Erklärung zum internationalen Tag der Menschenrechte

von Bund für Soziale Verteidigung (BSV)
Hintergrund
Hintergrund

Viel wird in diesen Tagen an die Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen vor fünfzig Jahren am 10. Dezember 1948 gedacht. Und in der Tat ist die Erklärung auch heute noch ein Dokument, das an Aktualität nur wenig verloren hat. Denn leider sind noch nicht alle der in der Erklärung postulierten Rechte umgesetzt, in vielen Ländern nicht einmal ansatzweise. Unser besonderer Dank gilt Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International, die sich seit Jahrzehnten darum bemühen, dass alle Menschen die ihnen zustehenden Rechte genießen können.

Sicherlich ist im Vergleich zu vielen anderen Staaten die politische Kultur in unserem Lande weit entwickelt und ein hohes Maß der Rechte und der Freiheiten entwickelt. Doch dürfen wir darüber nicht vergessen, dass wir durch Rüstungsexporte, Ausbildung von Soldaten und Polizisten für diktatorische Regimes und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit solchen Staaten oftmals indirekt an Menschenrechtsverletzungen, Krieg und Folter beteiligt sind. Der Schutz der Menschenrechte darf nicht nur als Bereich der Außenpolitik missverstanden werden. Auch in Deutschland gibt es besorgniserregende Entwicklungen, die Menschen- und Bürgerrechte zunehmend auszuhöhlen. An die Stelle einer vorgeblichen äußeren Bedrohung, der durch militärische Abschreckung zu begegnen sei, ist eine in großen Teilen genauso vorgebliche innere Bedrohung getreten, der durch Maßnahmen zur Schaffung "Innerer Sicherheit" begegnet werden soll. Das Schlagwort "Innere Sicherheit" beschäftigt seit etlichen Jahren nicht nur Boulevardpresse, Stammtische und Landtagswahlkämpfe, sondern wurde zur Begründung etlicher Gesetzesänderungen und neuer Gesetze der letzten Jahre herangezogen. Ihnen allen gemein ist, dass sie die Freiheitsrechte einschränken; einige von ihnen sind aus menschenrechtlicher Sicht äußerst problematisch. Viele Bürgerinnen und Bürger nehmen diese Aushöhlung der Grundrechte nicht so wahr, weil sie meinen, dass die Verschärfungen in ihrem Interesse geschähen und weil die unmittelbar Betroffenen nicht sie selbst, sondern vorrangig AusländerInnen, MigrantInnen und Randgruppen wie Obdachlose sind. Aber sobald einem Menschen sein Recht auf Selbstbestimmung, Freizügigkeit oder sogar auf Leben im Fall von Asylsuchenden bestritten wird, sind wir als Teil eines demokratischen Gemeinwesens alle gleichermaßen betroffen.
 

Als besonders besorgniserregend sehen wir Entwicklungen in folgenden Bereichen an:

1. Die Ausländer- und Asylgesetzgebung
Seit der Änderung des Asylrechts und der Umsetzung des Schengener Abkommens ist die Möglichkeit, in Deutschland Schutz vor politischer Verfolgung zu finden, weitgehend eingeschränkt. Drittstaatsregelung, Rückführungsabkommen, Erleichterung von Abschiebungen und von Ausweisungen (z.B. zwingend vorgeschrieben ausgerechnet bei einer gewöhnlich politisch motivierten Straftat wie Landfriedensbruch) führen dazu, dass Bedrohte Deutschland gar nicht mehr erreichen und in vielen anderen Fällen Gefährdete zurück in die Gefahr geschickt werden, aus der sie geflohen waren (Türkei, Algerien). Das Grundrecht auf Schutz des Lebens ist damit für Nicht-Deutsche weitgehend relativiert, obwohl es als Menschenrecht nicht an die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Staatswesen gebunden ist!

2. Die Ausweitung der polizeilichen Befugnisse
"Vorbeugender Gewahrsam", der "Große Lauschangriff", beschleunigte Strafverfahren und Hauptverhandlungshaft, die datenschutzmäßig unkontrollierbare Europol und verdachts- und anlassunabhängige Kontrollen sind durchweg aus bürgerrechtlicher Sicht bedenklich. Wir sehen hier aber nicht nur die Rechte auf Selbstbestimmung. Freizügigkeit und Unversehrtheit der Wohnung verletzt. De facto wird auch Rassismus zur Praxis gemacht: Die "verdachtsunabhängigen Kontrollen", die täglich z. B. in den Hauptbahnhöfen der Großstädte beobachtet werden können, richten sich regelmäßig gegen "ausländisch" aussehende, besonders gegen dunkelhäutige Menschen. Dabei sind auch schon mehrere Fälle von gewaltsamen Übergriffen und Misshandlungen (z. B. in Köln) bekannt geworden.

3. "Privatisierung" des öffentlichen Raumes und von "Sicherheit"
Immer mehr eigentlich öffentlicher Raum (z.B. die großen Einkaufszentren in den Vorstädten) werden zu privatem Raum gemacht; die Eigentümer beauftragen dann private Sicherheitsfirmen damit, in ihrem Sinne für "Ordnung" zu sorgen, was gewöhnlich heißt, dass Obdachlose, Punks und Bettler vertrieben werden. Auch der Staat gibt immer häufiger polizeiliche Aufgaben an private Dienste und "Hilfspolizisten" ab und gestattet nicht nur, sondern fördert oftmals die Entstehung privater "Bürgerwehren". Solche Privatisierungen sind äußerst bedenklich, weil diese Dienste oftmals mit nicht gründlich ausgebildetem Personal arbeiten, die dann eher gewalt-eskalierend als - deeskalierend wirken und weil sie nicht an rechtsstaatliche Grundsätze (Gleichheitsgrundsatz, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel etc.) gebunden sind. Wir leugnen und verharmlosen mit dem Gesagten nicht die Besorgnisse vieler Bürgerinnen und Bürger, Opfer von Gewalt zu werden, auch wenn wir darauf hinweisen möchten, dass Massenmedien diese Angst oftmals leichtfertig schüren, um Absatz- und Zuschauerzahlen zu erhöhen. Unser Anliegen ist vielmehr, aufzuklären und gewaltfreie Alternativen da ins Spiel zu bringen, wo reale Bedrohungen bestehen. Viele dieser gewaltfreien Alternativen gibt es schon und werden vielerorts praktiziert (z.B. Gewaltpräventionsprogramme in Stadtteilen, Erziehung zur Gewaltlosigkeit in Schulen, "Eingreifen statt Wegsehen" bei Gewaltvorkommnissen, gewaltfreie Nachbarschaftshilfe, Täter-Opfer-Ausgleich, Konfliktmediation). Sie reichen nur noch nicht aus. Was erforderlich ist, ist Informationstransfer über erfolgreiche Projekte von einer Kommune zur anderen und die Bereitstellung von finanziellen Fördermitteln durch Land und Bund für ihre Umsetzung. Wir fordern die PolitikerInnen in den Kommunen, den Ländern und dem Bund auf,

* alle angesprochenen Gesetze und Verfahren der
  "Inneren Sicherheit" zu überprüfen und rückgängig
  zu machen;

* liberale und menschenwürdige Regelungen für
  Asylsuchende und Bürgerkriegsflüchtlinge
  einzuführen (z.B. auch Anerkennung von gegen
  Frauen gerichtete Gewalt und
  Kriegsdienstverweigerung als Asylgründe;
  eigenständiges Bleiberecht für geschiedene Frauen;
  Bleiberecht für Opfer von Frauenhandel; keine
  Abschiebung in Krisen- und Kriegsgebiete),

* ein Niederlassungsrecht für AusländerInnen der
  zweiten und dritten Generation, das Ausweisung und
  Abschiebung unabhängig von der Annahme der
  deutschen Staatsbürgerschaft ausschließt,

* die Ursachen von Gewalt und Kriminalität an der
  Wurzel zu packen (Schaffung sozialer
  Gerechtigkeit) und gewaltfreien Prinzipien
  beruhende Projekte und Programme der Gewalt- und
  Kriminalitätsprävention zu entwickeln.

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