Deutsch-russisches Pilotprojekt für den Frieden

"Ein Volk mit Visionen lebt auf"

von Hermann Strutz

Ein rauer politischer Westwind wehte 2012 durch die überregionalen Medien unserer Republik: Mal gipfelte die Berichterstattung in der Aussage „Putin ist mit dem Teufel im Bund“; zuvor verkündete US-Präsidentschaftskandidat Mitt Romney in Europa, Russland sei „weltpolitischer Feind Nr. 1“; und kurz vor Weihnachten endete in „Der Spiegel“ ein Russlandbericht mit dem Ausruf „Hoffentlich nicht in ein neues Völkergefängnis!“

Einen Kontrapunkt hierzu setzte die Geburtstagsfeier der 20-jährigen deutsch-russischen Linde Anfang Dezember 2012 im Stift Cappel in Lippstadt. VertreterInnen aus Schule, Kirche, Politik des Landes NRW sowie aus dem Generalkonsulat der Russischen Föderation hatten sich im adventlich geschmückten Stift auf Einladung der Schulleitungen des Stift Cappel-Berufskollegs und des Lippe-Berufskollegs eingefunden.

Fest verwurzelt, prächtig gewachsen präsentierte sich ihnen vor dem Festsaal der Baum, der im vergangenen Jahr weitere verheißungsvolle russische und deutsche Triebe sichtbar werden ließ. Wie kam es zu der Baumpflanzung?

Nach dem Berliner Mauerfall fragte ein sowjetischer Journalist im WDR: „Warum gibt es nach dem 2. Weltkrieg und dem sich anschließenden Kalten Krieg keine deutsch-russischen Schulen?“ Der Schulleiter des Ev. Stift Cappel Berufskollegs für Sozial- und Gesundheitswesen reagierte: In Kooperation mit Schule, Kirche, Politik und Wissenschaft aus Ost und West konnte er zum Schuljahresbeginn 1992 die ersten russischen Auszubildenden in seiner Internatsschule für Sozial- und Gesundheitswesen begrüßen. 16 junge Menschen waren aus der sibirischen Millionenstadt Krasnojarsk angereist – einer der Außenwelt bis 1990 gegenüber geschlossenen Stadt. Sie sollten innerhalb von zwei Jahren zu MultiplikatorInnen für den Sozial- und Gesundheitsbereich in ihrer Heimat ausgebildet werden. Wenig später, Ende November 1992, wurde die deutsch-russische Linde gepflanzt. Auf einer am 20. Geburtstag enthüllten Gedenktafel wird das Motto der Arbeit deutlich: Über Dialog und Zusammenarbeit zur Partnerschaft, Freundschaft und zum Frieden!

Dieser Weg zum aktiven Frieden zwischen zwei Ländern, zwischen die USA und NATO noch einen Raketengürtel bauen wollen (nach M. Romneys Aussagen nicht nur gegen den Iran; sondern auch gegen Russland und China), ist überaus erfolgreich beschritten worden:

  • 40 Russinnen und Russen wurden in drei Gruppen jeweils 2 Jahre zu MultiplikatorInnen geschult,
  • Russland bildete seit 1994 in Anlehnung an NRW-Lehrpläne viele SozialarbeiterInnen aus,
  • eine ev. luth. Kirchengemeinde konnte neu registriert werden und mithilfe russischer Absolventen des Stiftes Cappel zwei Diakoniestationen eröffnen.
  • Gouverneur Lebed, ehemaliger sowjetischer Verteidigungsminister, unterstützte das deutsch-russische Projekt und setzte dafür 20.000.- Dollar im Haushaltsetat 2000/01 seiner Region fest,
  • die deutsch-russische Schule in Lippstadt wurde gleichzeitig als Modell für Integration von AussiedlerInnen und MigrantInnen genutzt,
  • Freundschaften wurden geschlossen und vereinzelt auch Familien gegründet.

Bundespräsident Johannes Rau äußerte sich 2002 in Berlin zu dieser fruchtbaren Zusammenarbeit: „Das Projekt wird über Generationen hinweg Wirkung zeigen!“ Er sollte recht behalten: Seit 2008/2012 wurden in Krasnojarsk und in Lippstadt jüngere Kräfte aktiv, die schwerpunktmäßig auf technischem und wirtschaftlichem Gebiet weiter kooperieren wollen.

Der Krasnojarsker Gouverneur Kuznezow: „In Deutschland sehen wir den perspektivreichsten Partner.“ Geld für die russische Beteiligung könne abgerufen werden!

Der deutschen Seite wird in einem Schreiben Anerkennung durch Schulministerin Sylvia Löhrmann gezollt – noch fehlen aber die Gelder...

Ich habe über dieses Projekt das Buch geschrieben: „Ein Volk mit Visionen lebt auf – Deutsch-Russisches Pilotprojekt für den Frieden“. „Nachdenken – Diskutieren – Gestalten!“ so ist das letzte Kapitel überschrieben. Das deutsch-russische Friedensprojekt habe bisher knapp 800.000.- Euro gekostet, der „Friedenseinsatz“ in Afghanistan pro Jahr 1.000.000.000.- Euro!

Seit Kurzem können Sie kostenlos methodische und didaktische Hinweise über den luther-verlag.de oder learnline.schulministerium.nrw.de abrufen (jeweils den Buchtitel in das Suchfenster eingeben).

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Hermann Strutz ist Korvettenkapitän, Schulleiter im Ruhestand und Autor.