Feministische Theologie -.was ist das eigentlich?

von Magdalene Bußmann
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I. Zur Feministischen Theologie
Feministische Theologie kann – von ihren Entstehungsbedingungen und ihrer ursprünglichen Intention her- beschrieben werden als politische, als praktische, als befreiende, als kritische, als zornig- engagierte Theologie. Sie hat ihren Ursprung in den USA und artikulierte sich in den 60er/ 70er Jahren: Mit dem Blühen des Wirtschaftswunders versuchten die gesellschaftlich und politisch arrivierten Männer, Frauen auf „typisch weibliche“ Rollen und Aufgaben zurückzudrängen- im Gegensatz zu der Zeit nach dem 2. Weltkrieg, in der Frauen und Männer in gleicher Weise herausgefordert und beansprucht waren.

Frauen wollen sich aber nicht einseitig auf den häuslichen Bereich zurückweichen lassen und sie erfuhren ihre Ohnmacht, ihre eigenen Rechte wirksam reklamieren zu können. Sie erfuhren, daß sie als notwendiges „Reservepotential“ fehlende Männer höchstens ersetzen konnten. Die Erfahrung der Fremdbestimmung, der Zweitrangigkeit und Ohnmacht teilten sie mit anderen Randgruppen in den USA und Apelle von Frauen an die Kirchen, sich wirksam gegen Diskriminierung, Unrecht, Gewalt, Krieg  … aber für die Unterdrückten einzusetzen, verhalten wirkungslos. Frauen machten die Erfahrung, daß die Kirchenväter eher bereit waren, sich auf die Seite der Mächtigen zu schlagen, anstatt sich zu engagieren für Frieden, Gerechtigkeit, Menschenrechte.

Feministische Theologie versucht nun, ausgehend von konkreten politisch-gesellschaftlichen Situationen, Unrechtsstrukturen, Unterdrückungs- und Herrschaftszwänge aufzusteigen und diese als der Botschaft Jesu widersprechend anzuprangern und abzuschaffen. Sie liegt also nicht ein „fertiges“ theologisches Konzept vor.

Subjekte Feministischer Theologie sind also ursprünglich Frauen, die beeinflußt von der gesellschaftlichen Frauenbewegung, erkannten und erlebten, daß auch in Theologieund Kirche Unrechtsstrukturen und Unterdrückungsmechanismen herrschen. Frauen versuchen, Möglichkeiten zu schaffen, in denen sie als gleichberechtigte Menschen ihre religiöse Identität erfahren, deuten und benennen können. Feministische Theologie ist daher eine notwendige Ergänzung zur traditionellen universitären Männertheologie, in der bislang ein Subjektwerden von Frauen nicht möglich ist.
Feministische Theologie will die Befreiung aller Menschen- von Frauen und Männern- aus Unterdrückungs- und Unmündigkeitszusammenhängen erreichen. Sie ist daher „Prozeßtheologie“, die ihren Anspruch ständig an der Praxis überprüfen, korrigieren und neu formulieren muß. Von daher kann es die Feministische Theologie nicht geben, da sie jeweils bezogen ist auf Erfahrungskontext und konkrete Praxis.

II. Zum Anliegen Feministischer Theologie
Die Rede von Gott ist bislang immer in männlichen Bildern und Metaphern erfolgt, obwohl in der Hl. Schrift Hinweise zu finden sind, die von Gott in männlichen und weiblichen Bildern reden, die also die weiblich/ männlichen Zügen Gottes aufleuchten lassen.

Frauen versuchen, ausgehend von ihrer religiösen Erfahrung; zu einem neuen; eigenen Gottesbild zu finden, in dem auch sie ihre religiöse Identität finden bzw. diese wiedergewinnen können, Konsequenzen; die ein neues Gottesbild für menschliche Partnerschaft, Autonomie haben könnte, können nur angedeutet werden: Väterlichkeit/Mütterlichkeit, Mannsein/ Frausein, Partnerschaft, auch religiöse Vorstellungen wie Dreifaltigkeit, Sakramente, Ursprung und Vollendung des Lebens erhalten einen qualitativ anderen, integrierteren und humaneren Stellenwert.

Wenn die christliche Religion die Menschwerdung aller Menschen ermöglichen soll; dann muß die religiöse Sprache derart sein, daß Frauen und Männern eigene, personale Transzendenzerfahrungen ermöglicht werden, daß auch weibliche Erfahrungen und Deutungen in die religiöse Sprache integriert werden.

Dann müssen Bilder, Symbole, religiöse Sprache bislang einseitig männlich · orientiert. - neu erfahrbar, deutbar - und benennbar werden.

Besonders Frauen müssen neu mit der „alten“ Bibel umgehen und diese auf die „unter der Oberfläche“ liegende Frauentradition untersuchen.

Die befreiende Botschaft Jesu an und für alle Menschen muß abgesetzt werden von den patriarchalischen Entstehungsbedingungen und es muß deutlich werden- in Theorie und Praxis-, daß Jesus alle Menschen als gleichwertige Partner(innen) in seine Gemeinschaft beruft, daß er keine „Hierarchie“ (heilige Herrschaft) von Männern über andere Menschen durch seine Botschaft und sein Leben begründete.

Die Kirche - für Frauen oft als „Verein“ von Männern und Brüdern erfahrbar - könnte Symbol für alle Menschen werden, die glauben, daß sie eine Heilsbotschaft zu verkünden haben. Sie könnte zum Protest-Zeichen werden, indem sie sich gegen alle Formen der Unfreiheit und Unterdrückung- auch in den eigenen Reihen- wendet, zum Hoffnungszeichen, indem sie sich in einer bedingungslosen Liebe und·Solidarität allen Menschen zuwendet.

Feministische Theologie wäre dann im wahrsten Sinne des Wortes „ökumenische Theologie“, deren primäres Ziel es ist, das Reich Gottes für alle Menschen in Friede, Liebe, Gerechtigkeiten anzuzeigen; Die Kirchen bzw. die Christen/Christinnen müßten dann eine Parteilichkeit artikulieren, die der Jesu vergleichbar wäre. Opportunistische Anpassung an bestimmte politische bzw. gesellschaftliche Systeme wäre damit unmöglich. Durch solch ein eindeutiges Engagement bekämen die konfessionellen „Gegensätze“ einen eher sekundären Stellenwert.

III. Zum gesellschaftlichen Kontext Feministischer Theologie
Feministische Theologie muß in Bezug stehen zur Frauenbewegung im politisch-gesellschaftlichen Kontext, will sie sich nicht selbst getthoisieren und u.U. realitätsblind werden.

Anfragen und Ergebnisse der Humanwissenschaften müssen aufgegriffen werden, wenn der Anspruch, heute Menschwerden des Menschen zu ermöglichen, auch unter den Bedingungen der Gegenwart erfolgen soll.

Eine Änderung der gesellschaftlich/ kirchlichen Inferiorität (Minderbewertung) der Frauen ist nur ermöglich in Solidarität zwischen Frauen und Männern. Bestehende männlich/- weibliche Rollenklischees, Verhaltensweisen, Typisierungen können daraufhin entlarvt werden, daß sie sowohl Frauen als auch Männer unterdrücken und unfrei machen, bestimmte Stereotype festschreiben und autonomes, partnerschaftliches Menschsein unmöglich machen.

Die- im weitesten Sinne- politische Dimension der Feministischen Theologie kann nur ausgedeutet werden: Aus einem neuen Menschen- und Weltverständnis (der Mensch= Mann ist nicht Beherrscher aller Menschen und Dinge) würden Impulse für die Friedensbewegung, für einen neuen Umgang mit der alten Erde, für einen weniger einseitigen Wissenschaftsbegriff … freigesetzt werden können.

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Magdalene Bußmann ist Theologin und lange Zeit in der Initiative Kirche von unten mitgewirkt.