFK beteiligt sei.

Wozu die ganze Aufregung?
Bernhard Nolz steht nicht zum ersten Mal im Schussfeld der CDU und anderer rechts-konservativer Kräfte in der Stadt. Er hat schon -direkt oder indirekt - einige Händel speziell mit CDU-Breuer hinter sich. Die Gelegenheit, sich dafür zu rächen, ist günstig. Zumal Breuer sowohl auf städtischem Boden als auch auf Bundesebene schmerzliche Rückschläge zu verzeichnen hat, die er bereits jetzt, in einem vorgezogenen Bundestagswahlkampf, auszugleichen beabsichtigt. Der Gesamtschulleiter kann sicher sein, der Konkurrenzschule eine empfindliche Schlappe im öffentlichen Ansehen beigebracht zu haben. Und damit den Schulfrieden bei Bertha von Suttner nachhaltig gestört zu haben. Die Schulaufsichtsbehörde wird von der CDU unter Druck gesetzt, ein Exempel zu statuieren. Aber ihre Karten stehen nicht günstig: gegen Nolz vorzugehen wegen Überschreitung der beamtenrechtlichen "Mäßigungspflicht" gibt die Rede einfach nicht her; ihn wegen Störung des Schulfriedens zu belangen, dürfte bei der Vielzahl der Störungsursachen zumindest schwierig sein.

Was ist zu tun?
Holen Sie sich die Rede von Nolz aus dem Internet: HYPERLINK "http://www.zfk-siegen.de" und machen Sie sich selbst ein Bild. Unterschreiben Sie den Offenen Brief und verbreiten Sie ihn. Offener Brief an den Regierungspräsidenten des Regierungsbezirks Arnsberg.

Sehr geehrter Herr Regierungspräsident, die Unterzeichneten haben mit Empörung zur Kenntnis genommen, dass Ihre Behörde Vorermittlungen für ein Disziplinarverfahren gegen den Siegener Lehrer Bernhard Nolz eingeleitet hat und ihnauf unbestimmte Zeit vom Dienst suspendiert. Die Wahrnehmung des Rechts auf freie Meinungsäußerung, das Herr Nolz für sich in Anspruch nimmt, kann nicht Gegenstand der Disziplinierung eines Lehrers sein. Wir fordern Sie deshalb auf, auf weitere dienstrechtliche Schritte gegen Bernhard Nolz zu verzichten und den Lehrer dadurch öffentlich zu rehabilitieren.

Auszüge aus der Rede von Bernhard Nolz, Lehrer an der Bertha-von-Suttner-Gesamtschule Siegen:

"Auch die Konflikte von Staaten und Bevölkerungsgruppen gehören an den Verhandlungstisch. Das war auch Bertha von Suttners Idee. Sie forderte die Politiker immer wieder auf, zu Friedenskonferenzen zusammen zu kommen, statt mit Soldaten aufeinander los zu gehen." "Die millionenfachen Opfer des Terrors in aller Welt mahnen uns zu Toleranz und Nächstenliebe. Es darf kein Klima des Hasses und des Misstrauens entstehen."

Zentrum für Friedenskultur (ZFK), Alte Poststr.12-16, 57072 Siegen, Tel: 0271-2382521/-20596 / 0171-899-3637/-3738, Fax: 0271-2382474, E-Mail:info [at] zfk-siegen [dot] de, Internet: "http://www.zfk-siegen.de"
 

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