FREIe HEIDe bezwingt die Bundeswehr juristisch - eine vorläufige Bilanz.

von Roland Brinckmann
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Am 14. Dezember 2000 jubelten die zahlreich erschienen Anhänger der FREIen HEIDe im Saal des Bundesverwaltungsgerichts (BVG), als die Richter verkündeten: "Die Revision der Bundeswehr gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Frankfurt/Oder wird zurückgewiesen." Auch wenn die Richter dann relativierend äußerten: "Freuen Sie sich bitte nicht zu früh!", so ergibt die vorläufige Analyse einen Sieg für die BI FREIe HEIDe.

Es scheint, dass die Bundeswehr zum ersten Mal seit ihrem Bestehen ein zentrales militärisches Projekt auf Grund von Protesten in der Bevölkerung aufgeben müsste. Dies betrifft immerhin Europas größten Bombenabwurfplatz. Interessant für die Friedensbewegung sind die Gründe für den Erfolg und die Perspektiven, die sich in Zukunft daraus ergeben.

Die Vorgeschichte
Die Geschichte der FREIen HEIDe sei nur kurz ins Gedächtnis zurückgerufen. Regelmäßige Leser werden sich noch an die detaillierte Beilage des Friedensforums von 1996 erinnern, die heute noch in Vielem aktuell ist. Das Gelände zwischen Wittstock, Rheinsberg und Neuruppin wurde nach 1950 vom sowjetischen Militär schrittweise besetzt, die Eigentümer zwangsenteignet, ein Artillerieschießplatz und Bombenabwurfplatz eingerichtet. Dieses Bombodrom erreichte 20 km in Nord-Süd- und maximal 10 km in Ost-West-Ausdehnung. Im persönlichen Erleben der Menschen in der Nachbarschaft ging der 2. Weltkrieg praktisch noch Jahrzehnte weiter.

Nach der deutschen Einigung 1990 begann die Bevölkerung, die zivile Nutzung zu gestalten. So wurden erste Schritte für die touristische Erschließung getan und ein Wegenetz konzipiert. Die Bundeswehr ermutigte dies anfangs, veröffentlichte aber 1992 den Plan, das Bombodrom "weiternutzen" zu wollen, worauf der Protest entstand, der bis heute anhält.

Am 22. Dezember 1993 übertrug das Bundesvermögensamt die Liegenschaft an die Bundeswehr. Fast gleichzeitig verschickte die Oberfinanzdirektion Cottbus Eigentumstitel an Gemeinden, Kirchgemeinden und einige Privatpersonen. Im Frühjahr 1994 wurde gemeinsam eine Klage auf Unterlassung der militärischen Nutzung und Herausgabe des Eigentums eingereicht.
 

Entscheidend war die Klage der anliegenden 14 Gemeinden, die sie mit ihrem grundgesetzlich verankerten Planungsrecht begründeten. Sie bekamen in der ersten und zweiten Instanz recht, weil der Einigungsvertrag, auf den sich die Bundeswehr berief, keine expliziten Weiternutzungsrechte für Flächen der Alliierten vorsah. Die Bundeswehr müsste somit die Neueinrichtung des Truppenübungsplatzes und ein Planungsverfahren anstreben. Alle eigentumsrechtlichen und anderen Fragen wurden dem oben beschriebenen Verfahren untergeordnet.

Bereits vor dem Verfahren am BVG war klar, dass auf eine Bestätigung der Vorinstanzen nicht zwingend eine zivile Nutzung des Geländes folgt. Die Bundeswehr kann sich auf die grundgesetzliche Aufgabe der Landesverteidigung berufen und im Rahmen eines Planungsverfahrens einen Truppenübungsplatz einrichten. Dazu gibt es das "Landbeschaffungsgesetz", das ihr bei entsprechender Begründung den Zugriff auf jede Fläche in der Bundesrepublik sichert. Die Enteignungen wären hier aber eine Festschreibung des stalinistischen Unrechts und diese politische und emotionale Brisanz in Ostdeutschland war sicher ein Auslöser für die ausgedehnten Proteste.

Die Reduzierung der deutschen Luftwaffe seit Anfang der neunziger Jahre von 892 (mit NVA) auf 506 Flugzeuge erschwert andererseits den Nachweis des Bedarfs für die Bundeswehr weiter. Die rot-grüne Koalition prüft diesen Bedarf zumindest. Alles in allem ging es also vor Gericht auch um eine Abwägung von Grundrechten.

Das Urteil
Nun folgte das BVG nicht den Vorinstanzen, dass die militärische Nutzung keine Rechtsgrundlage hätte. In der Begründung des Urteils heißt es: "Der Einigungsvertrag hat ... die Grundlagen dafür geschaffen, dass auch die Liegenschaften, die von den sowjetischen Truppen ... für militärische Zwecke genutzt worden sind, in das Eigentum der Bundesrepublik Deutschland übergangen sind und für Zwecke der Bundeswehr weitergenutzt werden dürfen." (Presseerklärung des BVG 14.12.) Damit hat das Gericht wahrscheinlich einen Präzendenzfall verhindert.

Das eigentlich Überraschende ist aber, dass die FREIe HEIDe in den anderen Punkten recht bekam. Der Bundeswehr wurde der weitere militärische Übungsbetrieb rechtskräftig untersagt. Mit Bezug auf die Gemeinden heißt es weiter: "Ihre Betroffenheit und Ihre planerischen Vorstellungen vor allem in Bezug auf die städtebauliche Entwicklung sind nicht ausreichend ermittelt und in die Abwägung eingestellt worden." Die Entscheidung der Bundesregierung zum Truppenübungsplatzkonzept von 1992 sei eine planerische Entscheidung gewesen, die zu einer angemessenen Lastenverteilung und zum Erhalt der geeignetsten Standorte führen sollte. Eine Planung sei "auch unter dem Gesichtspunkt der jeweiligen Betroffenheiten" zu führen.
 

Viele Gründe für den Erfolg
Die Betonung der Verhältnismäßigkeit, kann man nur so interpretieren, dass damit die politische Arbeit der BI FREIe HEIDe belohnt wurde. Das konsequente aber gewaltfreie Einfordern der Gemeinde- und Persönlichkeitsrechte hat wohl auch die Richter beeindruckt und überzeugt. Auch die Bundeswehr hat den Druck der BI zuletzt berücksichtigen müssen. Anfang November war ein Manöver mit 1000 Soldaten kurzfristig abgesagt worden. Schon am 6. August hatte der Platzkommandant eine 24-stündige Platzbesetzung der Musikerinitiative "Lebenslaute" und deren UnterstüzterInnen nach einem klassischen Konzert toleriert.

Die Verankerung in unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen und die enge Zusammenarbeit mit Gruppen außerhalb der Region ist ein wichtiger Grund für den Erfolg der FREIen HEIDe, die auch einige Spaltungsversuche seitens der Bundeswehr gestärkt überstand. Andererseits sind die Proteste stark kulturell ausgerichtet, was zur Stärkung der BI nach innen führte und einer Resignation entgegenwirkte.

Die inzwischen 67 Protestwanderungen beginnen meist mit geistlicher Besinnung in der Kirche und enden mit Kaffee und Kuchen. Auf dem Gelände der Bioranch Zempow wurde in diesem Herbst die "Spirale" aus 2000 Strohballen mit weiteren Kunstaktionen begleitet. Dabei wurde auch "Das Buch der FREIen HEIDe" vorgestellt, das die letzten acht Jahre im Detail nachzeichnet.

Was kommt nun?
Es muss auch sachlich festgestellt werden, dass die Bundeswehr einige handwerkliche Fehler gemacht hat. Sie hat die Nutzungsplanung mehrfach geändert und mal Artillerieübungen, mal Panzerschießen angekündigt. Die detaillierte Darlegung, dass der Platz zu einer Steigerung der Effektivität der Bundeswehr führt, gab es nicht. Die Ankündigung einer Garnison von 1000 Soldaten konnte in Zeiten der Personalreduzierung nur wenige in der Region überzeugen.

Es bleibt abzuwarten, ob die Bundeswehr aufgibt, oder gegen den eisigen Wind aus der Region versucht, den Platz politisch durchzusetzen. Das Planungsverfahren würde rund zehn Jahre brauchen. Ob der Übungsplatz für die Luftwaffe bei der militärischen Entwicklung hin zu Abstandswaffen unverzichtbar ist, ist auch unter Experten umstritten, denn die Dimensionen des Platzes sind dafür eher klein. Die Entwicklung der Bundeswehr in den nächsten zehn Jahren wird auch vom Agieren der Friedensbewegung abhängen.

Viele in der BI FREIe HEIDe haben auf die jetzige Situation lange gewartet und sind gern bereit die Auseinandersetzung mit besseren Aussichten als vorher fortzusetzen. Die Prozesse um das Eigentum müssen noch weiter geführt werden. Die Gemeinden haben angekündigt, nun ihre Konzepte für die touristische Entwicklung forciert anzugehen. Auf der Neujahrswanderung wurde ein Konzept für Windenergienutzung vorgestellt. Eine solche friedliche Perspektive ist in einer Region mit einem Viertel Arbeitslosen lebenswichtig. Die Bundeswehr scheint vorerst die Urteilsbegründung des BVG abzuwarten. Die BI FREIe HEIDe wird auf jeden Fall auf die Urteilsbegründung mit einer angemessenen Aktion reagieren. Falls die Bundeswehr jetzt jedoch nicht aufgibt, wird es in Zukunft darauf ankommen, die Arbeit der BI stärker überregional zu vernetzen.

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Roland Brinckmann ist Biochemiker und Wissenschaftsjournalist und ist seit 2 Jahren in der Berliner Unterstützergruppe der FREIen HEIDe aktiv.