Außerordentliche Auseinandersetzung um die Thronfolge

Erstmals in ihrer 70-jährigen Firmengeschichte streiten Anteilseigner*innen von Heckler & Koch offen über Macht & Moneten

von Jürgen Grässlin

Dezember 2019 – eigentlich ein Grund für eine ausschweifende Firmenfeier. Denn siebzig Jahre zuvor gründeten Edmund Heckler, Theodor Koch und Alex Seidel die Heckler & Koch GmbH. Längst ist das Rüstungsunternehmen zu einem der weltweit führenden Hersteller von Kleinwaffen – Pistolen, Maschinenpistolen, Sturm- und Scharfschützengewehre – avanciert. Auf dem Oberndorfer Lindenhof, dort wo H&K seinen Stammsitz hat, wurden und werden bis heute abertausendfach Gewehre und Pistolen produziert und seit Jahrzehnten  in Krisen- und Kriegsgebiete der Welt exportiert – was die offizielle H&K-Firmenchronik wohlwissend verschweigt.

 

Auch die Opfer des weltweiten Einsatzes von Heckler & Koch-Waffen – Millionen getöteter, verstümmelter oder traumatisierter Menschen – spielen in der offiziellen Chronik von Heckler &Koch keinerlei Rolle. Sie werden schlichtweg totgeschwiegen.

 

Derlei Defizite beleuchtet die Analyse des GLOBAL NET – STOP THE ARMS TRADE (GN-STAT), siehe „Kritische Chronik der Heckler & Koch GmbH und der Heckler & Koch AG (1949 bis heute)“. Darin beleuchtet die GN-STAT-Website eine bei H&K höchst ungern vernommene Tatsache: „Die Heckler & Koch-Todesuhr tickt unerbittlich. Durchschnittlich alle 13 Minuten stirbt ein Mensch durch den Beschuss mit einer Kleinwaffe von Heckler.“

 

Heckler & Koch feiert 70 Jahre – doch der Hauptanteilseigner fehlt

Ungeachtet all dieser Folgen der H&K-Rüstungsexportpolitik feierte die Firma das Gründungsdatum. Vorstandschef Jens-Bodo Koch, Finanzvorstand Björn Krönert, der Oberndorfer Bürgermeister Hermann Acker und Betriebsratsvorsitzender Manfred Haag schnitten gemeinsam die Geburtstagstorte an.

Acker präsentierte sich einmal mehr als treuer Sympathisant des „Weltmarktführers“, schließlich wollte er „das Unternehmen nicht auf der Liste der Gewerbesteuerzahler der Stadt missen“. Deutlicher kann ein Politiker kaum ausdrücken, wie sehr ihm monetäre Einnahmen vor Moral und Menschenrechten gehen.

Im Veranstaltungsbericht offenbarte der Schwarzwälder Bote einen Blick hinter die Kulissen: „Kein Wort wurde in den Reden über den anstehenden Verkauf der Aktienmehrheit verloren. Noch-Hauptanteilseigner Andreas Heeschen war unter den Gästen nicht auszumachen.“ Dafür „gab es warme Dankesworte vom Aufsichtsratsvorsitzenden der H & K AG, General a. D. Harald Kujat“. Was für eine Feier, wenn der größte Anteilseigener erst gar nicht anreist und der Aufsichtsratsvorsitzende, der kurz zuvor seiner Abwahl entgangen ist, selbstgefällige Worte wählen muss.

 

Wahrlich außerordentlich – die aktuelle H&K-Hauptversammlung

Wenig überraschend, dass das Unternehmen verspätet und gerade mal in lokalem Rahmen ein rundes Jubiläum feierte. Denn in den Wochen zuvor hatten sich knallharte Grabenkämpfe auf der Führungsebene des Unternehmens zugetragen.

Nach einem missratenden Geschäftsjahr 2019 ertönte der erste Paukenschlag Mitte November. Zu einer Zeit, da das Bundeswirtschaftsministerium den möglichen Unternehmensverkauf der H&K AG prüfte und der Bundesnachrichtendienst ermittelte. National wie international berichteten Medien seit Monaten über unklare Besitzverhältnisse und den drohenden Verkauf des führenden deutschen Kleinwaffenherstellers und -exporteurs, an dubiose Kaufinteressenten.

In „diesen wohl schlimmsten Chaostagen“ berief Heckler & Koch AG für den 19. Dezember eine außerordentliche Hauptversammlung (HV) im Rottweiler „Badhaus“ ein, so meine Analyse für die Kritischen Aktionär*innen H&K. In deren Namen forderte ich in meinem Gegenantrag, dass die „bisherige Vergütung der Mitglieder des Aufsichtsrats entfällt mit Wirkung ab dem Geschäftsjahr 2019“. Zündstoff genug für eine hochbrisante Hauptversammlung.

Der zweite Paukenschlag ereignete sich gleichsam vor der Hauptversammlung. In einem HV-Antrag positionierte sich die Luxemburger Compagnie de Développement De L’Eau S.A. (CDE) mit einer sensationellen Forderung: Die Aufsichtsräte Harald Kujat, Vorsitzender, und Martin Heiner Sorg, Mitglied, müssten aus dem Kontrollgremium der Oberndorfer Waffenschmiede abberufen werden. Beide werden der Heeschen-Fraktion zugerechnet.

Offen wie nie zuvor regte sich Widerstand gegen die Heeschen-Getreuen. Dabei zogen Akteur*innen der CDE die Strippen. Nicolas Walewski und Gérard Lussan. Walewski managt von der britischen Metropole London den milliardenschweren Alken-Fonds. Lussan ist Direktor der Concorde Bank in der Steueroase Barbados.

 

Bad Vibrations im Badhaus

19. Dezember 2019. Vor dem „Badhaus“ bauten Michael Schulze von Glasser und Benno Malte Fuchs, zwei weitgereiste Aktivist*innen der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) den „Eisernen Waffenthron“ auf. Im Auftrag der Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ entwickelt von Studierenden der Fakultät Gestaltung der HAWK in Hildesheim nach der Fantasyserie. Auf dem mit Gewehren gespickten Thron residiert der Tod höchstpersönlich mit einem profitabel vergoldeten G36-Sturmgewehr von Heckler & Koch vor der H&K-Hauptversammlung.

Professionell koordiniert hatte die Gegenaktion und die Redebeiträge diesmal Tilman Massa von den Kritischen Aktionär*innen in Köln. Mit von der Partie waren auch Aktivist*innen örtlicher Friedensgruppen, von Pax Christi, Ohne Rüstung Leben, Greenpeace, Aktion Aufschrei, IPPNW, RüstungsInformationsBüro und DFG-VK – allesamt aktiv bei den Kritischen Aktionär*innen Heckler & Koch.

Zwei kontroverse Themenblöcke prägten diese Hauptversammlung: Da waren zum einen Reden und Fragen von uns Kritischen Aktionär*innen gemäß dem Motto: „Egal wer auf dem Thron sitzt: Waffenexporte stoppen!“. Wir erkannten die Gefahr, dass die bisherige „Grüne-Länder-Strategie“, der zufolge Kriegswaffen ausschließlich an NATO-, NATO-assoziierte und EU-Staaten geliefert werden dürfen, aufgeweicht werden würde.

Zum anderen tobte die Auseinandersetzung um den Verkauf des gewaltigen Aktienpakets von Hauptgesellschafter Andreas Heeschen. Dessen Anteile sollten an Walewskis CDE gehen. Diese wehrte sich vehement gegen die von Heeschen intendierte Besetzung des Aufsichtsrats mit Kujat und Sorg.

Dagegen stand die Fraktion um Heeschen, der einmal mehr nicht persönlich in Erscheinung trat. Und das obwohl die außerordentliche Hauptversammlung von ihm mit dem Ziel einberufen worden war, sich selbst in den Aufsichtsrat wählen zu lassen. Wer geglaubt hatte, Heeschen und Walewski seien befreundet, sah sich spätestens mit dieser Hauptversammlung eines Besseren belehrt.

 

Panama Papers: Die dubiose Barbados-Malta-Kaimaninseln-H&K-Connection

Aufsehen erregten von Greenpeace zur außerordentlichen Hauptversammlung publizierte Recherchen. Demnach ist die CDE über personelle Verflechtungen in ein Netz von Offshore-Firmen eingebunden. Treuhänder für Walewskis Privatvermögen ist der Anwalt Gérard Lussan, Geschäftsführer einer Bank mit Sitz auf  Barbados in der Karibik. Lussans Name findet sich in den Panama Papers zu Strategien der Steuervermeidung für äußerst Vermögende. Laut Greenpeace-Sprecher Fabian Schwalm führen die Spuren zu Firmen auf den Britischen Jungferninseln, den Kaimaninseln und nach Malta. Zu Recht monierte Schwalm, dass nicht klar erkennbar sei, wer sich in Wirklichkeit hinter CDE verberge.

 

Quo vadis Heckler & Koch?

Wer hat zukünftig das Sagen bei Deutschlands führendem Kleinwaffenproduzenten und -exporteur? Welchen Kurs nimmt das Unternehmen unter seinen neuen Besitzern? Wird die „Grüne-Länder-Strategie“ weiter ausgehöhlt? Was passiert, wenn CDE (und die Strippenzieher dahinter) H&K übernehmenund dann den hemmungslosen Export von Kleinwaffen und Rüstungstechnologie in die Krisen- und Kriegsgebiete in aller Welt forcieren?

 

Weitere Informationen

www.gn-stat.org, www.rib-ev.de, www.aufschrei-waffenhandel.de, www.dfg-vk.de und www.juergengraesslin.com

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Hintergrund
Jürgen Grässlin ist Sprecher der Kampagne »Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!«, Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), Sprecher der Kritischen AktionärInnen Daimler (KAD) und Vorsitzender des RüstungsInformationsBüros (RIB e.V.).