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Europäisches Friedenstreffen in Potsdam
vonAnders Hellebust, Friedensforscher aus Norwegen, und Professor Tair Tairov aus der Sowjetunion, Sprecher der Civic Peace Coalition, führten in die Diskussion ein. Neue Institutionen für Europa und die besonderen Beziehungen der Europäerinnen zur Sowjetunion, das waren auch die wesentlichen Fragestellungen dieses Wochenendes in Potsdam.
In Arbeitsgruppen wurden dann Aufgaben und Strukturen einer gesamteuropÄischen Friedensordnung, Ansätze und Perspektiven einer Demilitarisierung Europas und die Konversion mit ziviler Perspektive, sowie die Akzeptanz eines multikulturellen Lebens in einem zivilen Europa in der Solidarität mit den Völkern der "Dritten Welt" diskutiert.
Durch alle Diskussionen zog sich die Frage nach der kÜnftigeAufgabe der Friedensbewegung bei der Durchsetzung einer europäischen Friedensordnung. Außerparlamentarische Initiativen und das Selbstverständnis von Nichtregierungs-Organisationen bedürfen nach den Veränderungen in Osteuropa einer Neubestimmung. Dort, wo die außerparlamentarische Opposition Regierungsverantwortung übernimmt, tun sich zwar neue Möglichkeiten auf, zugleich verändert sich aber das Wesen der bisherigen Druckerzeugung von unten.
Eine wesentlich größere Rolle bei der europäischen Integration und damit auch ein bestimmender Faktor für die zukünftige Gestaltung einer europäischen Ordnung wird der Europäischen Gemeinschaft als z.b. der KSZE eingeräumt. Das Fehlen jeglicher demokratischen Kontrolle der EG z.B. durch eine demokratische europäische Verfassung ist eine schwere Hypothek für die Entwicklung einer Friedenskultur in Europa. In Skandinavien ist die wachsende Sogwirkung des gemeinsamen Marktes ab 1992 auch für Nicht-Mitglieder der EG erkannt worden. Soziale Bewegungen und Gewerkschaften dort wollen sich deshalb verstärkt um die damit verbundenen Herausforderungen kümmern. Ein wesentlicher Beitrag von sozialen Bewegungen sollte vor allem darin liegen, im neuen Europa wirtschaftlicher Hegemonie den Schutz von Minderheiten in Europa zu organisieren und zu verhindern, da· Europa durch eine neue Armutsgrenze gespalten bleibt.
Es ergaben sich eine ganze Reihe von Vorschlägen:
Wichtiger als großangelegte Konferenzen erschien allen Beteiligten die Organisation arbeitsfähiger, regionaler Seminare und Gespräche, über die man den Kontakt von Basisgruppen untereinander vertiefen kann:
Deutsch-polnische und polnisch-ukrainische Friedenstreffen im grenznahen Bereich, deutsch-tschechoslowakische Arbeitstreffen. Auf der END-Convention in Moskau im Juli nächsten Jahres soll die Rolle der Minderheiten in Europa und die endgültige Beseitigung aller Atomwaffen in Europa im Mittelpunkt stehen.
Veranstaltungen aus Anlass· des 50. Jahrestages des Überfalls deutscher Truppen auf die Sowjetunion im Juni 1941 können im westlichen Teil der Sowjetunion stattfinden. Projekte zur Demilitarisierung werden sich vor allem mit Problemen an Truppenstandorten befassen. Friedensgruppen in der ehemaligen DDR werden sich um sowjetische Soldaten und ihren Angehörigen, deren soziale Lage extrem schwierig ist, kümmern.
Natürlich spielte der drohende Krieg im Golf in der Diskussion eine Rolle. Der Vorschlag verschiedener Friedensgruppen, VertreterInnen nach Bagdad zu entsenden, wurde positiv aufgenommen. ParlamentarierInnen in den verschiedenen europäischen Ländern sollen aufgefordert werden, sich diesen Initiativen anzuschließen.
Konkrete Absprachen gab es zum Beispiel darüber, da· angesichts der bevorstehenden Atomtest-Stopp-Konferenz in New York verschiedene europäische Organisationen gemeinsam einen Aufruf in der "New York Times" veröffentlichen. Diese Zeitungsanzeige soll in der ersten Januarwoche 1991 erscheinen. Verabredet wurde außerdem eine Rundreise einer 8-köpfigen Delegation der polnischen Friedenskoaltion durch Deutschland im Dezember. Ebenfalls wurde verabredet, das Deserteursdenkmal, das zur Zeit in Potsdam Asyl gefunden hat, im nächsten Jahr nach Warschau und Moskau zu schicken.
Insgesamt war es ein Treffen, das mehr Zeit für konkrete Verabredungen bot als manche Großveranstaltung vergangener Jahre. Die TeilnehmerInnen hatten Gelegenheit, an dem zeitgleich stattfindenden One-World-Forum im Schloss· Cicilienhof in Potsdam teilzunehmen und die Einweihungszeremonie einer buddhistischen Friedenspagode bei den ehemaligen Grenzanlagen Potsdams zu erleben und dies mit den historischen Daten des 9. November 1990 zu verbinden: den anti-jüdischen Pogromen in Deutschland vor 52 Jahren und dem Fall der Mauer am 9. November 1989.