Abschiebungen: Alle reden vom Krieg - Wir fliegen Sie Hin!

Flughafenaktionen des Büros für notwendige Einmischungen

von Frank Eyssen
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"Guten Morgen! Ich bin heute Ihr Flughafenbegleiter und möchte Sie vor dem Start Ihres Flugzeuges mit den internationalen Sicherheitsstan­dards und aktuellen Menschenrechtsverletzungen auch auf diesem Flughafen vertraut machen. Unsere Mitarbeiterinnen werden jetzt die In­formationsblätter verteilen - bitte lesen Sie diese aufmerksam - und zei­gen Sie Zivilcourage gegen Menschenrechtsverletzungen ...."

Die offiziell-uniformierten Mitarbeite­rInnen an den Schaltern des Terminal 4 auf dem Hamburger Flughafen reckten die Hälse, wunderten sich, da hingen schon zwei große Transparente ("Alle reden vom Krieg - Wir fliegen Sie hin!" / "Sagt Nein! Bitte nicht Wegschauen" mit der Abbildung von Spritze, Knebel und Handschellen)vor dem großen Weihnachtsbaum in der Abflughalle, wurden Infos verteilt, die ersten Gesprä­che mit Passagieren geführt. Am 9. De­zember - einen Tag vor dem "Tag der Menschenrechte" - startete das Büro für notwendige Einmischungen eine Kam­pagne gegen die Deportationsmaschine­rie, in der z.B. Deutsche Lufthansa und die Betreibergesellschaften der Flughä­fen eine mehr als zwielichtige Rolle spielen.

"Das ist genau der Stoff, aus dem die Medizinverbrechen im Nationalsozia­lismus entstanden sind." So der Präsi­dent der Berliner Ärztekammer, Ellis Huber, der sich gegen die Mitwirkung von Ärzten bei der Abschiebung wen­det. Ein Arzt habe "im Konfliktfall nie­mals Staats- oder Polizeiinteressen ge­gen Patienten oder notleidende Men­schen zu exekutieren." Ellis Huber spricht damit auf das Verhalten eines Arztes auf dem Frankfurter Flughafen an. Am 30. August des vergangenen Jahres starb der Nigerianer Kola Ban­kole an Bord einer Lufthansamaschine, nachdem ein - furchtbarer! - Arzt ihm eine "Beruhigungsspritze" durch die Kleidung durchgespritzt hatte. So sollte der gefesselte und geknebelte Mensch abschiebegefügig gemacht werden. Eine Abschiebung mit Todesfolge!

Nicht immer bekannt wird, was mit Ab­schiebeopfern in ihren Verfolgerstaaten passiert. Auch dort drohen Folter, Ge­fängnis und Tod. Unsere Aktionen, ent­sprechend das Infoblatt, informiert zu diesem Skandal: Was sind Abschiebun­gen? Eine Stellungnahme der Evangeli­schen Kirche zur "Asylrechtspraxis". Der "Fall" Kola Bankole. Warum flie­hen Menschen? Welche Menschen­rechtskonventionen werden bei Ab­schiebungen verletzt? Was kann man als Passagier oder Mitarbeiter bei einer Fluggesellschaft oder auf einem Flugha­fen tun? Das Ganze gestaltet wie die In­foblätter der Fluggesellschaften für Not­fälle.

Zur Resonanz: Bei der Aktion in Ham­burg, aber auch in Frankfurt (wo Ärzte­gruppen den Tod von Kola Bankole nachstellten) und auf anderen Flughäfen reagierten die Menschen überrascht. Wir führten sehr viele Gespräche, fanden eine erstaunliche Bereitschaft der Pas­sagiere vor, sich zu informieren. Zum Beispiel ein Flugkapitän der Lufthansa, der gleich fünfzig Blätter für seine Kol­legen mitnahm. Wir wissen von hitzigen Diskussionen in den Betriebsräten. Lufthansa-MitarbeiterInnen sprachen sich offensiv gegen Abschiebungen von Deserteuren in Bezug auf das ehemalige Jugoslawien aus.

Es gab natürlich auch Gegenstimmen. "Ihr lügt!" schimpfte z.B. eine Mitar­beiterin einer iranischen Fluggesell­schaft - und der Vorstand der Deutschen Lufthansa AG bemühte das Hamburger Landgericht gegen unser Flugblatt. Doch statt der grundsätzlichen "Einstweiligen Verfügung" bei einem Streitwert von "1.000.000,- DM" inclu­sive Vernichtung restlicher Flugblätter wegen "Warenzeichenverletzung" - wir hatten einen leicht verdrehten Luft­hansa-Kranich (im Sturzflug - weil Bruchlandung für Menschenrechte) mit verwendet - verfügte das Gericht "nur":

"Im Wege der einstweiligen Verfügung - der Dringlichkeit wegen ohne vorhe­rige mündliche Verhandlung - wird der Antragsgegnerin bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwi­derhandlung festzusetzenden Ordnungs­geldes, und für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens DM 500.000,-; Ordnungshaft insgesamt höchstens 2 Jahre) verboten, die nachfolgend wie­dergegebenen beiden Flugblätter in den Verkehr zu bringen, soweit durch diese der Eindruck erweckt wird, es handele sich um eine Verlautbarung der `Deutschen Lufthansa AG_. "

Frank Eyssen, Sprecher des Hamburger Büros für notwendige Einmischungen, erklärt hierzu:

"Bei den Flugblättern handelt es sich um keine Verlautbarungen der Deutschen Lufthansa AG. Um Irrtümer zu vermei­den, werden die Flugblätter statt mit ei­nem Kranich nun mit einem Adler ver­ziert. Eine Aufklärungsarbeit der Luft­hansa in Bezug auf Menschenrechts-verletzungen bei Abschiebungen eben auch unter Einbeziehung der Lufthansa wäre aber wünschenswert.

Menschenrechtsorganisationen sind in dieser Frage gerne zu Information und Aufklärung, z.B. gerne auch gemeinsam mit dem Betriebsrat, bereit. 500.000,- DM zur Lufthansa-Sanierung können wir uns nicht leisten. Vielleicht könnte aber die Lufthansa ab sofort jede Ko­operation mit dem BGS bei Abschie­bungen verweigern, jede Abschiebung ablehnen. Damit der Kranich wieder nach oben schaut!"

P.S.: Der Bundesgrenzschutz ist ja schlau ... Weil selbst deutsche Polizei­beamte, BGSler etc. manchmal Bauch­schmerzen bekommen, hat die Koblen­zer Grenzschutzdirektion jetzt einen Pakt mit "Ghana Airways" z.B. in Be­zug auf Abschiebungen nach Nigeria geschlossen. Zitat:

"Danach übernimmt die Ghana Airways auf Anforderung der Grenzschutzdirek­tion die ansonsten vom Bundesgrenz­schutz zu stellende Sicherheitsbeglei­tung rückzuführender Personen auf ih­ren Flügen dienstags und freitags von Düsseldorf nach Accra und weiter nach Lagos. Die Vereinbarung umfaßt alle Fälle der Begleitregelung."

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Frank Eyssen ist Sprecher des Hamburger Büros für notwendige Einmischungen.