Zustimmung und Ablehnung auf der Straße

Flyer verteilen am Hiroshima/Nagasaki-Tag

von Renate Wanie
Initiativen
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Den 80. Hiroshima-Nagasaki-Jahrestag nahm der Heidelberger Friedensratschlag zum Anlass für eine Mahnwache. Flyer wurden verteilt, Infos, Appelle und Unterschriftenlisten ausgelegt, Transparente aufgehängt, Redebeiträge gehalten.

Auf der belebten Hauptstraße in der Altstadt Heidelbergs boten fünf Aktivist*innen den vorbeieilenden und flanierenden Passant*innen Flyer zum Thema an – wortlos hinhaltend oder mit kurzem Info, wie „80 Jahre Hiroshima!“ oder „Kein zweites Hiroshima! ¬ Atomwaffen verbieten!" Die Reaktionen auf die kurzen Ansprachen waren vielfältig.

Zustimmung und Fragen
Viele der Passant*innen reagierten desinteressiert, eilig, mit Kopfschütteln – zwar freundlich lächelnd –, mit „Nein, danke" oder den Kopf abwendend. Manche nahmen die Flyer mit dem kurzem Kommentar: „Ich bin Ihrer Meinung.“

Es gab jedoch auch einige, nicht mehr ganz junge Frauen, die stehenblieben und sich kurz mit Nachfragen äußerten, wie z.B. „Ich bin ja Ihrer Meinung, aber was soll ich denn tun? Man kann ja nichts machen!" Eine der Verteilenden informierte über Möglichkeiten, eine Petition zu unterschreiben, in eine Friedensgruppe zu gehen oder sich im Internet zu informieren, was man tun könne.

Aufgefallen ist, dass einige junge Frauen völlig ohne Mimik reagierten oder auch unsicher auf die sie begleitenden Männer schauten. Erfreut und zustimmend erzählte eine Spanierin aus Barcelona, dass sie dort eine ähnliche politische Arbeit mache. Eine andere junge Frau ging hingegen direkt an den Stand, um unbedingt zu unterschreiben. Ein junger Mann aus Marburg folgte ihr und blieb bis gegen Ende der Aktion mit seiner Freundin lange am Stand stehen, nahm viel Material mit, spendete 10,- € und meinte, es sei so wichtig, dass wir an diesen Tag erinnern, da die gesamte politische Stimmung ja gerade ins Gegenteil gehe.

„Ich bin dafür!"
Für Atomwaffen sprachen sich einige Männer zwischen 50 und 70 Jahren aus: Mit einem dieser Älteren versuchte wir weiterzureden und wiesen darauf hin, dass es nicht nur um die Verteidigung gehe, sondern auch um das Gefahrenpotenzial von Atomwaffen, dass ein Atomkrieg sozusagen aus Versehen ausgelöst werden könnte. Seine lapidare Antwort: „Aus Versehen können Sie oder ich auch die Treppe `runterfallen und sich das Genick brechen." Dann ging er weiter. Eine andere Situation am Infostand machte die Aktivist*innen fassungslos. Ein älterer Mann erzählte: Früher habe er verweigert, doch aktuell sei die Situation „so ganz anders“. Er schlug vor, Deutschland solle doch drei bis vier einsatzfähige Atombomben im Vorrat halten und, sobald die UN genug gestärkt wäre, die Bomben an die UN abgeben. Die Friedensbewegung sei doch naiv und überhaupt so gut wie tot, so der Tenor seiner wiederholten Behauptung. Gegenargumente schienen ihn nicht zu interessieren und er verließ ohne weiteren Kommentar den Platz. Standen wir aus der Friedensbewegung eventuell für sein vergangenes antimilitaristisches Ich, fragte eine mithörende Psychologin? Ein punkig aussehender etwa 30-Jähriger meinte hingegen, er sehe es eigentlich auch wie wir – aber es sei „hier sowieso bald alles vorbei!“ „Gegen was sind Sie denn?“, so die Frage eines anderen Mannes? „Ich bin für die Atombombe, sie schafft doch Platz!“, so die zynische Reaktion.

Kurze Gespräche - Pro und Kontra
Ein japanisches Paar unterhielt sich nach der Ansprache länger in Englisch und dankte für unser Engagement. Sie bedauerten sehr, dass die Politik ihrer Regierung sich nicht mehr eindeutig zum in der Verfassung niedergeschriebenen Pazifismus bekenne. Auch die Tatsache, dass die Nutzung der Atomenergie zur Stromerzeugung wiederbelebt werden soll, war für sie eine bedauerliche Entwicklung. Selbst bei den Hibakusha in der Vereinigung Nihon Hidankyo gebe es in dieser Frage zwei unterschiedliche Lager.

Erwähnenswert ist auch das Gespräch mit einem Herrn, der die Flyerverteilerin informierte, er sei auf der „anderen Seite": Er arbeite für die Marine! Daraufhin berichtete sie ihm von etlichen Militärs, die sich trotz ihres Berufes eindeutig gegen Atomwaffen aussprechen. Auch als "Bundeswehrler" sei er seinem Gewissen verpflichtet und müsse grundsätzliche Fragen selbst entscheiden. Die Aktivistin erzählte ihm von der Initiative israelischer Militärbeschäftigten, die sich zwar zur Verteidigung ihres Landes verpflichtet fühlen, aber z.B. Einsätze gegen den Libanon aktiv ablehnen. Diese Erwiderungen hat er freundlich angenommen, sich aber nicht weiter zum Thema geäußert.

Nicht fehlen durfte bei den kurzen Begegnungen auf der Straße die Nachfrage von einem älteren Passanten, wer mehr Atomwaffen besitze – Russland oder die NATO? Auf unsere Antwort, die NATO habe mehr Atomwaffen, lautete die Antwort: „Das sei alles Lüge!“

Dieser zweistündige Aktionstag war aufschlussreich für uns, um aus der Bevölkerung einen kleinen Eindruck über die Einstellung zum Einsatz von Atomwaffen zu bekommen.

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