Rüstung und Krieg überwinden - Eine unlösbare Aufgabe?

Eine militärkritische Zustandsbeschreibung mit Diskussionsanregung

von Christine Schweitzer
Hintergrund
Hintergrund

Die friedenspolitische Entwicklung der letzten Jahre scheint durch vier Elemente charakterisiert, die man - vereinfacht - so zusammenfassen könnte:

 

1.Es findet eine Veränderung statt bei Ausrüstung und Personalstärke der Bundeswehr und der meisten anderen westeuropäischen Armeen (neue Rüstungsvorhaben in erheblichem Umfange, Ausbau von Schnellen Eingreifkräften usw.), die man am besten als Umrüstung bezeichnen könnte; ebenso ist eine Ausweitung der Aufgabenfelder und Mitglieder der Nato (neues Nato-Strategiepapier, Osterweiterung) und die Militarisierung der EU zu beobachten - bei gleichzeitigem Stocken der Abrüstungsvereinbarungen auf konventioneller wie nuklearer Ebene.
 

2.Auf der ideologischen Ebene ist eine fast unwidersprochene Hinnahme von militärischen Mitteln als ´letztem Mittel` festzustellen, eine Re-Legitimierung von Rüstung und Militär zum Zwecke des Menschenrechts-Schutzes ("humanitäre Interventionen");
 

3.Weltweit gibt es eine zunehmende Zahl von internen (`Bürger-`)Kriegen, deren Opfer vorwiegend Zivilisten sind. Diese Konflikte zeigen sich unzugänglich für vermeintlich konsensuale Standards internationalen Rechts (inkl. des Kriegs-Völkerrechts).
 

4.Auf der anderen Seite, als vielleicht einzige positive Entwicklung in diesem Zusammenhang, ist ein wachsendes Interesse bei der Politik an Ziviler Konfliktbearbeitung festzustellen, deren Potenziale bei weitem noch nicht ausgeschöpft sind. Ihre Anerkennung auch durch den politischen Mainstream hat ihren Niederschlag u.a. in einer Förderung einzelner Teilelemente aus öffentlichen Mitteln (Auswärtiges Amt, Entwicklungs- und Forschungsministerium) gefunden.
 

Wie kann es gelingen, die neue Militarisierung von Politik zu stoppen und unserem Ziel näher zu kommen, der Überwindung von Krieg und der Abschaffung von Rüstung und Militär? Stehen anti-militaristische, pazifistische Kräfte vor einer grundsätzlich unlösbaren Aufgabe? Oder haben sie in den letzten Jahren Terrain verloren, das sie wieder zurückgewinnen können?

Zu dieser Diskussion soll ein Hintergrund- und Diskussionspapier des BSV einen Beitrag leisten. Es wird zunächst dargestellt, welches die Kernpunkte der neuen westlichen Militärpolitik und der Reform der Bundeswehr sind. In einem Rückblick wird beschrieben, wie planmäßig seit 1989 diese Veränderungen schrittweise vorgenommen wurden, bis mit der neuen Nato-Strategie und der parallel vollzogenen Reform der Bundeswehr (wie der anderen europäischen Armeen) das vorläufige Ziel dieser Veränderung erreicht wurde. Daran anschließend geht es um die Sicherheits-Diskussion und damit die aktuellen Begründungen für die Aufrechterhaltung von Rüstung und Militär. Damit wird eine Fragestellung aufgegriffen, die im Kontext der Diskussion um Soziale Verteidigung schon immer eine wichtige Rolle spielte, ist Soziale Verteidigung doch immer (auch) als sicherheitspolitische Alternative verstanden worden.

Die Beschreibung der Militärstrategien und Rüstungsvorhaben ist einfacher als eine antimilitaristisch-pazifistische Strategie zu entwickeln, die Aussichten auf Erfolg in sich birgt. In der Hoffnung auf Anregungen haben wir uns der Friedens- und Konfliktforschung zugewandt. Doch dies hat, wie in Kapitel (6) dargestellt, nur wenig Nutzbringendes für unsere Fragestellung ergeben. Es gibt keine von allen geteilte Erklärung, warum es zu Kriegen kommt. Und schon gar keine fertigen Rezepte, wie Krieg überwunden und als Institution genauso geächtet werden kann, wie es mit anderen, früher als unveränderbar angesehenen Institutionen wie der Sklaverei geschehen ist. In Kapitel (7) werden einige von der Friedens- und Konfliktforschung vorgeschlagenen Ansätze beschrieben.

In einem abschließenden Kapitel wird die These aufgestellt, dass sich der pazifistischen Bewegung heute drei Aufgaben stellen: Die öffentliche Meinung zu gewinnen, gewaltfreie Alternativen zu propagieren und aufzubauen und neu an gesamtgesellschaftlichen Zielvorstellungen und Visionen zu arbeiten.

Dieses Papier beansprucht nicht, die Frage zu beantworten, wie Rüstung und Militär abgeschafft und Krieg überwunden werden können. Diese Frage kann nur in gemeinsamem Gespräch und vor allem gemeinsamer Aktivität für Frieden und Abrüstung beantwortet werden. Es möchte allein ein paar Gedankenfäden beisteuern in der Hoffnung, dass andere sie weiterentwickeln und neue, eigene Gedankenfäden (zum Beispiel zur ökonomischen und der psychologischen Seite des ganzen Problems) hinzufügen. Es geht uns in unserer politischen Arbeit um konkrete Instrumente, im Militär- und Rüstungsbereich Veränderungen zu befördern. Deshalb beabsichtigen wir, die hier skizzierten Überlegungen weiterzuentwickeln und freuen uns über jede Rückmeldung zu dem Papier.

Titel: Rüstung und Krieg überwinden - Eine unlösbare Aufgabe? Eine Militärkritische Zustandsbewschreibung mit Diskussionsanregung, Hintergrund- und Diskussionspapier Nr. 8, Oktober 2000, Autorin: Christine Schweitzer, Preis: 7,- DM (zuzüglich Porto)
 

Hrsg. und Bezugsadresse: Bund für Soziale Verteidigung, Ringstr. 9 a, 32427 Minden/ Westfalen, Tel.: 0571/29456, Fax 0571/23019, e-mail: soziale_verteidigung [at] t-online [dot] de

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Christine Schweitzer ist Co-Geschäftsführerin beim Bund für Soziale Verteidigung und Redakteurin des Friedensforums.