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Mehr als irgendein anderes Ereignis der letzten Jahre hat die Golfkrise tiefe politische Differenzen in der Friedensbewegung offenbart. Mindestens drei miteinander unvereinbare Positionen können identifiziert werden: Entschiedener Protest gegen den militärischen Aufmarsch in der Golfregion bei gleichzeitiger Verurteilung der irakischen Aggression (Beispiel: Erklärung aus dem Netzwerk Friedenskooperative), 2. Aufschrei gegen den "Neuen Akt des US-Imperialismus" und Partei-Ergreifen für den Irak (Beispiel: Kommunistischer Bund) und 3. Befürwortung einer sogenannten "militärischen Lösung" unter Oberhoheit der UNO (u.a. Stimmen aus der Grünen Partei). Das "FriedensForum" möchte sich der Diskussion dieser Frage Stellen. Wir beginnen mit einem Beitrag von Udo Knapp, Fraktionmitarbeiter der Grünen-Bundestagsfraktion, der sich für eine militärische Intervention gegen den Irak ausspricht und einer Erwiderung von Christine Schweitzer, die sich gegen jede Form von militärgestützten internationalisierten Konfliktregelungen wendet.
Bei einer Protestaktion zur Golfkrise und gegen die Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung wurde dem Bonner Kanzleramt die Rakete mit dem Mercedes-Stern überreicht. Wie im richtigen Leben bewiesen die Beamten Sinn für deutsche Wertarbeit: Das Objekt wurde entgegengenommen und fehlt jetzt bei künftigen Aktionen. Also: Viele Raketen für den Kanzler bauen!
über hilflosen Pazifismus oder "den Wunsch aus der Weltgeschichte auszusteigen"
Udo Knapp
Im Nahen Osten läuft im Augenblick so vieles falsch:
Es gibt noch viel mehr Argumente gegen einen militärischen Einsatz im Golf. Sie sind zum größten Teil bedenkenswert, die Öffentlichkeit streitet darüber: Die amerikanische Mutter argumentiert anders als der arabische Linksintellektuelle, der sowjetische Außenminister anders als der deutsche friedensbewegte GRÜNE.
Ich respektiere ihre Argumente, sie sind widerlegbar, aber das hilft wenig, denn wir alle haben ein gemeinsames, verzweifeltes Problem:
SADDAM HUSSEIN: "Es gibt keine einzige Chance für irgendein Ausweichen, davor die Schlacht nach den Prinzipien der Ehre und des festen Glaubens an den Sieg zu führen (...)".
"Machen wir jedem deutlich, daß diese Schlacht die Mutter aller Schlachten werden wird. Der nächste Krieg wird ein Kampf um die Befreiung der gesamten Menschheit und die Befreiung Jerusalems sein." (Hussein am 02.09.1990 im irakischen Fernsehen).
Saddam Hussein meint es ernst, daran gibt es wenig zu zweifeln. Die Bilanz seiner Herrschaft: Ca 200.000 von ihm viehisch ermordete politische Gegner im eigenen Land. Mit Giftgas aus von deutschen Technikern gebauten Fabriken ermordete tausende von Kursen, 1 Million Kinder und Männer im Krieg mit dem Iran geopfert, dann diesen Krieg als sei es nichts gewesen, mit einem Federstrich beendet, und nicht zuletzt seine wiederholte Drohung, Israel mit Chemiewaffen auszulöschen...
Was tun? Hussein gewähren lassen? Ihn mit politischem Druck zum Rückzug aus Kuweit bewegen? Wer glaubt daran, daß das fruchtet? Ei Regime wie das von Hussein und seiner Baathpartei braucht die Eroberung, das militärische Ausgreifen als innenpolitische Selbstlegitimation. Den Wirtschaftsboykott verschärfen? Jeder weiß, er ist nicht durchsetzbar, schon gar nicht durchzuhalten. Oder glaubt irgend jemand, die demokratische Weltöffentlichkeit würde auch nur wenige Tage Bilder von verhungernden Kindern im Irak im Fernsehen ertragen können?
Was tun? Die alte Aufteilung der Welt im Ost-West-Konflikt in hegemoniale Interessengebiet ist- durch den Zusammenbruch der realsozialistischen Systeme beendet. Ein neuer, demokratisch legitimierter, internationaler Mechanismus zur Deeskalation oder zur Beilegung regionaler Konflikte aber, existiert noch nicht. Es wird auch noch viel Zeit, viel zu viel Zeit vergehen, bis es ihn gibt? Wie dieses Krisenmanagement genau aussehen soll, muß erst jetzt politisch erdacht und in politische Praxis umgesetzt werden. Wer Frieden, Demokratie, soziale und ökologische Gerechtigkeit weltweit will, muß jetzt daran mitdenken und mitarbeiten, daß regionale Kriege verhindert werden können. Denn diese Kriege sind wegen ihrer verheerenden Wirkung schon längst nicht mehr regional begrenzbar. Wir GRöNEN reden doch zu Recht immer von der "Einen Welt". Wer sich raushält, aus welchen Gründen auch immer, nimmt den Krieg nicht nur hin, sondern macht ihn erst möglich, weil nur selber nicht damit zu tun haben. Das klingt für mich, wie das alte deutsche Trauma: Ich aber bin nicht dabeigewesen. Es ist zum verzweifeln, daß die Zivilisierung des Zusammenlebens der Völker noch nicht soweit ist, daß nur das Greifen zu militärischen Konfliktregelungsmechanismen naheliegt. Ich will das nicht wahrhaben, weiß aber nicht, was es für Alternativen dazu gibt, die auch Wirkung erzielen.
Vaclav Havel und seine Tschechoslowakei, Australien, Holland, Argentinien, USA und auch Gorbatschow, die alte Anti-Hitler-Koalition ist angetreten gegen Hussein. Hätten alle die, die gegen jegliches Erwägen militärischer Einsätze im Irak sind, am Beginn des Zweiten Weltkrieges auch gesagt, Nein unter keinen Umständen, ein Krieg gegen Hitler?
Wie war das mit dem Kampf der Sandinisten gegen die Contras? Hätten sie das unter allen Umständen lassen müssen? Wie war da mit den Waffensammlung in der bundesrepublikanischen Friedensbewegung für die Revolutionäre in El Salvador? Was wir mit der Verurteilung des Versuchs afghanischer Rebellen sich dagegen den sowjetischen Einmarsch zu wehren? Warum stand Petra Kelly mit ihrer Kritik an der Niederschlagung der Aufstände in Tibet vor einigen Jahren allein? Nicht zuletzt Israel, wie schlimm und friedensfeindlich seine Politik auch sein mag, es wird offen mit einem Vernichtungskrieg bedroht, sollen wir da zusehen und sagen, das sei nicht unser Problem? Ich weiß auf alle diese Fragen keine sichere Antwort. Habe aber in den Diskussionen der letzten Wochen eine Antwort versucht und will vor allem darüber reden. Erstaunlich ist, daß in der Bundesrepublik auf allen Seiten dazu geschwiegen wird. Es stünde den GRöNEN gut an, dieses Schweigen auch selbstkritisch zu brechen, anstatt in einfache Lösungen zu fliehen. Ich wiederhole meinen Vorschlag, auch wenn er politisch unlogisch erscheint.
Ich bin gegen jede deutsche Truppenbeteiligung in jedem Konflikt, irgendwo in der Welt und zu keinem Zeitpunkt. Weil ich Angst vor deutschen Soldaten habe, die irgendwo auf der Welt Krieg führen. Aber ich bin dafür, daß die Bundesrepublik diese internationalen Friedenseinsätze, unter dem militärischen Oberkommando der UNO logistisch und materiell mit allen Mitteln unterstützt. Ich hoffe, daß die anderen beteiligten Völker das wegen ihren Erfahrungen und vielleicht auch éngsten vor der neuen deutschen Republik akzeptieren. Ich erwarte aber, daß die GRöNEN in ihrer Außenpolitik den Schwerpunkt auf die Entwicklung supranationaler Strukturen wie z. B. den Ausbau der EG zu einem europäischen Bundesstaat ebenso wie einem europäischen Sicherheitssystem mit einer europäischen Friedenstruppe im Rahmen de KSZE und die Weiterentwicklung der UNO zu einem Weltfriedenspakt mit einer Sicherheitsstreitmacht weiterdenken. Nur so wird es möglich sein, das sinnlose und sich gegenseitige Abmorden in regionalen Konflikten überall in der Welt einzuschränken.
Die Zeit im deutschen Krähwinkel, eingesperrt hinter der Mauer und in der apathischen Rationalität von Entspannung und Abrüstungshoffen ist am 3. Oktober zuende. Friedenspolitik braucht jetzt neue Antworten, durch kategorisches Neinsagen jedenfalls wird eine Renationalisierung oder Remilitarisierung deutscher Politik jedenfalls nicht verhindert.