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Schweden
Eine Stimme gegen Militarismus und Kriegspropaganda
vonIm Sommer 2010 wurde die Wehrpflicht in Schweden abgeschafft. Das schien auf den ersten Blick eine gute Nachricht zu sein und war es natürlich auch, aber ziemlich bald entdeckten wir, was stattdessen kommen würde. Plakattafeln mit Werbung für die Rekrutierung potentieller SoldatInnen für die jetzt professionelle schwedische Armee (Försvarsmakten in Schwedisch) fingen an, überall in Schweden aufzutauchen. Der folgende Beitrag beschreibt die Aktionen von Ofog, einem antimilitaristischen Netzwerk, das auf unterschiedliche Art und Weise daran arbeitet, den Militärisch—Industriellen Komplex zu stören und zu unterbrechen. Unsere Methoden schließen direkte gewaltfreie Aktionen an Rüstungsbetrieben und bei Militärmanövern, Kampagnen zur Stärkung öffentlichen Bewussteins, Vorträge und Workshops, Aktionen auf öffentlichen Plätzen, Kommunikation durch soziale Medien, Café Nächte und Parties, Friedensaktionscamps und Manipulation von Werbung ein. Sie finden vorwiegend in Schweden statt, aber wir nehmen auch an internationalen Kampagnen und Aktionen teil.
Der Titel der ersten Kampagne des schwedischen Militärs lautete: ”Hast Du, was es braucht, um eine Meinung zu haben?”, mit der Bedeutung: wenn man hat, ”was es braucht”, dann sollte man sich dem Militär anschließen. Die Tafeln enthielten Aussagen wie: ”Deine Großmutter glaubt nicht, dass es so wichtig ist, wenn Schwedens Luftraum verletzt wird”, ”Dein Freund will keine Hilfe, wenn es zu einer Naturkatastrophe kommt”, oder: ”Dein Kollege meint, dass es ok ist, wenn Schwedens Grenzen verletzt werden”. Alles in Großbuchstaben und dann in kleinerer Schrift darunter: ”Was denkst Du? Hast Du, was es braucht, um eine Meinung zu haben? Teste Dich selbst auf forsvarsmakten.se”.
Unsere Reaktion von Ofog, dem schwedischen antimilitaristischen Netzwerk, war, unsere eigenen Aussagen denen des Militärs hinzuzufügen:
”Dein Freund will keine Hilfe, wenn es zu einer Naturkatastrophe kommt”, wurde von Ofog ergänzt durch: ”... durch das Militär. Andere Hilfe ist willkommen.” ”Wir haben, was es braucht. Ofog.”
”Deine Großmutter glaubt nicht, dass es so wichtig ist, wenn Schwedens Luftraum verletzt wird”, wurde zu: ”aber auf der anderen Seite ist sie sauer, dass die USA Kriegsmanöver in Nordschweden durchführen werden”.
Dies war nicht das erste Mal, dass Ofog Plakattafeln veränderte oder ersetzte, um deren Aussage in Frage zu ziehen oder die eigene Position darzustellen. Einige Ofog-AktivistInnen hatten von vorherigen Aktionen das Wissen und die Instrumente, um die Reklameständer an Bushaltestellen zu öffnen, und diese wurden jetzt an weitere AktivistInnen weitergegeben, als wir die Tafeln öffneten, um unsere eigenen Aussagen über die des Militärs zu kleben. Früher haben wir die gleiche Methode verwendet, um z.B. die Öffentlichkeit über Schwedens Rüstungsexport aufzuklären. Der Vorteil dabei, solche Tafeln zu öffnen und etwas in sie hinein zu tun, ist, dass die Plakate nicht so einfach von jedermann abgerissen werden können, sondern nur von den ArbeiterInnen, die die Werbeanhänge durchführen, denn nur sie (oder andere AktivistInnen, die ausgetüftelt haben, wie man einen eigenen Schlüssel herstellt) haben einen Schlüssel.
Manipulieren von Werbung (englisch: ”adbusting”) kann Unterschiedliches sein – von groß zu klein, sorgfältig geplant oder spontan, gut vorbereitet oder nicht. Als die erste Rekrutierungskampagne des Militärs anfing, haben wir eine schnelle Untersuchung gemacht und herausgefunden, welche Schriftart sie benutzten (ironischerweise – oder auch nicht – mit dem Namen ”gunplay”), so konnten wir die gleiche Schrift für unsere Gegenslogans benutzen.
Die nächste Kampagne des Militärs hieß ”Willkommen in unserer Realität”. Sie erschien nicht auf Großtafeln, sondern eher auf kleinen Plakaten in Straßenbahnen und Bussen. Einige von uns fingen an, auf sie mit Filzstiften zu schreiben, und dann sammelten wir einige dieser Gegenslogans auf unserer Website, um Menschen zu ermutigen, sie selbst auszudrucken und im Öffentlichen Nahverkehr und anderen Orten anzubringen.
”Wie viele Religionen sind in diesem Zug vertreten? Andere Kulturen zu verstehen und zu interpretieren ist Teil unserer Realität. Bewerbe Dich als Soldat oder Seemann auf forsvarsmakten.se/reality.” Wir fügten hinzu: ”Militärische Kultur: Gewalt und Drohung mit Gewalt. Realität: Soldaten töten.”
Die Ofog-Anzeigen, die von unserer Website heruntergeladen werden konnten, enthielten auch Aussagen wie ”Schweden hat 550 SoldatInnen unter NATO-Oberbefehl in Afghanistan”, ”Wie viele Granatwerfer muss Schweden verkaufen, damit die Rüstungsindustrie glücklich ist?” und ”Falle in andere Länder ein und sage ihnen, dass sie es waren, die den Krieg begonnen haben – Teil der Realität der bewaffneten Streitkräfte”.
Mit diesen hinzugefügten Aussagen und unserer eigenen Werbung haben wir die Darstellung des Militärs auf verschiedenen Ebenen in Frage gestellt. Durch das Ergänzen der Werbeplakate zeigen wir, dass es Widerstand gibt, dass nicht jedeR mit dem Militär einer Meinung ist. Unsere Aussage, ”Wir haben, was es braucht. Ofog” war eine Gegenstimme zu der des Militärs, dass ”was es braucht”, Gewalt, Hierarchie und physische Stärke sei (unter anderem). Stattdessen sagten wir, ”was es braucht”, könnte Gewaltfreiheit, flache Organisation und Mut zur Reaktion (unter anderem) sein. Auch zeigten wir, dass es nicht Sache des Militärs ist, zu entscheiden, wer eine Meinung hat oder ”was es braucht”, sondern dass jedeR das Recht auf ihre oder seine Meinung hat. Mit unseren hinzugefügten Aussagen gaben wir einigen denjenigen eine Stimme, die nach Aussage des Militärs gleichgültig waren. Wir gaben in unserer Antwort der ”Großmutter” eine Stimme, aber nicht eine, die sich darum Sorgen machte, ob ”Schwedens Luftraum verletzt”, sondern eher, ob Schwedens Territorium für Kriegsmanöver benutzt wurde.
Das schwedische Militär probiert verschiedene Wege, um potentielle RekrutInnen zu erreichen: Sie stellen die Arbeit im Militär als ”nur ein gewöhnlicher Job” dar, als einen aufregenden Job, einen wichtigen Job, als die einzige Art und Weise, Einfluss auf das Geschehen in der Welt zu nehmen, und behaupten, dies sei ”die Realität der schwedischen Streitkräfte”. Deshalb ist es uns wichtig, eine andere, in unseren Augen zutreffendere, Sichtweise des Militärs darzustellen. In unseren Gegenslogans oder Plakaten versuchen wir, die Lügen des Militärs aufzudecken und der Öffentlichkeit und möglichen RekrutInnen zu sagen, worum es beim Militär wirklich geht: Gewalt, töten, Befehle empfangen, etc.
In ihren jüngsten Kampagnen haben die schwedischen Streitkräfte ihre Anzeigen in soziale Foren ins Internet und auf die Websites von Zeitschriften gesetzt. Während Texte auf Papier auszudrucken und einen Plakatständer an einer Bushaltestelle zu öffnen, recht einfach und mit wenig Ressourcen zu bewältigen ist, ist die Manipulation von Videos, Apps oder Werbefilmen auf Websites und in sozialen Foren etwas schwieriger. Natürlich können wir eigene Videos und Werbefilme produzieren und sie so weit verbreiten wie wir können, aber es ist etwas anderes, in Websites und Foren zu intervenieren. Deshalb müssen wir, während das Militär diese Kommunikationswege benutzt, um mehr und mehr SoldatInnen zu rekrutieren, unsere Fähigkeiten erweitern und innovativer bei der Manipulation von Werbung werden.
Was wir bislang zumeist getan haben, ist, damit fortzufahren, die öffentlichen Räume zu nutzen, die uns zugänglich sind, und den Aussagen des Militärs dort zu widersprechen. Wir stellen unsere eigenen Anzeigen im Stil (Schriftart und Farbe) der Kampagnen des Militärs her, damit Menschen unsere Aussagen mit denen des Militärs assoziieren. Eine Antwort auf einer der jüngsten Rekrutierungskampagnen ”Jemand muss was tun” (was heißen soll: Militärintervention ist der einzige Weg, in der Welt etwas auszurichten), haben Ofog-AktivistInnen in Malmö einige Poster aufgehängt:
”Wenn Du Dich weigerst zu töten, wirst du gefeuert. Die Streitkräfte – einfach ein normaler Job”, mit dem Logo der schwedischen Armee. Und: ”90% der Menschen, die in einem Krieg getötet werden, sind ZivilistInnen – jemand muss was tun” (Ofog Logo).
Das Manipulieren von Anzeigen ist weder schwierig noch kompliziert. Alles, was es braucht, ist ein bisschen Kreativität, Zeit und Willen. Also bringt einfach eure eigenen antimilitaristischen / Antirekrutierungs-Slogans in die Öffentlichkeit!