Persönlich-politische Erinnerungen

Ein Kaleidoskop von Erinnerungen

von Andreas Buro

Hallo, Mani,

sieh nur, wie viele gekommen sind, um von Dir Abschied zu nehmen. Es sind nicht nur die Leute aus Bonn, mit denen Du eng zusammengearbeitet hast. Aus der ganzen Bundesrepublik sind sie angereist, voller Trauer, voller Anteilnahme für Luise, voller Würdigung Deiner Leistungen, und ich sage auch ganz unverhohlen, voller Liebe und Zuneigung zu Dir.

Abschied nehmen bedeutet auch, sich selbst zu fragen, wie werde ich mich an Dich erinnern? Welche Bilder werden in mir aufkommen, wenn ich an Dich denke? Da werden sehr unterschiedliche Erinnerungsbilder auftauchen, je nachdem, in welcher Weise wir mit Dir verbunden waren.

Die von der geretteten Gastwirtschaft werden Dich anders sehen als die Kolleginnen und Kollegen aus dem Netzwerk-Büro oder solche, die eher aus der Ferne mit Dir zu tun hatten. Sehr unterschiedliche Manis werden in unserer Erinnerung erscheinen. Ich sehe schon, Erinnerung wird wohl zu einem großen Kaleidoskop.

Ich erinnere mich an den jungen Mann zu Beginn der 1980er Jahre. Er sah etwas blass aus. Was wollte der eigentlich hier? Du hattest damals noch nicht den Stallgeruch der Friedensbewegung.

Ich erinnere mich an den glänzenden politischen Organisator von großen Demonstrationen. Da hattest Du Dir schon viel zugetraut und das Zugesagte auch tatsächlich bewältigt.

Ich erinnere mich an Deine Stimme am Telefon mit Kochgeräuschen im Hintergrund, wenn ich am späten Vormittag bei Dir in der Argelanderstraße anrief, um Politisches mit Dir zu besprechen. Nebenbei habe ich oft gedacht, was mag Mani gerade kochen? Manchmal habe ich auch nach dem Rezept gefragt.

Ich erinnere mich an Dein Lächeln, fast ein wenig entschuldigend, wenn Du nach erhitzter Diskussion sagtest: „Da sei doch noch ein kleines Problem, nämlich das der Umsetzung.“ Dann  wurde es oft still in der Runde. Waren wir in unserem Wunschdenken zu weit gegangen? Ja, wie und wer sollte aus den großartigen Vorschlägen ein realistisches Friedensprojekt machen?

Oder ich erinnere mich an das jährliche Fest im August in meinem großen Garten in Hundstadt. Man konnte es durch einen schmalen Durchgang im Gebüsch erreichen. Ich saß abgewandt im Gespräch mit Gästen, als mich jemand auf meine Hinterkopfglatze küsste. Mani war eingetroffen und stand da mit seinem liebenswerten, doch etwas verschmitzten Lächeln. Hinter ihm kamen im Gänsemarsch Luise, Memo und Jürgen Neitzert, der Franziskaner.

 

Wie gesagt, ein Kaleidoskop von Erinnerungen an Dich, Mani.

Doch da ist noch eine andere Erinnerung. Wir haben oft darüber gesprochen. Deine Sorge um die weitere Entwicklung der Friedensbewegung und des Netzwerkes Friedenskooperative. Diese Sorge vererbst Du uns. Die Annahme des Erbes ist eine große Herausforderung.

Die Friedensbewegung kann nur ab und zu große Mobilisierungen organisieren. Das war in den 1960er Jahren - der Zeit des Kalten Krieges - trotz ständiger Diffamierungen der Fall. Dann wieder Anfang der 1980er Jahre zur Zeit des NATO-Doppelbeschlusses und 1991 zu Beginn des US-amerikanischen Überfalls auf den Irak. Du bist sicher auch immer wieder gefragt worden: „Warum macht Ihr nicht mal wieder so eine große Demo mit ein paar Hundertausenden?“ Die Organisationen der Friedensbewegung können das jedoch nicht einfach herbeikommandieren Die Voraussetzung ist stets eine starke Motivation zum Protest in der Gesellschaft. Die Friedensbewegung muss dann die Gunst der Stunde erkennen, die Kräfte zusammenführen, also Gemeinsamkeit herstellen, gut organisieren und unser Anliegen an die Öffentlichkeit vermitteln. Dann kann man die großen Aktionen auch finanzieren. Mani, Du kennst das alles.

Doch die meiste Zeit der Friedensbewegung besteht aus den Mühen der Ebene. Das sind dezentrale Arbeit, kritische Analysen, Expertise-Vermittlung, Erfahrungsweitergabe, Öffentlichkeitsarbeit und Entwicklung von Alternativen im Sinne ziviler Konfliktbearbeitung.

Dazu bedarf es dauerhafter Strukturen der außerparlamentarischen Arbeit. Die Dachorganisation der Kooperation für den Frieden bringt etwa 60 verschiedene Gruppen zu gemeinsamer Arbeit. Die Vielfalt ist notwendig, um die unterschiedlichsten Milieus in der deutschen Gesellschaft ansprechen zu können. Sie gilt es zu bewahren und die Kooperation weiter auszubauen. Gerade auch in den Zeiten der Mühen der Ebene, in denen Spenden nicht mehr üppig fließen, da die Motivationen der Menschen sich auf andere Herausforderungen richten. Das Netzwerk Friedenskooperative, das Du maßgeblich mit aufgebaut hast, Mani, war und ist wohl die wichtigste Schaltstelle dafür. Sie zu erhalten und zu stärken ist wohl ein dicker Klumpen Deines Erbes.

Meinst Du Mani, wir sollten möglichst alle Förderer des Förderervereins Frieden werden, der das Netzwerk finanziert? Wieder nur Dein besonderes Lächeln als Antwort, doch wenn ich genau gehört habe, meinst Du: „Na, ja, wäre schon gut.“ Also das Erbe annehmen!

Mani, es war ein großes Glück, so viele Jahre mit Dir und Luise arbeiten zu können, und es war ein großes Glück, mit Dir befreundet zu sein. Danke, Mani!

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