Die Situation von Flüchtlingen in der Abschiebehaft

Eingesperrt zum Abtransport

von Susanna Ruhfleisch
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Von der Öffentlichkeit nahezu unbemerkt wurden in den letzten Jahren spezielle Gefängnisse für Flüchtlinge, sogenannte Abschiebehaftanstalten, eingerichtet. Inhaftiert werden in erster Linie abgelehnte AsylbewerberInnen, die ihrer Ausreiseaufforderung nicht nachgekommen sind und irgendwann als sogenannte "Illegale" aufgegriffen wurden. Nach der faktischen Abschaffung des Asylrechts vor mittlerweile fünf Jahren und den ständig reduzierten sozialen Leistungen ist Abschiebehaft für die Betroffenen sicherlich die schärfste staatliche "Waffe" zur Abschottung und Abschreckung von Flüchtlingen.

Abschiebungshaft wird auf Antrag der Ausländerbehörden verhängt, um die Ausweisung vorzubereiten (Vorbereitungshaft) bzw. die vollziehbare Ausreisepflicht eines Flüchtlings durchzusetzen, sofern dieser nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist freiwillig ausreist (Sicherungshaft). Es handelt sich also nicht um eine strafrechtliche Sanktion, sondern eine Verwaltungsvollstreckungsmaßnahme. Dabei ist zu berücksichtigen, daß es sich um einen Eingriff in das Menschenrecht auf Freiheit der Person nach Art. 2 Satz 2 GG iVm Art. 104 GG handelt, eine Tatsache, die in der Praxis der Abschiebungshaftverfahren keine angemessene Berücksichtigung findet. Dem Anliegen des Staates, unerwünschte AusländerInnen abzuschieben, wird von vornherein Vorrang eingeräumt.

Freiheitsentziehung im Schnellverfahren
In ihrem Antrag auf Verhängung der Abschiebehaft greifen die Ausländerbehörden regelmäßig auf die "Generalklausel" des § 57 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 AuslG zurück, wonach "der begründete Verdacht besteht, daß er [der Flüchtling] sich der Abschiebung entziehen will". Dieser Verdacht muß sich aufgrund der einschneidenden Rechtsfolgen eigentlich auf konkrete Umstände stützen1, die die Ausländerbehörde in ihrem Antrag darlegen muß. In der Praxis wird regelmäßig die pauschale Behauptung aufgestellt, der Flüchtling wolle untertauchen.
 

Das gerichtliche Verfahren richtet sich gem. § 103 Abs. 2 AuslG nach dem Gesetz über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen (FEVG). Theoretisch hat der zuständige Haftrichter am Amtsgericht nun nach § 12 FGG von Amts wegen die erforderlichen Ermittlungen anzustellen und diese Angaben zu überprüfen. Dabei ist seine Prüfungskompetenz nach überwiegender Auffassung auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 57 AuslG beschränkt, er darf also laufende Asylverfahren oder bestehende Abschiebungshindernisse nicht berücksichtigen, sondern ist an die Verwaltungsentscheidung gebunden. Sofern ein Flüchtling in der zwingend vorgeschriebenen mündlichen Verhandlung vorträgt, ein Verwaltungsgericht habe in seinem Asylverfahren ein Abschiebungshindernis festgestellt, er sei im Besitz einer noch gültigen Duldung oder sein erstes Asylverfahren sei noch nicht abgeschlossen, soll das für den Haftrichter unbeachtlich sein. Dieser verfügt als Richter im ordentlichen Gerichtsverfahren ohnehin regelmäßig nicht über Kenntnisse der komplexen Materie des Ausländer- und Asylrechts. Selbst wenn er das Vorliegen von Abschiebungshindernissen erkennt, ist er gezwungen, sehenden Auges die Abschiebungshaft anzuordnen, eine Situation, die mit rechtsstaatlichen Prinzipien nicht zu vereinbaren ist2 . Diese Beschränkung der richterlichen Prüfungskompetenz unter Mißachtung etwaiger Eingriffe in Art. 16, 16 a GG widerspricht in eklatanter Weise gegen den Grundsatz der Grundrechtsbindung jeglicher staatlicher Gewalt3 .

Für die betroffenen Flüchtlinge, der nach § 5 Abs. 1 FEVG mündlich angehört wird, ist diese Situation in keiner Weise nachvollziehbar. Sie verstehen, daß ihre Inhaftierung im Zusammenhang mit ihrem aufenthaltsrechtlichen Status erfolgt, bekommen dann aber im Gerichtsverfahren mitgeteilt, daß ihr diesbezügliches Vorbringen unbeachtlich ist. Die Trennung des Verfahrens in ein aufenthaltsrechtliches vor dem Verwaltungsgericht und ein freiheitsentziehendes vor der zivilen Gerichtsbarkeit stellt nicht nur den auf sich selbst gestellten Flüchtling vor unlösbare Probleme. Auch für ausgebildete JuristInnen ist dieses Konstrukt der aufgeteilten Zuständigkeiten nicht ohne weiteres durchschaubar. Ein zusätzliches Problem stellt sich dadurch, daß sich einige Verwaltungsgerichte nicht für eine Entscheidung über diese Fragen zuständig fühlen und wiederum auf das Freiheitsentziehungsverfahren verweisen. Es entsteht ein negativer Kompetenzkonflikt auf Kosten der Grundrechte des Betroffenen4, von einem effektiven Rechtsschutz kann keine Rede sein5 .

Soweit dem Haftrichter eine Überprüfung der von der Ausländerbehörde vorgetragenen Tatsachen zugebilligt wird, findet diese häufig nicht statt. Der Zeitaufwand für die jährlich ca. 400 Abschiebehaftsachen am Mannheimer Amtsgericht wird mit 0,1 einer Richterstelle - d.h. einem Zehntel der Arbeitszeit - bewertet, so daß die Ermittlungen entsprechend dürftig ausfallen. Vor diesem Hintergrund kann es auch nicht verwundern, daß die Begründungen vieler Haftbeschlüsse offenbar mit Hilfe von Textbausteinen verfaßt und die Haftrichter als Erfüllungsgehilfen der Ausländerbehörden betrachtet werden.
 

Kein effektiver Rechtsschutz
Während jeder von Freiheitsentzug bedrohte straffällige Mensch aus gutem Grund einen Pflichtverteidiger an die Seite gestellt bekommt, erhält ein Flüchtling in der Abschiebehaft häufig überhaupt keinen anwaltlichen Rat. Sofern es bereits eine anwaltliche Vertretung gab, ist es aufgrund der Haftbedingungen schwierig, den Kontakt zu halten, zudem verfügt die Mehrzahl der Abschiebehäftlinge über keinerlei finanzielle Mittel. Lediglich in zwei Bundesländern gibt es eine aus öffentlichen Mitteln finanzierte rechtliche Beratung.

Gegen den Haftbeschluß, der in der Regel drei Monate Freiheitsentziehung anordnet, ist die sofortige Beschwerde gem. § 7 FEVG zulässig. Die Tatsache, daß die Prüfung auch im Beschwerdeverfahren vor dem Landgericht nicht allzu genau ausfällt, wird eindrucksvoll durch die hohen Erfolgsquoten der weiteren Beschwerden vor den OLGs belegt: so war die Anordnung der Abschiebehaft nach einer Statistik des OLG Frankfurt aus den Jahren 1997/98 in mehr als der Hälfte aller Fälle unzulässig6 . Diese Instanz ist den Abschiebungsgefangenen allerdings regelmäßig verschlossen, da die Verfahren einige Wochen in Anspruch nehmen, das Rechtsschutzbedürfnis aber nach Ablauf der drei Monate entfällt und folglich auch ursprünglich zulässige Beschwerden nicht mehr beschieden werden.

Eine ausführliche Begründung von seiten der Ausländerbehörde wird wegen der Regelung des § 57 Abs. 3 S. 2 AuslG regelmäßig erst nach Ablauf von sechs Monaten vorgelegt, um die erforderliche "Verhinderung der Abschiebung" durch den Flüchtling zu belegen. Die Gründe reichen hier von der fehlenden Unterschrift unter das Paßantragsformular bis zum Widerstand bei einem Abschiebungsversuch. Das Verschulden wird dabei auch auf Umstände gestützt, auf die der Flüchtling keinen Einfluß hat, zB wenn eine Abschiebung durch die Intervention von Menschenrechtsgruppen verhindert wird oder das Flugpersonal die Mitnahme gegen den Willen des Flüchtlings - aus Gründen der Flugsicherheit - verweigert. Manche Flüchtlinge reagieren auf die Abschiebungsversuche in ihrer Verzweiflung mit Selbstverletzungen, was ihnen dann als "Verschulden" für die nicht vollzogene Abschiebung vorgeworfen wird und zur Haftverlängerung führt.

Die zahlreichen Statistiken über die "durchschnittliche Haftdauer" sollten darüber nicht hinwegtäuschen, daß eine Haftdauer von mehreren Monaten keine Seltenheit ist. Während einige Abschiebehäftlinge, insbesondere aus osteuropäischen Staaten, bereits nach wenigen Tagen abgeschoben werden (und so den Durchschnitt erheblich senken), sitzen andere bis zu einem Jahr in Haft, entweder weil die Papiere fehlen oder jede Abschiebung scheitert. Die in § 57 Abs. 3 AuslG vorgesehene Haftdauer von bis zu 18 Monaten verstößt unter dem Aspekt des Übermaßverbotes gegen Art. 2 Abs. 2 GG iVm dem Verhältnismäßigkeitsprinzip7 . Im Vergleich dazu darf die Untersuchungshaft, die einen dringenden Straftatverdacht fordert, maximal sechs Monate dauern.
 

Asylverfahren hinter Gittern
Während Flüchtlinge bis 1997 während der Dauer ihres ersten Asylverfahrens vor einer Inhaftierung geschützt waren, ermöglicht der neu eingeführte § 14 Abs. 4 AsylVfG die Abschiebehaftanordnung während dieses Zeitraums. Diese Regelung wirft für die Asylsuchenden ganz erhebliche Probleme auf. Es kommt häufig vor, daß sie unmittelbar nach der Einreise kontrolliert werden und - wenn sie ihr Asylbegehren nicht sofort vorbringen - in Haft genommen werden. Diese fehlende Asylantragstellung ist in erster Linie darauf zurückzuführen, daß die Flüchtlinge davon ausgehen, daß die Polizei nicht dafür zuständig sei, aber auch Angst oder Sprachbarrieren können ursächlich sein. Befindet sich der Flüchtling in Haft, bewirkt ein dann gestellter Asylantrag keine Entlassung mehr, er oder sie ist gezwungen, das Verfahren aus dem Gefängnis heraus zu durchlaufen.

In diesen Fällen ist eine anwaltliche Beratung nahezu ausgeschlossen. Ein gerade eingereister Asylsuchender verfügt in aller Regel über keinerlei finanzielle Mittel, und nur wenige AnwältInnen sind in der Lage und bereit, unter diesen Umständen die erforderliche ausführliche Beratung im Gefängnis zu leisten. Die Anhörung durch das Bundesamt, die aufgrund oft gezielt verunsichernder Fragen ohnehin eine große Belastung darstellt, verläuft unter dem im Gefängnis zusätzlich bestehenden Druck oft katastrophal. Besonders für traumatisierte Flüchtlinge ist eine Darstellung ihrer Asylgründe hinter Gittern faktisch unmöglich.

Da gesetzlich vorgeschrieben ist, daß die Asylsuchenden aus der Haft entlassen werden müssen, wenn nicht innerhalb von vier Wochen eine Ablehnung als "offensichtlich unbegründet" vorliegt, ist das Bundesamt bestrebt, das Verfahren schnellstmöglich durchzuziehen. Menschen, die in der Hoffnung auf Schutz vor Verfolgung nach Deutschland geflüchtet sind, finden sich umgehend im Gefängnis wieder, das Asylverfahren binnen weniger Tage negativ abgeschlossen. Ihre Situation ist vergleichbar mit der von Flüchtlingen im Flughafenverfahren, allerdings ohne die dort zwingend vorgeschriebene anwaltliche Beratung. Viele waren auf der Flucht vor einer drohenden Inhaftierung im Heimatland und sind fassungslos angesichts der Tatsache, daß sie in Deutschland ebenfalls ohne große Umstände eingesperrt werden.

Abschiebehaft - härter als Strafvollzug
Unter rechtsstaatlichem Gesichtspunkt ist nicht nur das Verfahren, mit dem Abschiebungshaft angeordnet wird, problematisch, sondern auch der Vollzug der Haft. Die Zuständigkeit liegt je nach Bundesland entweder im Bereich der Innen- oder der Justizverwaltung. Während es im letzteren Fall zumindest den - wenn auch unzureichenden - Verweis in § 8 Abs. 2 FEVG auf die §§ 171 ff Strafvollzugsgesetz gibt, fehlt für den Vollzug durch die Innenverwaltung jegliche gesetzliche Grundlage. Lediglich die Länder Berlin, Rheinland-Pfalz und Brandenburg haben eine spezielle gesetzliche Grundlage geschaffen, in den anderen Bundesländern existieren lediglich Verwaltungsvorschriften. Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist der Strafvollzug nur auf Grundlage eines diesen regelnden Gesetzes zulässig8, dies muß ebenso für eine Inhaftierung zum Zweck der zwangsweisen Durchsetzung einer Verwaltungsentscheidung gelten.
 

Abschiebehaft wird in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich vollzogen, die Flüchtlinge werden teilweise in den Strafvollzugsanstalten untergebracht, es gibt aber auch spezielle Abschiebungshaftanstalten9 . Die Situation der Flüchtlinge in der Abschiebehaft soll exemplarisch an der Mannheimer Vollzugsanstalt verdeutlicht werden. Hier wurden im Innenhof der JVA Container aufgestellt, die von einer Mauer mit Stacheldraht umgeben sind - ein "Knast im Knast". Die Flüchtlinge sind in der Regel zu dritt in einer ca. 15 mý großen Zelle untergebracht, es gibt insgesamt etwa 100 Plätze. Es wird versucht, die Belegung so zu organisieren, daß sich die in der gemeinsamen Zelle Untergebrachten verständigen können; dennoch kommt es immer wieder vor, daß jemand aufgrund fehlender Kommunikationsmöglichkeiten in seiner Heimatsprache völlig isoliert ist.

Abgesehen von einem zweistündigen Hofgang sind die Flüchtlinge rund um die Uhr eingesperrt, ein Umschluß findet nicht statt. Es stehen nur wenige Arbeitsplätze zur Verfügung, ansonsten gibt es alle 14 Tage eine Sportstunde und eine wöchentliche Gesprächsgruppe für maximal fünf Gefangene. Im Klartext heißt das, regelmäßig 22 Stunden ununterbrochen mit zwei weiteren Menschen eingesperrt zu sein. Der wiederholten Kritik von Flüchtlingsgruppen an dieser Form der Unterbringung wird mit dem Hinweis begegnet, daß ja ein Fernseher in jeder Zelle zur Verfügung stehe - für Abwechslung ist also gesorgt.

Der Kontakt zur Außenwelt ist äußerst schwierig. Die Flüchtlinge dürfen einmal pro Woche für eine Stunde während äußerst arbeitnehmerunfreundlichen Zeiten besucht werden. Diese Regelung führt natürlich zu Schwierigkeiten: so wird zB die Ehefrau weggeschickt, wenn ein Freund oder Kollege den Flüchtling in dieser Woche bereits besucht hat. Erschwert wird die Situation zusätzlich durch die langen Anfahrtswege, die die BesucherInnen häufig zurücklegen müssen. Die Unterbringung in der Abschiebungshaft erfolgt in der Regel am Ort der Festnahme, so daß in der Mannheimer Haftanstalt nicht nur Flüchtlinge aus ganz Baden-Württemberg kommen, sondern - beispielsweise bei einer Verhaftung beim versuchten Grenzübertritt in die Schweiz oder nach Frankreich - aus ganz Deutschland. Da die Unterbringung in einem Gefängnis in der Öffentlichkeit mit dem Begehen einer Straftat gleichgesetzt wird, brechen einige Abschiebungsgefangene den Kontakt zu Familienangehörigen oder Bekannten aus Scham über ihre Inhaftierung vollkommen ab.
 

Das Briefeschreiben und Telefonieren ist nur in begrenztem Umfang möglich. Nachdem zur allgemeinen Erleichterung ein Kartentelefon eingerichtet wurde, das die Flüchtlinge auf Antrag zu bestimmten Uhrzeiten benutzen dürfen, stellte sich sofort das Geldproblem - denn praktisch kein Flüchtling konnte die 12.- DM Mindestgebühr für eine Telefonkarte aufbringen. Obwohl es seit 01.07.97 eine klare gesetzliche Regelung in § 3 Abs. 1 S. 5 Asylbewerberleistungsgesetz gibt, nach der einem Abschiebehäftling 56.- DM monatlich zustehen, erfolgte keine entsprechende Auszahlung. Es wurden zahlreiche Anträge an das Sozialamt gestellt, die zögernd bearbeitet wurden und sich oft durch Abschiebung oder Entlassung erledigten. Die Anträge wurden von einem Sozialamt zum anderen geschickt, weil sich niemand örtlich zuständig fühlte. Der Gemeinderat und das Innenministerium wurden eingeschaltet, bis schließlich - fast ein Jahr nach Erlaß des Gesetzes - eine Auszahlung direkt durch die JVA veranlaßt wurde. An diesem Beispiel wird deutlich, warum die Abschiebungshaft von zahlreichen KritikerInnen als "rechtsfreier Raum" bezeichnet wird: das Vorenthalten eines Anspruchs auf das Lebensnotwendige über ein Jahr hinweg ist wohl in keiner anderen Konstellation denkbar.

Abschiebehaft als letzte Station in der "Festung Europa"
Abschiebehaft ist häufig die letzte Station eines Flüchtlings, der es trotz der faktischen Abschaffung des Asylrechts noch wagt, einen entsprechenden Antrag zu stellen. Wer Schutz vor staatlicher Verfolgung, Menschenrechtsverletzungen oder Bürgerkrieg sucht, läuft Gefahr, unter übelsten Bedingungen im Gefängnis zu landen. Viele Asylsuchende stellen erbittert fest, daß sie sich in der Folge ihrer Flucht vor einer drohenden Inhaftierung im Heimatland in deutschen Gefängnissen wiederfinden. Diejenigen, die vor staatlicher Willkür geflohen sind, werden nun in einem Land, das sich als demokratischer Rechtsstaat bezeichnet, aus eben diesem Grund eingesperrt.

Diese Tatsache muß im Kontext nicht nur der deutschen, sondern auch der europäischen Asylpolitik gesehen werden. AsylbewerberInnen werden nicht mehr als Flüchtlinge, die aus verschiedenen Gründen Schutz in einem anderen Land suchen, gesehen. Statt dessen hat sich in den letzten Jahren in Europa die Auffassung verbreitet, eine "Flut" von AusländerInnen ströme in unser Land, wolle ausschließlich an unserem Reichtum teilhaben und versuche dies unter allen Umständen durchzusetzen. Das eigentliche Problem, die Menschenrechtsverletzungen in vielen Staaten, die zu Vertreibung und Flucht führen, bleiben in der politischen Diskussion ebenso wie der Anteil der Industriestaaten an dieser Situation völlig unberücksichtigt.
Asylpolitik wird mittlerweile mit dem Thema "Innere Sicherheit" gleichgesetzt und auf einer Ebene mit der Bekämpfung der organisierten Kriminalität abgehandelt. Diese Mentalität bildet den Hintergrund dafür, daß die Rechte von Flüchtlingen in zunehmendem Maß ausgehöhlt bzw. vollkommen entzogen werden und selbst ein "Wegsperren zum Abtransport" als selbstverständliches Recht des Staates betrachtet wird.

Literatur:
-Klaus Barwig, Manfred Kohler (Hrsg.): "Unschuldig im Gefängnis?", Zur Problematik der Abschiebungshaft, 1997; ZDWF-Schriftenreihe 67

 

-Hubert Heinhold: "Abschiebungshaft in Deutschland - Eine Situationsbeschreibung", 1997
 

-Heldmann, Kommentar zum Ausländergesetz, 2. Auflage 1993
 

-VDJ/EJDM (Hrsg.): Rechtsgutachten zur Verfassungswidrigkeit der Abschiebehaft von Prof. Peter Knösel und Jörg Wegner in ZDWF-Schirftenreihe Nr. 62
 

-ZDWF-Schriftenreihe Nr. 62, "Abschiebungshaft in Deutschland - rechtliche Aspekte"
 

Ein Flüchtling aus Angola erfuhr an einem Freitagnachmittag von der Geburt eines Kindes in einer mit ihm eng befreundeten Familie. Da die Ausländerbehörde bereits geschlossen hatte, holte er nicht die erforderliche Genehmigung zur Reise ein und verletzte damit seine Residenzpflicht. Bei der Personenkontrolle am Bahnhof wurde ihm trotz Vorlage eines Ausweispapieres seine Identität nicht geglaubt. Er wurde verhaftet und in Abschiebehaft genommen. Nachdem er vier Monate inhaftiert war, kam ein Kontakt zu den ehrenamtlichen BetreuerInnen zustande. Diesen gab er den Namen seines Anwalts, den er mangels Telefonnummer und Adresse nicht kontaktieren konnte. Der Anwalt war völlig entsetzt über die Anordnung der Abschiebehaft und faxte umgehend ein verwaltungsgerichtliches Urteil, wonach für der Flüchtling ein Abschiebungshindernis gem. § 51 Abs. 1 AuslG festgestellt worden war. Er wurde noch am gleichen Tag entlassen, eine Haftentschädigung gibt es für Flüchtlinge allerdings nicht.

Von einem nigerianischen Flüchtling wurde - vermutlich von seiten der Ausländerbehörde - behauptet, er habe die Verzögerung der Abschiebung dadurch verschuldet, daß er im Lauf der Haft angekündigt habe, aktiven Widerstand gegen die Abschiebung zu leisten. Dieser Vorwurf wurde als Begründung in den Haftbeschluß aufgenommen, ohne daß eine mündliche Anhörung des Flüchtlings stattfand.

Eine dagegen gerichtete Beschwerde mit der Begründung, eine solche Äußerung habe es nie gegeben, wurde unter Wiederholung des Vorwurfs zurückgewiesen. Nach erneuter Haftverlängerung und Beschwerde fand zwei Monate später auf ausdrücklichen Antrag des Anwalts eine Anhörung statt. Dabei wurde durch den zuständigen Richter festgestellt, daß es für den behauptete Ankündigung keinen einzigen Anhaltspunkt in der Akte gab. Immerhin fand daraufhin keine erneute Verlängerung der Abschiebungshaft statt.
 

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FF6/2000
InhaltEin Flüchtling aus Guinea-Bissau reiste mit dem Schiff in Hamburg ein und wollte von dort aus nach Portugal weiterfahren, um Asyl zu beantragen. Nach seiner Festnahme, bei der er sein Vorhaben schilderte, wurden drei Monate Abschiebungshaft angeordnet. Erst durch anwaltliche Beratung wurde ihm klar, daß eine Weiterreise nach Portugal aufgrund europäischer Abkommen nicht möglich sein würde. Er stellte hier einen Asylantrag, der - trotz der Tatsache, daß in Guinea-Bissau ein Bürgerkrieg tobt - als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde. Erst auf die Haftbeschwerde stellte das zuständige Landgericht kurz vor Ablauf der drei Monate fest, daß bereits seit einem halben Jahr ein Abschiebestopp für dieses Land besteht, der Flüchtling wurde entlassen.

Anmerkungen

1 OLG Köln, NVwZ-Beilage 1995, 63.

2 Vgl. Göbel-Zimmermann in "Unschuldig im Gefängnis?", S. 31.

3 Vgl.: Knösel/Wegner: Rechtsgutachten zur Verfassungswidrigkeit der Abschiebehaft S. 21 ff.

4 Knösel in: "Unschuldig im Gefängnis?", S. 21

5 vgl.: Knösel/Wegner, aaO, S. 7ff.

6 Frankfurter Rundschau vom 12.06.98, S. 25.

7 vgl. Knösel/Wegner, aaO, S. 27 ff.

8 BVerfGE 33, 1.

9 Vgl. Heinhold, Abschiebungshaft in Deutschland

Die AG für Menschen in Abschiebehaft ist eine Gruppe von Frauen und Männern unterschiedlichen Alters und verschiedener Berufe, die sich seit 1994 ehrenamtlich mit der Situation der inhaftierten Menschen in der Abschiebehaftanstalt Mannheim auseinandersetzt.

Für die vielfältigen ehrenamtlichen Aufgaben sucht die AG immer wieder neue Mitglieder. Wer sich für die Arbeit interessiert, kann sich im Büro ausführlich informieren und ist bei den Treffen herzlich willkommen.

Kontaktadresse: AG für Menschen in Abschiebehaft, Augustaanlage 53, 68165 Mannheim. Tel./Fax: 0621-412556. Email: webmaster [at] abschiebehaft [dot] de. Homepage: www.abschiebehaft.de. Treffen jeden 2. Montag, 20 Uhr im Büro.

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