Ein Denk-Mail für den Unbekannten Deserteur in Bonn

von Edagr Köller Mani Stenner

Für die Friedensbewegung ist es 40 Jahre nach Verkündung des Grundgesetzes und 50 Jahre nach Beginn des 2. Weltkrieges "höchste Zeit", daß Deserteure und Fahnenflüchtige, die sich Hitlers Armee entzogen haben, eine angemessene öffentliche Ehrung erfahren. Nachdem es in einigen Städten wie Bremen und Kassel -nach heftigen Auseinandersetzungen- bereits solche Denkmale gibt, soll im "Gedenkjahr" 1989 in der Bundeshauptstadt ein "Denk-Mal" für den "Unbekannten Deserteur" einen bundesweiten Impuls zum Nachdenken über diesen weitgehend verdrängten Teil der deutschen Geschichte geben und Friedensgruppen in anderen Gemeinden zu ähnlichen Initiativen ermuntern. Die Bonner Friedensgruppen verstehen die Kampagne für ein solches Denkmal auch als ihren kritischen Beitrag zur Bonner 2000-Jahr Feier, für die Stadtoberen wohl eher ein Kuckucksei, das sich nicht in das geglättete Geschichtsbild im Bonner Kommunalwahljahr einfügen will.

Am 1, September 1989 soll auf dem neu gestalteten Bonner Friedensplatz ein Denkmal für die, "Unbekannten Deserteure" aufgestellt werden. Seit Anfang 1988 arbeitet der Arbeitskreis "Von der Fahne" des Bonner Friedensplenums für dieses Projekt. Mit einem Bürgerantrag wird die Stadt Bonn aufgefordert, das Kunstwerk zu finanzieren und aufzustellen. Der Denkmalentwurf des in West-Berlin lebenden türkischen Künstlers Mehmet AKSOY, ein Mamorblock von ca. 2x2 m zeigt eine durch einen Einschuß zerstörte Wand aus der ein Mensch entflohen ist. Die durch den in Negativform dargestellten menschlichen Körper entstandene Lücke symbolisiert die Flucht vor der blinden Zerstörung des Krieges, hin zum Leben. Da mit einer Finanzierung durch die Stadt nicht ernsthaft zu rechnen ist, soll das Denk-Mal durch eine bundesweite Unterstützungskampagne (vor-) finanziert und die Diskussion zum Thema Desertion verstärkt werden.

Ein Akt des Widerstands
Jeder Soldat, der sich diesem Krieg entzog, der nicht mehr mitmachte bei Hitlers Verbrechen, beging Widerstand. Die Motive und Formen waren sehr vielfältig: Vom Zeugen Jehovas, die jeden Waffendienst in jeder Armee prinzipiell ablehnen, bis zum Kommunisten, der desertierte und u.U. in den Reihen französischer oder griechischer Partisanen mit der Waffe gegen das NS-Regime kämpfte, vom demoraliserten Landser, der aus Angst um sein Leben freiwillig in Gefangenschaft ging, bis zum hochdekorierten Offizier, der sich in der Gefangenschaft z.B. dem Nationalkomitee Freies Deutschland anschloß, reicht die Skala.
Kein deutscher Soldat, der den Eid auf Adolf Hitler verweigerte, der sich durch überlaufen, freiwillige Gefangennahme, Befehlsverweigerung, Untertauchen in der Heimat, Selbstverstümmelung oder versuchten Selbst¬mord der faschistischen Wehrmacht entzog oder zu entziehen versuchte, kann Feigling genannt werden. Der Entschluß, nicht mehr mitzumachen, setzte angesichts der brutalen Wehrmachtsjustiz vielmehr großen persönlichen Mut voraus.

Opfer bis heute
Die Wehrmachtsjustiz hat 160 - 200.000 Kriegsgerichtsverfahren wegen Wehrkraftzersetzung, Fahnenflucht etc. gegen deutsche Soldaten durch¬geführt. Ca. 16.000 Todesurteile wurden vollstreckt. Im 1. Weltkrieg zum Vergleich gab es ca. 600 Verfahren und rund 50 Todesurteile. Bis heute ist kein Urteil aufgehoben worden, kein einziger NS-Militärrichter ist jemals für seine Verbrechen verurteilt worden. Viele konnten wieder in hohe Ämter aufsteigen, wie z.B. der frühere Ministerpräsident von Baden Württemberg Filbinger (CDU), der den Satz prägte: "Was damals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein". Diese Auffassung prägt das staatliche Handeln bis heute. Die Opfer und überlebenden sowie ihre Angehörigen haben keinerlei Entschädigung erhalten.
Die Deserteure sind eine Personengruppe, die erst in den letzten drei Jahren wieder verstärkt in die öffentliche Diskussion geraten ist. Auslöser war die Aufstellung eines "Deserteur-Denk-Mals" durch eine Gruppe ehemaliger Reservisten der Bundeswehr und nachträglicher Kriegsdienstverweigerer 1986 in Bremen-Vegesack (vorgestellt im ZDF-"Kennzeichen D" am 13.7.88). Die heftigen und kontroversen Reaktionen in Bremen fanden eine bundesweite Resonanz und führ¬ten zu Anfragen im Bundestag und aus dem Ausland. Durch diesen "Erfolg" ermutigt und angeregt, näherten sich bald auch andere Friedensgruppen dem Thema Desertion. So entstanden Denk-Male bzw. Gedenktafeln in München, Kassel, Darmstadt, Göttingen und Ulm. An Deserteure wurde bei Kranzniederlegungen und Lesungen erinnert. In Gelsenkirchen wurde eine eindrucksvolle Ausstellung zum Thema "Deserteure" zusammengestellt, die in diesem Jahr auch in Bonn gezeigt werden soll.
Ein Gelingen des Projekts in der Bundeshauptstadt ist 1989 - 50 Jahre nach dem deutschen Überfall auf Polen, 75 Jahre nach Beginn des 1. Weltkrieges und im 40sten Jahr der Bundesrepublik - besonders wichtig. In den offiziellen Festprogrammen der Bundesregierung und der Stadt Bonn (die ihren 2000sten Geburtstag dazu manipuliert hat, wegen der anstehenden Kommunalwahlen) wird das mahnende Jubiläum nicht gewürdigt.

Ein Platz mit Geschichte
Der Friedensplatz in Bonn ist als Standort für ein Mahnmal hervorragend geeignet: Schon im 1. Weltkrieg fielen hier die ersten Bomben auf Bonn und der Platz bekam zur Mahnung an die dabei getöteten Bürger seinen Namen. 1933-45 hieß er "Adolf¬-Hitler-Platz", heute wird ein Atombunker für den 3. Weltkrieg unter dem "Friedensplatz" eingerichtet. Deshalb ist es wichtig, mit großem Druck und viel Unterstützung aus dem ganzen Bundesgebiet darauf zu dringen, die Aufstellung des Denk-Mals gerade hier zu genehmigen.
Der Antikriegstag 1989 verbindet die Kampagne für das Deserteur-Denkmal mit anderen Initiativen, die eng mit Hanne Hiob, der Tochter Bertolt Brechts, verknüpft sind. Sie wird mit ihrem Programm "Briefe aus dem KZ" und einem unter ihrer Federführung vorbereiteten Theaterabend zum Thema Desertion den Antikriegstag 1989 in Bonn mitgestalten. Zur Aufführung in Bonn kommt auch die (1985 in Bitburg verbotene) letzte Etappe der "Legende vom toten Soldaten" nach Bert Brecht, aufgeführt von Hanne Hiob und der "Redaktion Kämpfende Jugend". Der Soldat des 2. Weltkriegs wird in Bitburg ausgegraben, von der "Militärärztlichen Kommission" für kriegstauglich befunden und ab Andernach per Schiff nach Bonn überführt. Diesmal wird der Soldat im Rahmen einer Kundgebung aber endgültig "eingegraben", um nie wieder in den Krieg zu ziehen.

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