In der Türkei auch wegen der Aufzeichnungen der deutschen Journalistin Lissy Schmidt verfolgt

Frankfurter Buchmesse ehrt eine mutige Verlegerin

von Thomas Klein
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Nachdem die Türkei der Verlegerin Ayse Zarakolu zunächst die Ausreise verweigerte, und sie den auf der Frankfurter Buchmesse verliehenen "Freedom Of Publish Award" nicht entgegenehmen konnte, genehmigte die Türkei nach internationalen Protesten doch noch die Ausreise. Ayse Zarakolu ist den türkischen Behörden seit langem ein Dorn im Auge, da in ihrem Verlag Autoren Bücher veröffentlichen, die sich zum Beispiel eine von offizieller Seite gescheute Diskussion über die Situation in den kurdischen Provinzen und die Mißachtung der Menschenrechte in Gang setzen wollen. So hat sie u.a. mehrere Bücher des Autors Ismail Besikci herausgegeben, der in der Türkei inhaftiert ist.

Auch das Buch einer Deutschen, der Journalistin Lissy Schmidt, hat sie herausgegeben und stand deshalb im letzten Jahr vor Gericht. Bereits zu Beginn des Jahres 1997 wurden alle Ausgaben des Buches "Wie teuer ist die Freiheit" beschlagnahmt und verboten. Obwohl die im April 1994 im kurdischen Autonomie-Gebiet erschossene Journalistin, die regelmäßig für die Frankfurter Rundschau und andere Tageszeitungen berichtete, in diesen nach ihrem Tod herausgegebenen Aufzeichnungen vor allem auf die Nöte und Schwierigkeiten beim Aufbau der selbstverwalteten kurdischen Region im Nachbarland Irak eingeht, war auch dieses Buch ein Anlaß für einen Prozeß gegen Zarakolu in Istanbul. Daß die journalistische Hinterlassenschaft von Lissy Schmidt in der Türkei Zensur und Verfolgung zur Folge hatte, ist jedoch keineswegs überraschend. Die deutsche Journalsitin war schon zu Lebzeiten für Ankara eine unerwünschte Beobachterin: Sie wurde im Frühjahr 1992 zur "unerwünschten Person" erklärt und des Landes verwiesen.

Unerwünscht in der Türkei sind bis heute der Mut der Verlegerin Zarakolu und unerwünscht waren Schmidts kritischer Journalismus und vor allem ihre Reisen in die kurdischen Gebiete des Landes: Schließlich hatte sie beharrlich, trotz deutlicher Drohungen immer wieder über die Situation in den von Militärs abgeriegelten "verbotenen Gebieten" berichtet und war damit zur Zeugin eines grausamen Krieges geworden. In ihrem letzten in der Türkei geschriebenen Artikel wies sie auf die sich abzeichnende, bedrohliche Entwicklung hin, die später traurige Realität wurde. Diese Zeilen dokumentieren, warum die Aufzeichnungen von Lissy Schmidt und der Mut von Asye Zarakolu so "unerwünscht" waren und sind: "In der türkisch-irakischen Grenzregion sind Polizisten und Gendarmen mit Gewehren und Munition ausgestattet, die ehemals der NVA gehörten. Im Frühjahr sind die ersten der bundesdeutschen Geschenke in der Türkei eingetroffen. Gerade zum richtigen Zeitpunkt, werden viele Militärs dort gedacht haben. Zeitgleich mit dem Eintreffen der abgelegten NVA-Waffen begannen die Vorbereitungen für eine von Regierung und Generalstab seit Monaten angekündigten Großoffensive des türkischen Heeres gegen die kurdische Guerilla und die Bevölkerung". Die Ermordung von Vedat Aydin, dem führenden Oppositionspolitiker in Diyabakir, war, so schrieb Schmidt weiter, der Anfang "argentinischer Verhältnisse".

Nur eine Woche nachdem Schmidt diese Zeilen geschrieben hatte, gaben ihr die Ereignisse Recht. Ende März 1992 bombardierte die türkische Armee in großem Stil kurdische Dörfer und Städte und leitete eine militärische Eskalation des Krieges ein, die zu einer rapide ansteigenden Zahl von Toten, Vertriebenen und Verschleppten führte: Chronik eines angekündigten Völkermords. So ist die Verleihung des Preises an Zarakolu nicht nur eine Auszeichnung für diese mutige Frau, sondern auch eine Anklage der türkischen Seite und deutschen Mitverantwortung an den Verhältnissen in dem NATO-Partner-Land Türkei.

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