Finanzamt Aachen pfändet katholische Friedensbewegung

von Heinz Wagner

Schöne Bescherung - die Friedensbewegung hat Besuch bekommen, der Gerichtsvollzieher war da. Genauer gesagt: Das Finanzamt Aachen hat das Konto des "Vereins zur Förderung der Friedensarbeit von Pax Christi e.V.“gepfändet, nachdem vorhergegangene·Mahnungen erfolglos waren. Darüber informierte der Vorstand des Fördervereins Presse und Öffentlichkeit. Ein alltäglicher Vorgang - diesmal nicht, denn ungewöhnlich ist der Anlaß.

Zwei Angestellte, die bei dem Förderverein der katholischen Friedensbewegung beschäftigt sind, sehen sich durch die derzeitige Militärpolitik der Bundesrepublik in ihrem Gewissen so sehr belastet, daß sie diese nicht mehr mit ihren Steuergeldern mitfinanzieren wollen. Alle diesbezüglichen Eingaben bei den zuständigen Finanzbehörden wurden jedoch abschlägig beschieden. Die Finanzämter sahen keine Möglichkeit, daß die Pax Christi-Angestellten einen Teil ihrer Lohnsteuer friedens- oder entwicklungspolitischen Projekten zukommen lassen. Zwar hat das Finanzamt nach der Abgabenordnung durchaus die Möglichkeit, Steuern geringer festzusetzen, zu stunden oder gar ganz zu erlassen. Aber die dazu notwendige "unbillige Härte" beziehe sich nur auf Finanznöte, nicht auf Gewissensnöte – so hatte die Behörden mitgeteilt.

Daraufhin baten die beiden Angestellten ihren Arbeitgeber, den Pax Christi e. V, 25 % der eigentlich abzuführenden Lohnsteuer nicht an das Finanzamt zu überweisen, sondern einem Sperrkonto der Friedenssteuer-Bewegung zuzuführen, jener Bewegung, die am l. September 1993 mit dem Aachener Friedenspreis geehrt wurde.

Die Mitgliederversammlung des Vereins diskutierte diese Anträge und entschloß sich, diese Beiträge nicht dem Staat zukommen zu lassen. "Als Arbeitgeber können wir in diesem Fall gar nicht handeln, ohne gegen einen Rechtswert zu verstoßen", begründet Pfarrer Manfred Esmajor, Vorstandsmitglied des Fördervereins, diese Entscheidung. "Entweder wir verstoßen gegen die Steuergesetze und die entsprechenden Ausführungsbestimmungen. Oder wir verstoßen gegen das Grundgesetz, das das Gewissen der Bürger(innen) schützt und seine Unversehrtheit gewährleistet. Als christliche Friedensbewegung verstehen wir die Gewissensnöte unserer beiden Angestellten sehr gut Wir haben uns so für den Schutz des Gewissens entschieden und nehmen eine Ordnungswidrigkeit, vergleichbar dem falschen Parken, in Kauf."

Daß es sich tatsächlich um Gewissensgründe handelt, steht für den Vorstand des Fördervereins außer Frage. Selbst der Bundesfinanzhof in München habe in einem Grundsatzurteil gegen Militärsteuerverweigerer dies ausdrücklich bekräftigt. Heinz Liedgens, Vorsitzender von Pax Christi im Bistum Aachen und des Fördervereins, ergänzt: "Besonders deutlich wurde dieser Tatbestand während des Golfkrieges, als jede/r einzelne durch die Ergänzungsabgabe ohne Widerspruchsmöglichkeit in die Finanzierung dieses Krieges verstrickt war." Aber auch die politischen Bestrebungen, deutsche Soldaten in weltweite Kriseneinsätze zu schicken,´die mit der Verteidigung der Bundesrepublik nichts zu tun haben, machen die Gewissensbelastung deutlich. "Unser Staat zwingt Menschen, die fest davon überzeugt sind, daß die weltweiten Konflikte nicht mit Waffengewalt zu lösen sind, Krieg und somit das Töten von Menschen zu finanzieren. Was dagegen in erschreckendem Maße fehlt, sind Investitionen in gewaltfreie Konfliktbewältigung, Beseitigung der Ursachen, besonders der materiellen Ungerechtigkeit, die Weiterentwickung des Völkerrechts und eine Reform der Vereinten Nationen", zieht Heinz Liedgens die Verbindungslinien zur aktuellen "out-of-area-Debatte".

Trotz Protesten, Eingaben und Verweigerung, der Staat holt sich letztlich, was er will. Nun wurde das Vermögen eines Vereins gepfändet, der sich die Förderung von Frieden, internationaler Verständigung und Versöhnung zur Aufgabe gemacht hat. So werden zwei Zivildienstleistende, die in einem Projekt bei Breslau arbeiten, vom Verein finanziert, ohne daß der Staat einen Pfennig dazutut Und etwa 50.000 DM wurden der Kriegsopferhilfe für Bosnien bislang zur Verfügung gestellt.

Den Verantwortlichen des Pax Christi Fördervereins ist klar, daß diese Aktion·nur ein symbolischer Protest sein kann. Wichtiger als ein paar Mark seien Gespräche und öffentliche Auseinandersetzung. Dabei gäbe es, wenn der politische Wille nur vorhanden wäre, durchaus die Möglichkeit, eine gesetzliche Regelung zu schaffen, die den Gewissenskonflikt aufhebt. Wenn ein immer größer werdender Anteil der Bevölkerung, der militärische Sicherheitspolitik grundsätzlich in Frage stellt, nicht ernstgenommen wird, bedeute dies eine Schwächung der Demokratie und letztlich eine Schwächung der Bindung zwischen Bürgern und Staat. Pax Christi hat nun beschlossen, gegen die Entscheidung des Finanzamtes den Rechtsweg zu beschreiten. Die vierteljährliche Mahnung des Finanzamtes wird bereits erwartet, die nächste Runde kann beginnen. Nicht ganz auszuschließen, daß das öffentliche Ärgernis weitere Kreise zieht.

Heinz Wagner ist Friedensarbeiter in Aachen für Pax Christi

 

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