Bundesweite Aktion am 17. 11. 90

Entrüstet Daimler - eine Aktion gewinnt Profil

von Christopher Diringer

Mitte Februar trafen sich ungefähr 50 AktivistInnen und SympathisantInnen der Kampagne "Produzieren für das Leben - Rüstungsexporte stoppen" zum jährlichen Planungs- und Vernetzungstreffen in Stuttgart. Im Zentrum der Diskussion stand die am Anti-Kriegstag '89 mit einer Anzeigenaktion zur Fusion von Daimler-Benz und Messerschmitt-Bölkow-Blohm (MBB) gestartete Schwerpunktaktion "Entrüstet Daimler!''.

 

Welche Bedeutung die TeilnehmerInnen einer "Gegenmachtbildung" zur sich immer klarer abzeichnenden Konzernstrategie von Daimler-Benz zumessen, Monopolkontern der deutschen Luft-, Raumfahrt- und Rüstungsindustrie zu werden, wurde nicht zuletzt in der Zusammensetzung des Treffens deutlich: neben Mitgliedern aus den Trägerorganisationen der Kampagne (Arbeitsgemeinschaft Dienste für den Frieden, Aktion Sühnezeichen-Friedensdienste, AGG, Christlicher Friedensdienst Eirene, Evangelische StudentInnengemeinde, AG "Gerechtigkeit und Frieden" der Franziskaner, Ohne Rüstung Leben, ÖIEW, Pax Christi, Versöhnungsbund) waren die BetriebsrätInnen von Daimler-Benz; die Anti-Apartheid-Bewegung, die "Kritischen Aktionäre" und andere vertreten.

Das erklärte Ziel der Planungsvorhaben für die Aktion "Entrüstet Daimler!" im Jahr 1990 ist es, durch Information der Bevölkerung, Dialog mit Parteien und Gewerkschaften und gewaltfreien Aktionen den politischen Druck auf Daimler-Benz und die Bundesregierung zu verstärken, damit Rüstungsexporte und -produktion gestoppt und die Umrüstung des Konzerns zu einem sozial und ökologisch sinnvollen Produzenten durchsetzbar wird:

Ansatz für die geplanten Aktionen ist eine "Image-Kampagne", die den Widerspruch zwischen dem" Image des "guten Stern auf allen Straßen" und den faktisch tödlichen Folgen der Daimler-Benz-Geschäftspolitik in vielen Ländern der Welt ins Bewußtsein rufen soll. Da Daimler-Benz auch in absehbarer Zukunft seine Gewinne in erster Linie durch den Verkauf von PKWs erzielen wird, ist der Konzernriese auf sein gutes Image angewiesen. Durch das Bekanntwerden der Rüstungsaktivitäten des Konzerns in der breiten Öffentlichkeit dürfte dieses Schaden erleiden.

Besondere Aufmerksamkeit von Seiten der Kampagne gilt dabei in Zukunft der - den neuen politischen Entwicklungen angepaßten – Image-Pflege des Konzerns: in jüngster Zeit versuchen sich die Konzernherren von Daimler-Benz, E. Reuter, und Deutscher Aerospace (DASA), J. E. Schrempp, als geradezu "konversionsfreudige" Sprachkünstler - und meine nichts anderes als eine jederzeit wieder umkehrbare Ausweitung der zivilen Produktionspalette im Sinne von Diversifikation, nicht aber eine Durchsetzung demokratischer Produktions- und Wirtschaftsstrukturen im Sinne einer "Produktion für das Leben", wie sie die Kampagne seit langem fordert: an einem solchen ökonomischen und politischen Umrüstungsprozeß, gerade in seiner regionalen Akzentsetzung, sind die betroffenen ArbeitnehmerInnen, ihre Gewerkschaften, die VertreterInnen der Kommunen ebenso zu beteiligen wie gesellschaftliche Gruppen und Organisationen, die z. B. für eine andere Verkehrs- und Umweltpolitik eintreten.

Daß solche Konversionsprojekte gerade für Daimler-Benz aufgrund der riesigen finanziellen und technischen Ressourcen realisierbar sind, und daß ihr Vorantreiben von größter gesellschaftspolitischer Wichtigkeit ist, wenn Abrüstung nicht zu größerer Arbeitslosigkeit führen soll, steht dabei außer Frage. Hier gilt es, eine Begriffsklärung des Schlüsselwortes "Konversion" in der politischen Diskussion voranzutreiben und herauszuarbeiten, welche Rahmenbedingungen notwendig sind, um einen Umrüstungsprozeß, einen Konversions-Stufenplan, in einer bestimmten Region durchzuführen.

Um dieser dringenden Aufgabe gerecht zu werden, hat sich im Auftrag der Kampagne auf dem diesjährigen Planungs- und Vernetzungsreffen eine bundesweite Arbeitsgruppe konstituiert, die die Diskussion und Kooperation mit WirtschaftsexpertInnen, BetriebsrätInnen, Gewerkschaften und bereits existierenden Arbeitsgruppen "Alternative Fertigung" suchen will.

Drei Vorhaben sind aus den hier dokumentierten Planungsvorhaben, die die Kampagnen unterstützt, mitträgt oder selbst durchführt, besonders hervorzuheben:

  • Die Zusammenarbeit mit den "Kritischen Aktionären" und der Anti-Apartheid-Bewegung auf der Hauptversammlung der Deutschen Bank in Essen (16. Mai) und der Hauptversammlung von Daimler-Benz in Stuttgart (4. Juli). Mit Redebeiträgen und Aktionen sollen Aktionäre und Öffentlichkeit auf die tödlichen Konsequenzen der Geschäftspolitik von Daimler-Benz aufmerksam gemacht werden.
  • Eine dezentrale "Info-Tour" durch die BRD im September-Oktober mit einem umgerüsteten Unimog soll, vor allem auch in der "Provinz", das Anliegen der Kampagne werbewirksam der Öffentlichkeit nahebringen und Gruppen, die Veranstaltung. zu "Entrüstet Daimler!" planen, unterstützen. 
  • eine bundesweite AktionDemo wird am 17. November 1990 in Stuttgart stattfinden, dem Sitz der Zentrale des DaimlerBenz-Konzerns.

Bei all diesen Vorhaben ist die Aktion "Entrüstet Daimler" auf ein breites Bündnis angewiesen. Die Zusammenarbeit verschiedener Gruppen und Richtungen der Neuen Sozialen Bewegungen, Gewerkschaften und Parteien erscheint sinnvoll, weil mit dieser Aktion zentrale politische Ziele miteinander verbunden werden: Frieden, Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung, Demokratisierung. So versteht sich die Aktion nicht zuletzt als Konkretisierung, Zuspitzung und sinnvolle Ergänzung von Initiativen wie z.B. der Kampagne "Bundesrepublik ohne Armee" (BoA) und anderen Entmilitarisierungs-Inititativen. Informationen, Materialien, ReferentInnen, Kampagnen-Infos zur Aktion "Entrüstet Daimler!" können beim Büro der Kampagne, Bahnhofstraße 18,6270 Idstein angefragt werden.

Christoph Diringer ist Mitarbeiter im Büro der Kampagne "Produzieren für das Leben - Rüstungsexporte stoppen".

 

Ausgabe

Rubrik

Initiativen

Themen

Christopher Diringer ist Theologe und Pädagoge. Er arbeitet als Bildungsrefe-rent beim OeD und hat als Mitglied des Leitungsteams die Kurse begleitet.