Ausgestrahlt:

Ein neuer Abschnitt der Arbeit beginnt

von Jochen Stay
Initiativen
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( c ) Netzwerk Friedenskooperative

In diesen Tagen endet ein großer Abschnitt unserer Arbeit, und ein neuer beginnt. Die Frage etlicher JournalistInnen aus den letzten Tagen, ob wir uns denn jetzt zur Ruhe setzen, müssen wir wohl kaum beantworten. Eine Anti-Atom-Organisation, die ihre Arbeit einstellt, obwohl noch neun Atomkraftwerke weiterlaufen, davon die meisten noch mehr als ein Jahrzehnt, das wäre wie ein Marathonläufer, der jubelnd anhält, weil er das Schild „noch 10 km bis zum Ziel“ erreicht hat. Klar haben wir auch Grund zu Feiern, und das werden wir auch tun. In Protestbewegungen wird in der Regel viel zu wenig gefeiert. Dass nun sieben bis acht AKW stillgelegt werden, ist ein riesiger Erfolg aller, die in den letzten Monaten auf die Straße gegangen sind, und darauf können wir alle miteinander auch ein wenig stolz sein. Außerdem bringt es eine Menge Energie und Mut für die Weiterarbeit, wenn wir AtomkraftgegnerInnen uns das Erreichen von Zwischenzielen bewusst machen.

Der neue Status quo
Nachdem der Bundestag am Donnerstag mit den Stimmen aller Parteien bis auf die Linke dem neuen Atomgesetz zugestimmt hat, gehen die AKW Brunsbüttel, Krümmel, Esensham/Unterweser, Biblis B, Neckarwestheim 1 und Isar 1 nicht wieder ans Netz. Die Bundesnetzagentur entscheidet bis September, ob Philippsburg 1 oder Biblis A als sogenannte Kaltreserve die nächsten beiden Winterhalbjahre im Standby-Betrieb gehalten wird. Der dafür nicht ausgewählte Reaktor wird abgeschaltet bleiben. Wenn die Netzagentur meint, ohne AKW-Kaltreserve auszukommen, dann ist das das Aus für beide Meiler. 

Die Stromkonzerne wollen zwar gegen unterschiedliche Aspekte der neuen Atompolitik klagen. Dabei geht es aber – zumindest bei den bisher bekannt gewordenen Plänen – „nur“ um Schadenersatz-Forderungen, nicht darum, die jetzt abgeschalteten Kraftwerke zu retten. Zwischen den weiterlaufenden AKW können Reststrommengen übertragen werden – auch die noch übriggebliebenen Kontingente aus den jetzt stillgelegten Meilern. Das wird wahrscheinlich dazu führen, dass alle Reaktoren die jetzt im Atomgesetz festgelegten spätesten Stilllegungszeitpunkte erreichen.

In der nächsten Legislaturperiode soll ein AKW vom Netz: Grafenrheinfeld Ende 2015. In der Wahlperiode darauf sind nach jetzigen Plänen zwei Kraftwerke fällig: Gundremmingen B Ende 2017 und Philippsburg 2 Ende 2019. 

Und spätestens danach wird es spannend: Denn in den 15 Monaten nach der Bundestagswahl 2021 sollen sechs Reaktoren stillgelegt werden. Grohnde, Brokdorf und Gundremmingen C Ende 2021; Lingen, Neckarwestheim 2 und Isar 2 Ende 2022. Dann ist also mit der nächsten heftigen Laufzeitverlängerungsdebatte zu rechnen. 

Die jetzt festgelegten Fristen sind ja beileibe kein gesellschaftlicher Konsens. So wollen laut Umfragen relevante Teile der Bevölkerung weitaus schneller aus der Atomkraft raus. Und andererseits werden die Stromkonzerne alles versuchen, um noch mehr Geld aus ihren laufenden Anlagen zu holen. Wenn man gesehen hat, wie unwillig weite Teile der Fraktionen von Union und FDP dem neuen Atomgesetz zugestimmt haben, dann braucht es nicht viel Phantasie, um sich die Debatten in diesen Parteien vorzustellen, wenn die Bilder aus Fukushima weiter in den Hintergrund rücken. 

Nichts verändert wurde durch die Beschlüsse im Bundestag an einer ganzen Reihe von wesentlichen atompolitischen Punkten: Die Atommüll-Entsorgung bleibt weiter ungelöst. Trotz eklatanter Mängel des Salzstocks wird in Gorleben weitergebaut. Die Bundesrepublik bürgt für Exporte von Atomtechnologie ins Ausland. Die von Schwarz-Gelb reduzierten Sicherheitsanforderungen an AKW werden trotz der Erfahrungen von Fukushima nicht verschärft. Die Atomfabriken in Gronau und Lingen beliefern weiter den Weltmarkt. Atomtransporte rollen kreuz und quer durch die Republik. Und es gibt immer noch keine Pflicht, die Reaktoren adäquat zu versichern.

Wie weiter?
Wie die Beschreibung des Status Quo oben zeigt, hat die Anti-AKW-Bewegung auch in Zukunft noch eine Menge zu tun. Bevor wir uns diesen neuen Herausforderungen mit aller Kraft zuwenden, wollen wir aber die erreichten Erfolge auch feiern. Wichtiges Thema bleibt das Ringen um die AKW-Laufzeiten. Wir wollen eine schnellere Stilllegung durchsetzen. Die Stromkonzerne hoffen auf den günstigen Zeitpunkt für die nächste Laufzeitverlängerungs-Debatte. Das wird ein Kampf um jeden einzelnen Reaktor, und so haben wir von .ausgestrahlt uns vorgenommen, die regionalen Bündnisse rund um die AKW-Standorte zu stärken. Darüber hinaus lohnt es sich, schon einmal die Perspektive auf 2013 aufzumachen, und daran zu arbeiten, dass eine nächste Bundesregierung für ein schnelleres Ende der Atomkraftnutzung sorgt. 

Die ungelöste Atommüll-Entsorgung wird wieder mehr in den Mittelpunkt der Auseinandersetzung rücken, hat die Regierung doch bis Ende des Jahres ein Endlagersuchgesetz angekündigt, auf das wir aktiv Einfluss nehmen wollen. Mittendrin soll der nächste Castor-Transport nach Gorleben rollen. Das wird sozusagen „das nächste große Ding“. 

Weiterführen werden wir unsere Kampagne zur Haftpflichtversicherung der AKW, macht sie doch am deutlichsten, warum ein Weiterbetrieb bis 2022 nicht zu verantworten ist.  Wesentlich bleibt für unsere Arbeit weiterhin, AtomkraftgegnerInnen vor Ort in ihrem Engagement zu unterstützen, also beispielsweise in den letzten Monaten neu entstandene Initiativen und Bündnisse, die jetzt weiterarbeiten wollen, aber auch aktive Einzelpersonen.

.ausgestrahlt ist eine Mitmachkampagne gegen Atomenergie. http://www.ausgestrahlt.de. Der Artikel ist ein Auszug aus einem Rundbrief der Kampagne von Anfang Juli. 

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