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Es tut sich was! Bündnis zur Rettung der Ozonschicht
vonAn die regelmäßigen Nachrichten vom wachsenden Ozonloch und einer dramatisch fortschreitenden Ausdünnung der Ozonschicht insgesamt (nun auch über Deutschland) haben wir uns beinahe schon so gewöhnt wie an den Wetterbericht. Es ist verwunderlich und erschreckend zugleich, daß sich gegen eine der drängendsten Gefahren bis jetzt kaum nennenswerter Widerstand regte. Folgende Gründe scheinen mir dafür ausschlaggebend:
1. Die "ökologische Auszeit insgesamt: Die fortschreitende ökologische Zerstörung ist kaum noch Thema. Sie wird propagandistisch zugekleistert, und die Menschen in den sozialen Bewegungen müssen sich zurzeit mit anderen innenpolitisch erzeugten Problemen (z.B. der Gewalt von rechts) auseinandersetzen. So verlieren wir wertvolle Zeit.
2. Bei einem guten Teil der "Linken" ist Ökologie ohnehin im Verdacht, eher Thema reformistischer oder sogar reaktionärer Kräfte zu sein. Das ist eine gefährliche Kurzsichtigkeit. Die Bewältigung der ökologischen Probleme wird über kurz oder lang alle Politikfelder betreffen und ist Voraussetzung für die Erhaltung von Demokratie genauso wie für die Durchsetzung gerechter Nord-Süd-Beziehungen.
3. Beim speziellen Problem der Ozonschichtzerstörung kommt noch eine besondere Art von Resignation dazu: Wegen der berühmten Langzeitwirkung der Ozonkiller (sie beginnen ihr Zerstörungswerk erst 10 - 20 Jahre nach ihrer Freisetzung) gehen viele davon aus, daß wir jetzt ohnehin nur noch abwarten können - ein fataler Irrtum!
4. Die Folgen der Ozonschichtausdünnung werden schlicht verharmlost. Es geht nicht einfach nur um den Hautkrebs, gegen den wir uns mit Sonnenschutzfaktor 20 schützen könnten; es geht nicht einmal nur um die Schwächung unseres Immunsystems, nein: Es geht um schwere Beeinträchtigungen des gesamten tierischen und pflanzlichen Lebens.
Dabei standen die Chancen, etwas zu erreichen, zunächst nicht schlecht: In ausnahmslos allen Anwendungsbereichen gibt es praktikable, umweltverträgliche Alternativen; es geht um eine relativ kleine, überschaubare Produktgruppe und es geht weltweit um eine Handvoll Firmen; der Produktionsausstieg hätte keinerlei volkswirtschaftliche Konsequenzen, und er wäre politisch völlig unkompliziert per Gesetz zu erreichen. Wir haben es hier mit einem Zynismus besonderer Art zu tun: Die ozonschichtzerstörende Wirkung der meisten betreffenden Stoffe ist seit über 20 Jahren bekannt. Es geht offensichtlich nur darum, an einem Abfallprodukt der Chlorchemie weiterzuverdienen, solange es eben geht.
Anfang dieses Jahres ist es erstmals gelungen, ein breites "Bündnis zur Rettung der Ozonschicht" zu schaffen. Viele kleine lokale Initiativen wirken darin ebenso mit wie renommierte Organisationen (Robin Wood, BUND, Die Grünen, usw.). Die Initiative ging von Pax Christi aus. Vom 5. April bis zum 1. Mai fanden bundesweite Aktionswochen statt. Dezentrale Aktionen in der Verantwortung der jeweiligen Gruppen hatten als gemeinsamen Bezugspunkt die politischen Forderungen des "Göttinger Appells". Inhaltlich ist in diesem gemeinsamen, an Bundeskrebshilfeminister Töpfer gerichteten Aufruf folgendes wichtig:
1. In den Köpfen vieler Menschen wird das Ozonloch immer noch ausschließlich mit den FCKWs in Verbindung gebracht. Das ist ein gefährlicher Kurzschuss. Es ist jetzt schon abzusehen, daß Töpfer im Wahljahr 1994 einen längst überfälligen Ausstieg aus den harten FCKW propagandistisch gut verkauft. Als "Ersatz" werden von Töpfer und den entsprechenden Firmen die teilhalogenierten FCKW (H-FCKW) angepriesen, die ebenfalls - wenn auch nicht im selben Maße - die Ozonschicht zerstören. Der "Göttinger Appell" fordert dagegen den Sofortausstieg aus Produktion und Anwendung aller Ozonkiller, da es für alle Bereiche Alternativen gibt. Einige der Ozonkiller sind kaum noch im öffentlichen Bewußtsein. So etwa das Pestizid Methylbromid (man verwendet es hauptsätzlich zur Schädlingsbekämpfung in Getreidesilos), das zu etwa 5 - 10 % zur Zerstörung der Ozonschicht beiträgt.
Ozonkiller finden sich übrigens auch in Alltagsprodukten, in denen sie von den meisten Menschen gar nicht vermutet werden, so etwa in Sportschuhen (als Aufschäummittel), in Surfbrettern, usw.
2. Wir wollen den verhängnisvollen Mythos zerstören, daß wir jetzt ohnehin nichts mehr machen können. Wir haben es durchaus noch in der Hand, die Wirkung der bereits freigesetzten Ozonkiller zu beeinflussen. Die von Flugzeugen emittierten Stickoxyde zum Beispiel steigern die aggressive Wirkung der Ozonkiller. Deshalb sind wichtige Forderungen des "Göttinger Appells" die Reduzierung des Fernflugverkehrs durch eine Treibstoffabgabe und ein Verbot von Kurzstreckenflügen. Es gibt übrigens einen viel zu wenig bekannten engen Zusammenhang zwischen dem Treibhauseffekt und dem Ozonloch: Einerseits tragen die Ozonkiller mit etwa 20 % zum Treibhauseffekt bei, und andererseits verstärkt und beschleunigt die Erderwärmung die aggressive Wirkung der Ozonkiller. Diese "positive Rückkopplung" gilt es zu durchbrechen.
Wie geht es nach den Aktionswochen weiter? Zunächst werden die Gruppen mit dem "Göttinger Appell" weiterarbeiten. Er kann massenhaft bezogen werden bei: DIE GRÜNEN, Versand, Heerstr. 172, 5300 Bonn 1, Te.: 0228/63 92 55. Die Idee ist, daß nicht in erster Einzelpersonen, sondern Initiativen, Verbände, Gremien aller Art den "Göttinger Appell" unterzeichnen, von Kirchengemeinden über AStAs bis zu Betriebsräten. Davon versprechen wir uns einen Politisierungsprozess auf möglichst vielen Ebenen und ein entsprechendes Signal an den Bundeskrebshilfeminister.
Nach der Sommerpause wird ein Ratschlag der beteiligten Gruppen des Bündnisses stattfinden. Ziel ist, für das Mammutwahljahr 1994 eine Kampagne auf die Beine zu stellen, die wieder viele dezentrale Aktionsmöglichkeiten mit gemeinsamen, bundesweiten Elementen verbindet. Es zeichnet sich jetzt schon ab, daß diese Kampagne wegen der engen Zusammenhänge thematisch ausgeweitet wird auf Ozonloch und Klima. Eine Großdemo in Bonn im Vorfeld der Bundestagswahlen wird wahrscheinlich ein Element der Kampagne sein.
Ökologie muß wieder ganz vorne auf die Tagesordnung. Wenn wir uns dabei auf das derzeit drängendste Einzelproblem konzentrieren, dann sind wir uns dessen bewusst, daß es letztlich nur um den Umbau der Industriegesellschaft insgesamt gehen kann. So kämpfen wir zunächst um das Verbot der Ozonkiller, aber mit der Perspektive, mittelfristig einen Ausstieg aus der Chlorchemie insgesamt zu erreichen. Das Aufgreifen einiger überschaubarer, gut nachvollziehbarer Forderungen soll die alles entscheidende Frage unserer Zivilisation wieder politikfähig machen.