Erdöl aus dem Herzen Afrikas - der Tschad im Club der Ölproduzenten

von Martin Zint

Weitgehend unbemerkt von der deutschen Öffentlichkeit ist den USA ein vielversprechender geopolitischer Schachzug gelungen. Erdöl aus Zentralafrika fließt seit Oktober durch eine 1.050 Kilometer lange Pipeline an die Atlantikküste Kameruns. Die Tanker, auf die das Öl verladen wird, schippern mit ihrer kostbaren Fracht geradewegs über den Atlantik an ihre Bestimmungshäfen in den USA. Wer die bisherigen Tankerrouten durch das Mittelmeer oder das Rote Meer betrachtet, erkennt den enormen Vorteil dieser Route.

Zunächst wird über die neue Pipeline das Öl aus dem Doba-Becken im Süden des Tschad exportiert. Andere Felder weiter westlich und östlich, bis in den Sudan, werden derzeit exploriert. Auch ihr Öl kann später diesen bequemen Weg nehmen.

3,7 Milliarden US Dollar hat ein Konsortium aus ExxonMobil, Chevron und Petronas in die Pipeline und die Produktionsanlagen investiert. Es ist die derzeit größte Investition im subsaharischen Afrika. Konsortialführer ist ExxonMobil, unterstützt wird das Konsortium von der Weltbank. Die hofft, dass hier Öleinnahmen zur Armutsbekämpfung wirksam werden. Das wäre ein Erfolg für die Weltbankpolitik der Public-Privat-Partnership. Danach sieht es nach Lage der Dinge überhaupt nicht aus.

Kritiker der Weltbank sprechen von einem neuen Fall von "Corporate Welfare", Stütze für Konzerne. Die Tatsache, dass Geld der Weltbank in dem Projekt steckt, sichert das Projekt gegen politische Risiken ab. Nach einem Regierungswechsel im Tschad z.B. könnte sich eine neue Regierung mit einem Konzern durchaus anlegen. Das ist in der Vergangenheit mehrfach geschehen. Mit der Weltbank riskiert keine Regierung eines armen afrikanischen Landes den offenen Konflikt. So kommt eine alte Bankerregel zum tragen: niedrigeres Risiko = niedrigerer Zins. Das senkt die Finanzierungskosten des Projektes erheblich. Gegenleistung des Konzerns für diesen auch aus deutschen Steuergeldern finanzierten Service? Fehlanzeige.

Am 10. Oktober 2003 wurde die Ölförderung mit einem Staatsakt im Ölfördergebiet offiziell eröffnet. Ein breites Bündnis zivilgesellschaftlicher Gruppen im Tschad hatte für diesen Tag zu einem Tag der Trauer aufgerufen. Das Ziel der Armutsbekämpfung wird in diesem notleidenden Land auf absehbare Zeit nicht erreicht. Das haben Prüfer der Weltbank nach einer Klage von 300 direkt Betroffenen tschadischen Bürgern in ihrem Prüfbericht zum Projekt festgestellt. Sie seien geschockt, schrieben die eigentlich sehr nüchtern berichtenden Bankrevisoren, welch geringen Anteil an den Öleinnahmen der Tschad bekommt (http://wbln0018.worldbank.org/ipn/ipnweb.nsf). Während das Konsortium über die geplante Laufzeit von 20 - 30 Jahren mit Einnahmen von ca. US$ 20 Milliarden rechnen kann, wird die Regierung davon etwa US$ 1,2 Milliarden erhalten. Der Tschad gehört nicht zur OPEC.

Aber selbst die relativ geringen Öleinnahmen übersteigen die Absorbtionsfähigkeit der völlig desolaten Verwaltung des Landes, das bisher sehr bescheiden vom Baumwoll- und Rindfleischexport lebte. 500 Kilometer Teerstraßen auf einer Fläche, die etwa dreimal der Fläche Deutschlands entspricht, keine innerstaatliche Fluglinie, keine regelmäßige Versorgung auch nur der großen Städte mit Strom und Wasser, ein marodes Telefonnetz markieren die Infrastruktur eines Landes, das von seinen Regierenden seit vierzig Jahren mit Terror überzogen wurde.

Die vom Konsortium vorgelegten Planungen für den Fall von Ölunfällen werden von unabhängigen Experten als völlig ungenügend bezeichnet. Die Verladung des Öls vor der Küste Kameruns erfolgt über einen einwandigen Tanker, an den andere Tanker anlegen. Die Entschädigungen für Beeinträchtigungen durch die Bauarbeiten an Pipeline und Produktionsanlagen sind noch nicht abschließend geregelt. Ausgerechnet die Deutsche Gesellschaft für technische Zusammenarbeit/gtz, Eigentümer ist die Bundesregierung, hat von ESSO den Auftrag übernommen, einen wesentlichen Teil dieser Arbeit zu erledigen. Die Art und Weise, wie sie es tut, wird von lokalen Gruppen und ihren internationalen Unterstützern scharf kritisiert.

Auch Präsident Idriss Deby, der seit 1990 für eine gewisse Stabilität des Landes steht, konnte, oder wollte, nie das Phänomen der Unsicherheit im Land beseitigen. Nach Jahren des relativen Wohlverhaltens im Vorfeld der Ölförderung hat sich die Menschenrechtssituation im Land seit dem Beginn der Ölförderung dramatisch verschlechtert. Die Stimme der Menschenrechtsgruppen im Land, Radio FM Liberté, wurde zeitweise ohne Rechtsgrundlage geschlossen. Wenige Tage danach begann ein fragwürdiger Prozess um einen Mord im Öl-Milieu. Er endete nach zwei Verhandlungstagen mit Todesurteilen für vier Männer. Kenner der Szene sprachen von der "Regelung einer offenen Rechnung" mit Hilfe der Justiz. Diese vier und vier weitere Verurteilte wurden am 6.11.03 hingerichtet, die ersten offiziellen Hinrichtungen im Tschad seit über zehn Jahren. Gleichzeitig gab es eine Welle von Gewalt im ganzen Land. Die Nachrichtenagentur AFP zitierte einen Bürger der Hauptstadt N`Djamena mit dem Satz "Wir sind Leichname auf Bewährung!".

Weitere Infos: www.erdoel-tschad.de

Literaturtip: Brot für die Welt (Hg.): Wem gehört das schwarze Gold? Engagement für Frieden und Gerechtigkeit in der Auseinandersetzung mit dem Erdölprojekt Tschad-Kamerun, Erfahrungen eines internationalen Netzwerks, Brandes & Apsel, WeltThemen 4, Verfasst von Martin Petry, 224 S., Format 20,5 x 13,5 cm, Paperback, 14,90; ISBN 3-86099-785-8

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Krisen und Kriege
Martin Zint ist freier Journalist und Medienpädagoge mit den Themenschwwerpunkten Westafrika und Konfliktbearbeitung in den Medien.