Ein Gespräch mit dem Informationsminister der Republik Kosova

von Xhafer Shatri
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Auch ihre Geduld hat Grenzen

Bozen, Der Informationsminister der Republik Kosova, Xhafer Shatri, un der Wirtsxhaftsminister, Issa Mustafa, weilten dieser Tage in Südtirol, um für Solidarität mit ihrem Volk zu werden (siehe nebenstehenden Ksten). Shatri, dessen Ministerium in Genf sein Auslandszentrum erreicht hat, hat acht Jahre in serbischen Gefängnissen verbracht und würde bei einer Rückkehr in die Heimat sein Leben riskieren. am Rande der Meraner Tagung über Kriegsverbrechen im ehem. Jugoslawien sprachen die "Dolomiten" mit Minister Shatri.

D.: Was hat sich in Kosova nach dem Daytoner Abkommen verändert?

Xhafer Shatri: Belgrad hat einige kosmetische Maßnahmen getroffen, z.B. einige Polizei-Checkpoints aufgelöst. Demnächst sollen Kosova-Albaner und Albaner aus Albanien ohne Visum hin- und herfahren können. ansonsten geht die Gewalt und Repression unvermindert weiter. In der Polizeistation klebt das Blut nicht nur an den Wänden, sondern auch an der Decke.

D.: Kosova war in Dayton nur am Rande ein Thema.

Xhafer Shatri: Wir sind das einzige militärische besetzte Land Europas. In Bosnien hat man die Serbische Republik de facto anerkannt und damit die Politik der Gewalt belohnt. Unseren gewaltfreien Widerstand sieht die Welt nicht, obwohl Kosova seit jeher von uns Albanern besiedelt wird. Vielleicht muß es bei uns erst eine Intifada geben, bevor die internationale Gemeinschaft interveniert.

D.: Wie verhalten sich die westlichen Staaten gegenüber der Kosova-Frage?

Xhafer Shatri: Die EU-Länder haben, so wie im Bosnien-Konflikt, keine einheitliche Position. Nur die USA wollen derzeit die Rückkehr Serbiens in einige internationale Institutionen mit der Bedingung der Einhaltung der Menschenrechte in Kosova verknüpfen. In Europa scheint man zu vergessen, daß Kosova auch zu Europa gehört.

D.: Doch die Serbien beharren darauf, das Amselfeld (Kosovo Polje) nie in "fremde Hand" zu geben?

Xhafer Shatri: Bei der Schlacht auf dem Amselfeld im Jahr 1389 gegen die Ottomanen haben nicht nur Serben gekämpft, sondern verschiedene christliche Balkanvölker, auch Albaner. Die Slawen sind erst im 7. Jahrhundert eingewandert, während die Albaner schon weit vor Christi Geburt hier siedelten. das Amselfeld ist ein serbischer Mythos. Fordert Frankreich etwa ganz Belgien, weil Waterloo auf belgischem Gebiet liegt?

D.: Der serbische Oppositionspolitiker Vuk Draskovic hat die Südtirol-Autonomie als Modell für Kosova empfohlen.

Xhafer Shatri: Unsere Erfahrungen  mit den Serben sind sehr bitter. Ich möchte nicht die serbischen Politiker und das serbische Volk in einen Topf werfen. Aber Serbien ist mit den Rechten der Kosova-Albaner stets wie mit einer Ziehharmonika umgegangen, ohne daß jemals ein harmonischer Klang herausgekommen wäre. Leider haben Opposition und Regierung in Belgrad zu Kosova dieselbe Position. Gerade Vuk Draskovic sagt immer wieder, dass der Kosovo das Jerusalem der Serben sei. Seriöse Historiker sollen das untersuchen. Wenn sie feststellen, daß dem so ist, können wir das Land auch verlassen.

D.: Kann eine Autonomie eine Übergangslösung sein?

Xhafer Shatri: Unsere Erfahrung sagt uns, daß nur ein albanischer Staat, die Republik Kosova, unsere Rechte wirklich schützt. Wir haben in den letzten 15 Jahren so viel Gewalt erfahren, daß die heute junge Generation in Kosova es nicht zulassen wird, daß sich das wiederholt. Eine Autonomie könnte ganz beliebig wieder abgeschafft werden.

D.: 400.000 Kosova-Albaner leben in Deutschland, etwa 100.000 in Italien. Wird die Anerkennung als Flüchtlinge den Exodus noch ansteigen lassen?

Xhafer Shatri: Das kurzfristige Ziel der Serben ist es, die Albaner in Kosova in die Minderheit zu bringen. Gerade jetzt läuft ein großes Umsiedlungsprogramm, um den serbischen Bevölkerungsanteil zu steigern. Wir möchten nicht, daß unsere Jugend in ganz Europa verstreut wird. Im Gegenteil: Europa muß zu uns kommen. Europa muß endlich den nötigen Druck auf Serbien ausüben, damit nicht noch mehr junge Albaner das Land verlassen.

D.: Wie geht es weiter, wenn Belgrad seine Unterdrückung fortsetzt?

Xhafer Shatri: Auch die Geduld der Albaner hat Grenzen. Wenn Serbien so weitermacht, wird Westeuropa immer mehr Flüchtlinge aufnehmen müssen. Wenn Serbien militärisch vorgeht, wird dieser Konflikt in 20 Minuten zu einem internationalen Konflikt. Albaner gibt es in Ostserbien, in Montenegro, in Mazedonien, in Albanien selbst. Wir werden nicht zuschauen, wie Albaner aus ihrem Land vertrieben werden.

 

Interviewer: Thoams Benedikter, aus: "Dolomiten", Bozen

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