Ein Jahr Atom- Soldat am Standort Kellinghusen

Am Atomwaffenlager Kellinghusen hat die Friedensbewegung mehrfach mit gewaltfreien Aktionen protestiert. Durch Zufall traf ich auf einen Soldaten, der dort während dieser Zeit seine Wehrpflicht ableistete und frustrierende Erfahrungen gemacht hatte. Ich bat ihn, diese Erfahrungen für unseren Rundbrief aufzuschreiben. Vielleicht ist sein Bericht auch eine Anregung an die Friedensbewegung, bei Aktionen mehr darauf zu achten, mit den Soldaten selbst ins Gespräch zu kommen! (ms)

Ich zähle mich zu den jungen Männern, die gedankenlos und mehr aus Faulheit vor der Bürokratie denn der Überzeugung willen zur Bundeswehr. gegangen sind. Nach meiner Grundausbildung kam ich nach Kellinghusen, ohne zu wissen, was dies für ein Ort war. Dann ging alles ziemlich schnell. Drei Wochen Ausbildung und schon hieß es "Wache schieben!". Einige meiner Kameraden hatten die Ausbildung nicht bestanden, wurden aber dennoch als "fertiger" Wachsoldat akkreditiert. Tja, und dann stehst du da, eine Woche lang, 100 scharfe Schuß, über die du persönlich verfügst, auf einem Turm und bewachst Atom-Munition - das, was alles kaputt macht!

Langsam fängt man an, nachzudenken. Längst sind Dinge wie der unaufhörliche Druck im Lager, das schlechte Essen und die körperliche und psychische Anstrengung vergessen, weil die Frage in dir bohrt: Warum eigentlich?

Diskussionen haben keinen Sinn, denn zu uneinsichtig beharren Vorgesetzte auf ihren Standpunkten. Als einige von uns Ostern 72 Stunden lang eingepfercht mit 60 Mann auf engstem Raum aus Angst vor Demonstranten hören, daß es nur 16 an der Zahl sind, fragen wir, ob wir sie nicht einladen können zu einem Kaffee und miteinander reden könnten. Als Antwort werden wir schießen geschickt, um abzuschrecken. Wir lachen!

So geht ein Jahr rum, und du kennst jeden Baum und jeden Stein in deinem Blickfeld. Dialog ist möglich, doch sinnlos, und ohne dich an der Basis dagegen wehren zu können, wirst du gezwungen, Dinge zu tun, gegen die du bist.

Wir haben alles versucht, doch vieles ist verebbt. Anregungen von uns wurden ebenso überhört wie Änderungs- oder Verbesserungswünsche. So warteten wir nur auf das Ende und sind so abgestumpft, daß wir uns auch danach keine Gedanken mehr machen, daß wir todbringende Waffen beschützt haben.

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