Bundeswehrausgaben

Es geht nicht um Verteidigung. Es geht ums Geschäft!

von Otmar Steinbicker
Hintergrund
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Die Bundeswehr wird im laufenden Jahr fünf Milliarden Euro mehr ausgeben als 2018. Das meldete die Bundesregierung kürzlich der NATO und bezeichnete es stolz als „Rekord“. Einen solchen Anstieg habe es seit dem Ende des Kalten Krieges nicht mehr gegeben. Insgesamt rechnet die Regierung mit NATO-relevanten Ausgaben in Höhe von 47 Milliarden Euro. Das entspricht einem Anteil am Bruttoinlandsprodukt in Höhe von 1,35 Prozent.

Das wird US-Präsident Donald Trump mit Sicherheit nicht genug sein. Er besteht darauf, dass spätestens 2024 alle NATO-Staaten mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgeben. Aber geht es ihm wirklich um „Verteidigung“? Diese Frage lässt sich deutlich verneinen.

Mitte Mai verlangte die US-Regierung in einem Brief an die EU-Staaten, dass sie ihre bisherigen Pläne zum Aufbau einer europäischen Verteidigungsunion gefälligst zu ändern haben, da diese eine Beteiligung von US-Unternehmen an Rüstungsprojekten erheblich erschweren oder sogar ausschließen könnten. Gehorche die EU nicht, so könnten die USA ihrerseits europäischen Unternehmen den Zugang zum amerikanischen Rüstungsmarkt erschweren.

Es geht also ums Geschäft, nicht um Verteidigung! Das wird allerdings nicht nur von den USA so gesehen, sondern auch von den EU-Staaten. Wer das im Sommer 2016 (ein halbes Jahr vor der Wahl Trumps) erschienene Weißbuch der Bundeswehr gründlich gelesen hatte, dem waren die deutlichen Passagen zur Stärkung der europäischen Rüstungsindustrie und auch zur Stärkung des europäischen Rüstungsexports aufgefallen, was auch als Abkoppelung von den USA interpretiert werden konnte.

Dass das lukrative Rüstungsgeschäft weltweit boomt, zeigen auch die Ende April vom Stockholmer Friedensforschungsinstituts (SIPRI) veröffentlichten Zahlen. Danach stiegen die weltweiten Militärausgaben 2018 um 2,6 Prozent auf schätzungsweise rund 1,82 Billionen Dollar (1,64 Billionen Euro). Danach bleiben die USA Spitzenreiter mit knapp 649 Milliarden Dollar (583 Milliarden Euro). Das sind 36 Prozent der weltweiten Militärausgaben und fast so viel wie die der acht darauffolgenden Länder zusammengerechnet. An zweiter Stelle liegt China gefolgt von Saudi-Arabien, einem Großkunden auch deutscher Rüstungskonzerne. An vierter und fünfter Stelle liegen Indien und Frankreich. Russland ist wegen wirtschaftlicher Probleme auf Rang sechs zurückgefallen, gefolgt von Großbritannien, Deutschland, Japan und Südkorea.

Wie die SIPRI-Zahlen weiter zeigen, gaben allein die wichtigsten europäischen NATO-Mitglieder Frankreich, Deutschland und Italien mit 141,1 Milliarden Dollar mehr als das Doppelte für Rüstung aus als Russland. Dass Russland unter diesen Umständen bei aller Problematik seiner Außen- und Militärpolitik keinen Krieg gegen die NATO führen kann, lässt sich an weniger als drei Fingern abzählen. Eher dürfte es geneigt sein, konstruktiv auf ernsthafte Rüstungsbegrenzungs- und Abrüstungsvorschläge des Westens einzugehen, zumindest so weit, wie seine eigenen Rüstungsexporte dadurch nicht gefährdet werden. Auch Russland geht es da wie den EU-Staaten und den USA vor allem ums Geschäft.

Der Ansatz der NATO, die Rüstungsausgaben der einzelnen Staaten an das Bruttoinlandsprodukt zu koppeln, ist sicherlich aus der Not geboren, dass ein ernsthaftes und überzeugendes Bedrohungsszenario, das hohe Rüstungsausgaben begründen könnte, nicht zu erstellen ist. Er birgt allerdings auch das Risiko, dass in wirtschaftlichen Schwächeperioden dieser Logik folgend die Rüstungsausgaben heruntergefahren und womöglich noch geplante Großprojekte eingefroren werden müssten. Doch dann würde die NATO wohl wieder eher den Ansatz ändern.

Wer statt des Rüstungsgeschäfts Sicherheit will, muss Bedrohungen reduzieren. Das gelingt nicht mit mehr Rüstung, sondern nur mit weniger – allerdings auf allen Seiten. Diese Erkenntnis war vor 30 Jahren in der Endphase des Kalten Krieges international wesentlich verbreiteter als heute und ermöglichte zumindest zeitweise einschneidende Abrüstungsschritte.

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Otmar Steinbicker ist Redakteur des FriedensForums und von aixpaix.de