Frauen und Menschenrechte - vor der Weltfrauenkonferenz

von Ute Koczy
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Die 4. UN-Weltfrauenkonferenz steht vor der Tür. Sie ist die nächste große Veranstaltung im Reigen der UN-Konferenzen, deren Ergebnisse von mal zu mal schwächer und bedeutungsloser werden. Wieder einmal stehen auf der einen Seite die offiziellen Delegationen und auf der ande­ren Seite die Nichtregierungsorganisationen, die laut und deutlich die Rechte der Frau einklagen und den genauen Wortlaut der Erklärungen mitbestimmen wollen.

Frauenrechte sind Menschenrechte. Hinter diesem einfachen Satz verbergen sich die Arbeit und das Lobbying der Frauen auf der Weltmenschenrechtskon­ferenz vor zwei Jahren in Wien. Es ge­lang den Nichtregierungsorganisationen, Menschenrechtsverletzungen an Frauen in den Mittelpunkt zu stellen und Ge­walt an Frauen im privaten Bereich zum Thema der UN zu machen. Wird es 1995 gelingen, das gewonnene Terrain auszubauen und endlich die "Aktion" für "Gleichheit, Entwicklung und Frie­den", wie es das Oberthema der Welt­frauenkonferenz vermittelt, tatsächlich zur Aktion zu machen?

Als Peking zum Konferenzort gewählt wurde, war klar, daß die Arbeit der Nichtregierungsorganisationen (NRO) erschwert werden würden. Die deutsche Frauenrechtsorganisation TERRE DES FEMMES hatte schon frühzeitig darauf hingewiesen, daß tibetische Frauen­gruppen, aber auch Lesben-, Prostituierten- und HIV-Organisationen um die Einreise bangen müssen. Inzwischen ist bekannt, daß über 500 NROs die Ak­kreditierung aus diesen Gründen ver­weigert wurde. Selbst wenn die UNO jetzt noch die Anmeldefristen verlängert hat, so wird klar, daß die Arbeit von Frauen behindert wird, die ein Wörtchen bei der Definition von Diskriminierung von Frauen und Menschenrechtsverlet­zungen mitzureden haben.

Das Konzept der Menschenrechte darf nicht statisch betrachtet werden. Es ent­stand im 17. Jahrhundert in Europa als Reaktion auf Unrechtserfahrungen und enthält den in die Zukunft weisenden Anspruch, Unrecht zu überwinden. Da­bei ist die Definition dessen, was Men­schenrechte sind, an den jeweiligen hi­storischen Kontext gebunden und galt daher in erster Linie für den Mann. Frauen wurden der privaten Sphäre zu­geordnet und ihre Gewalterfahrungen in der Familie aus der völkerrechtlichen Betrachtung ausgeblendet. Während rassistische, ethnische, religiöse und politische Diskriminierung den Status von Menschenrechtsverletzungen er­hielten, blieb das Ausmaß der alltägli­chen Gewalt gegen Frauen auf UN-Ebene unerkannt und wurde als privates Problem gesehen. Das hat sich erst 1993 nach Wien geändert.

Auch hierzulande ist Gewalt gegen Frauen alltäglich. Dem Bericht der Bundesregierung für die vierte Welt­frauenkonferenz in Peking zufolge er­fährt fast jede dritte Frau Gewalt durch ihren Partner. Die Statistik registrierte 1993 mehr als 6000 Vergewaltigungen und fast 5000 sexuelle Nötigungen. Be­kannt ist, daß die Dunkelziffer um eini­ges höher liegt. In den USA ist Misshandlung die häufigste Einzelursache von Verletzungen bei Frauen und ran­giert noch vor Autounfällen; von 10 Morden an Frauen werden 9 von Män­nern gegangen, die Hälfte von ihnen durch den Partner oder ein Familienmit­glied, während Morde an Männern in der Regel außerhalb der Privatsphäre verübt werden.

Menschenrechtsverletzungen an Frauen werden wenig zu Kenntnis genommen. So äußert sich z.B. die Diskriminierung von Frauen und Mädchen in Asien und Nordafrika durch eine überhöhte Sterb­lichkeitsrate, da sie seltener gestillt oder geimpft werden und mehr arbeiten müs­sen als Jungen. In Indien ebenso wie in China, Bangladesh und anderen Ländern werden gezielt weibliche Föten abge­trieben. In Bangladesh sterben doppelt so viele weibliche wie männliche Föten. In Lateinamerika bilden unzulänglich durchgeführte Abtreibungen die häufig­ste Todesursache für Frauen zwischen 15 und 39 Jahren. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation wur­den 80 Millionen Frauen und Mädchen vor allem in Afrika durch genitale Be­schneidung verstümmelt, so daß sie ihr Leben lang an Infektionen und Schmer­zen leiden.

Es gibt noch eine Menge zu tun, um Frauen vor jedweden Übergriffen zu schützen. Daher fordern die Frauenor­gansitionen, daß verbindliche Ziele be­nannt werden und definierte, finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt und nicht nur schöne Worte aufgeschrieben wer­den. In China scheint man aber aus den Erfahrungen der Weltmenschenrechts­konferenz in Wien gelernt zu haben. Dort tagten die Offiziellen und die NROs in einem Gebäude, was den Druck auf die Regierungsdelegationen verstärkte und auch deshalb in beschei­denen Maßen erfolgreich machte. Jetzt wurde aus Peking bekannt, daß die Nichtregierungsorganisationen ausgela­gert werden und sich 45 km vom Ta­gungszentrum zentrieren sollen. Dort sind die Räumlichkeiten laut Informa­tionen unzureichend und es fehlen ge­nügend Vorrichtungen für Simultan-Übersetzungen. Abgeschoben an die Pe­ripherie wird für die aktiven Frauen aus aller Welt ein direktes Lobbying der Regierungsdelegationen erschwert und fast unmöglich gemacht. Keine guten Aussichten für Fortschritte...

Literatur:

Ruth Klingebiel: Menschenrechte für Frauen: Arbeit am positiven Frieden.

In: Birckenbach, Hanne-Margret  u.a.: Jahrbuch Frieden 1995, Mün­chen 1994.

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Ute Koczy ist Mitglied von TERRE DES FEMMES.