Eine Millionen Unterschriften für ein Verbot aller Landminen

von Paul Russmann

Keine andere Waffe der Welt fordert so viele Opfer wie Minen. Beinahe jede Minute werden - vor allem Zivilisten - durch Minen verletzt, verkrüppelt oder getötet. Doch Minen richten auch große Sachschäden an: Verminte Straßen, Brücken, Eisenbahntrassen bringen den Verkehr ganzer Regionen zum Erliegen. Acker- und Weideflächen liegen brach und können nicht mehr für die Produktion von Nahrungsmitteln genutzt werden. Derzeit sind zirka 110 Millionen Landminen in über 70 Ländern der Erde verlegt. Und noch einmal so viele werden in den Depots der Militärs vermutet.

Anti-Personen-Minen und der Vertrag von Ottawa
Entwicklung, Herstellung, Lagerung, Export und Einsatz von Anti-Personen-Minen sind seit dem 1. März 1999 verboten. Zu diesem Zeitpunkt trat der völkerrechtlich verbindliche Ottawa-Vertrag zur Ächtung der Anti-Personen-Minen in Kraft. 109 Länder der Welt einigten sich mit ihrer Unterschrift auf ein grundsätzliches und umfassendes Verbot von Anti-Personen-Minen. 30 weitere Staaten sind im Begriff, sich diesem Ziel zu verpflichten.

Nach dem Ottawa-Vertrag ist eine Anti-Personen-Mine eine Mine, die so konstruiert ist, dass sie durch Anwesenheit, Nähe oder Berührung eines Menschen explodiert und Menschen dadurch außer Gefecht setzt, verletzt oder tötet. Im Gegensatz dazu werden Minen, die so konstruiert sind, dass sie bei Anwesenheit, Nähe oder Berührung eines Fahrzeuges detonieren - auch wenn sie mit einem "Aufhebeschutz" ausgestattet sind - nicht als Anti-Personen-Minen betrachtet.

Der Ottawa-Vertrag ist ein erster, notwendiger Schritt auf dem Weg zu einer Ächtung aller Landminen. Er reicht jedoch nicht aus, denn vom Vertrag ausgenommen sind zum Beispiel:

- Minen, die über einen "Aufhebeschutz" verfügen. Als "Aufhebeschutz" wird eine Sprengladung bezeichnet, die detoniert, wenn sich eine Person an der Mine zu schaffen macht. Die Sprengladung soll also verhindern, dass die Position einer Mine verändert oder die Mine geräumt wird. Ein "Aufhebeschutz" gehört heute zur Grundausstattung einer modernen Mine.

- alle Minen, die sich nach Herstellerangaben nicht primär gegen Personen richten (zum Beispiel Anti-Fahrzeug-Minen oder Submunitionsminen).

Bei den Unterzeichnern des Ottawa-Vertrages fehlen noch die Unterschriften großer Minen-Produzenten (z. B. China, Indien, Russland, USA). Es ist also nach wie vor wichtig, dem Verbot von Anti-Personen-Minen weltweit mehr Geltung zu verschaffen. Aber auch Minen, die nicht primär gegen Menschen gerichtet sind, haben letzten Endes den Zweck, Menschen zu verletzen und zu töten. Deshalb muss die Forderung lauten: Verbot aller Landminen!

Anti-Fahrzeug-Minen
Bereits ein Viertel der verlegten Landminen sind Anti-Fahrzeug-Minen. Die Hersteller dieser Minen sprechen in der Regel von "Anti-Panzer-Minen" oder "Panzer-Minen", um zu suggerieren, dass sie sich "nur" gegen Militärfahrzeuge richten. Berichte aus über 25 minenverseuchten Staaten zeigen jedoch, dass Anti-Fahrzeug-Minen den Tod zahlreicher Zivilisten verursacht haben. So wurde in Afghanistan eine Hochzeitsgesellschaft, die mit dem Bus unterwegs war, Opfer einer Anti-Fahrzeug-Mine: 41 Tote und 48 Verletzte waren die traurige Bilanz. In Kroatien starben sechs Menschen, als der Traktor einer österreichischen Jagdgesellschaft auf eine Anti-Fahrzeug-Mine fuhr. Aufgrund ihrer hohen Sprengkraft töten Anti-Fahrzeug-Minen ihre Opfer eher, als diese zu verstümmeln.

Die Behauptung der Hersteller von Anti-Fahrzeug-Minen, die Minen könnten zwischen zivilen und militärischen Fahrzeugen unterscheiden, ist unzutreffend. Anti-Fahrzeug-Minen können je nach Bauart einfach explodieren, wenn sie überfahren werden, oder sind mit Sensoren ausgestattet, die auf Motorwärme, Motorgeräusche oder Bodenerschütterung reagieren. Ob der nötige Impuls durch einen Panzer oder durch einen Schulbus ausgelöst wird, können die Minen nicht unterscheiden. Sie gefährden also auch zivile Fahrzeuge wie Lkw, Busse oder Traktoren und natürlich die darin befindlichen Menschen.

Flächenverteidigungsminen
Flächenverteidigungsminen unterscheiden sich von konventionellen Minen durch ihren größeren Wirkungsradius. Eine moderne Flächenverteidigungsmine ist mit einem akustischen Sensor ausgerüstet: Sie wird durch Motorengeräusche "geweckt". Einmal aktiviert, verschießt sie ihre Munition in eine Höhe von zirka 150 Meter. Von dort aus sucht sie sich - an einem kleinen Fallschirm hängend - ein Zielfahrzeug und feuert ihr tödliches Geschoss von oben ab. "Falschziele" (z. B. leichte Nutzfahrzeuge) - so wird von offizieller Seite zugesichert - werden dabei zuverlässig erkannt und nicht bekämpft. Wie die Mine allerdings auf schwere Nutzfahrzeuge (Lkw, Busse) reagiert, wird nicht näher erläutert. In erster Linie werden Flächenverteidigungsminen eingesetzt, um Minen-Räumfahrzeuge zu attackieren und damit Minenfelder vor Räumung zu schützen. Auch Flächenverteidigungsminen unterliegen nicht den Verbotsbestimmungen des Vertrages von Ottawa.

Submunitionsminen
Minen neuerer Bauart, die "fernverlegt" werden können, werden häufig als Submunition oder Submunitionsminen bezeichnet. Die modernen, multifunktionalen Submunitionsminen sind ein weiterer Entwicklungsschritt in der Minentechnologie. Sie können von Kampfflugzeugen in hoher Stückzahl und in Sekundenschnelle über große Entfernungen im "Gießkannenprinzip" verstreut werden. Wegen der schnellen und massenhaften Verteilung können Minenfelder nicht mehr markiert werden, um Zivilisten zu warnen und zu schützen. Auch wenn diese Minen in der Regel über Selbstzerstörungsmechanismen verfügen, gehen selbst Militärexperten bei dieser Verlegemethode von einer Bedrohung für unbeteiligte Zivilisten aus. Mit zunehmendem Einsatz von fernverlegten Minen steigt auch die Zahl der Blindgänger; außerdem sind moderne, fernverlegte Minen wesentlich räumungsresistenter als Minen älteren Typs.

Die Minen MIFF und MUSPA
Deutschland hat zwar nach Unterzeichnung des Ottawa-Vertrages zirka 40 Prozent seiner Landminen vernichtet. Doch schon vorher wurden zwischen 1990 und 1998 für die Modernisierung der Landminenbestände zirka 1,3 Milliarden Euro ausgegeben. Darunter fiel auch die Beschaffung der Minen MIFF und MUSPA. MIFF und MUSPA sind nach Herstellerangaben "Panzerminen mit hochentwickeltem Sensorsystem" beziehungsweise "Splitter-Flächensperrminen zur Bekämpfung rollender, startender oder landender Flugzeuge". Sie werden auch als Submunitionen bezeichnet, da sie von Kampfflugzeugen fernverlegbar sind. Beide Minen verfügen über einen "Aufhebeschutz" und über einen Selbstzerstörungsmechanismus. Nach Angaben des Herstellers RTG Euromunition (eine Tochter von Daimler/EADS und Diehl) wurden von der Mine MIFF 135.000 Stück und von der Mine MUSPA 90.000 Stück für die deutsche und italienische Luftwaffe produziert. Aufgrund des Ottawa-Vertrages hat Nato-Partner Italien die MIFF und MUSPA als Anti-Personen-Minen eingestuft und seine Lagerbestände vernichtet. Deutschland dagegen hält bisher an seinen Beständen von MIFF und MUSPA fest.

Alle Landminen ächten!
Ohne Rüstung Leben setzt sich seit vielen Jahren mit Aktionen und Kampagnen für die umfassende Ächtung aller Landminen ein. So initiierten wir unter anderem die Kampagne "Daimler-Minen Stoppen" und die Postkartenaktion "Keine Mark für neue Minen!". Zur Zeit beteiligen wir uns an der Aktion "Eine Million Unterschriften für ein Verbot aller Landminen". Die Unterschriften sollen Anfang Dezember 2007, dem 10. Jahrestag des Ottawa-Abkommens, der Bundesregierung übergeben werden.

Unterschriftenlisten und weitere Hintergrundinformationen erhalten Sie bei: Ohne Rüstung Leben, Arndtstraße 31, 70197 Stuttgart, Telefon: 0711-608396, Telefax: 0711-608357, E-Mail: orl-info [at] gaia [dot] de und bei http://www.landmine.de

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