Ein Bericht vom friedenspolitischen Symposium in Lübeck

Frieden schaffen - nun doch mit Waffen ?!

von Klaus Müller
Initiativen
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(Blauhelm-)Soldaten - ein Instrument GRÜNER Friedenspolitik? Zuge­spitzt auf diese Frage fand am 27. März in Lübeck das Friedenspoliti­sche Symposium der vier GRÜNEN Nord-Landesverbände Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein statt.

Insgesamt über 80 TeilnehmerInnen aus den GRÜNEN und friedensbewegten Zusammenhängen diskutierten einen Tag lang über die verschiedenen Aspekte aktueller Friedenspolitik. Nach einer kurzen Begrüßung durch Irene Fröhlich, Sprecherin im Landesvorstand SH, und Angelika Beer, Mitglied im Bundesvorstand, die sich noch am Abend vorher als Mitglied der interna­tionalen Delegation zum Newrozfest in Kurdistan aufgehalten hatte, hielt Nor­man Paech, Professor für Völkerrecht an der Universität Hamburg, das Einlei­tungsreferat.

In einem sehr ausführlichen Vortrag wurde die ca. 45jährige Geschichte der "Blauhelme" beleuchtet. Anhand der unterschiedlichen Ausprägungen der Einsätze wurden sowohl parteiische und eskalierte (z.B. Korea und Zaire), als auch erfolgreiche (z.B. Namibia) darge­stellt. Sehr heftig wurde die sich zurzeit entwickelnde Beliebigkeit der Kri­terien, nach denen solche Einsätze statt­finden, kritisiert. Die von Dag Ham­marskjöld aufgestellten Bedingungen (Einverständnis der Konfliktparteien, Verzicht auf Waffengewalt etc.) sind nicht in der UNO-Charta festgelegt und somit besteht die Gefahr der "Türöffnerfunktion" für weitergehende Kampfeinsätze (peace making). Sollte es zu einer Grundgesetzänderung kom­men, die deutsche Blauhelmeinsätze ermöglicht, müssten diese Einschrän­kungen zumindest dort verankert wer­den.

Anschließend folgten vier Arbeitsgrup­pen, in denen in kleinerer Runde spe­zielle Fragen diskutiert wurden. Mar­gitta Matthies vom Projektverbund Friedenswissenschaften Kiel (PFK) re­ferierte zu "Rüstungsproduktion als wirtschaftlicher und politischer Faktor". Ein Problem, das mit der Krise der Werften, dem Abbau von Militärstand­orten und Schröders Initiative für Rü­stungsexporte nach Taiwan eine er­schreckende, aber eine von der Frie­densbewegung auch immer prophezeite Aktualität besitzt. Otfried Nassauer vom Berliner Informationszentrum für Transatlantische Studien (BITS) erläu­terte die aktuelle Planung der Bundes­wehr und NATO und welche Strukturen bereits für "Schnelle Eingreiftruppen" (rapid reaction forces) geschaffen wer­den. Frieder O. Wolf beschrieb den Spannungsbogen in der heutigen Frie­dens- und Menschenrechtspolitik und Helmut Hugler, Mitarbeiter im MdB Büro Lederer, skizzierte gewaltfreie Alternativen für den Konflikt im ehe­maligen Jugoslawien. Die heftige und kontroverse Diskussion in dieser Ar­beitsgruppe war aber erst der Vorläufer für die abschließende Plenumsdiskus­sion mit Angelika Beer, Jo Müller, Ex-MdB und Herausgeber der Hamburger Rundschau, und Frieder O. Wolf. Ver­schiedene andere eingeladene Vertreter der Interventionismus-Position hatten leider kurzfristig abgesagt.

Mit heftigen und teilweise sehr emotio­nalen Beiträgen u.a. von Conny Jürgens, Mitglied der GAL Bürgerschaftsfrak­tion, einem serbischen Journalisten und anderer TeilnehmerInnen konzentrierte und verengte sich die Diskussion auf den Krieg in Jugoslawien, wo allein schon in der Einschätzung des Konfliktes - Bür­gerkrieg oder Völkermord durch "die Serben" - ein unüberbrückbarer Dissens herrschte. Frieder O. Wolf zeigte inter­nationale Rahmenbedingungen auf, in denen er sich ein Gewaltmonopol der UNO vorstellen könnte, während Ange­lika Beer für die Ablehnung jeglicher Beteiligung an militärischen Einsätzen plädierte. Jo Müller verwies dagegen immer wieder auf die Situation in Bos­nien und die Verantwortung, dort mili­tärisch und ggf. sogar mit Waffenliefe­rungen einzugreifen. Auch nach der zweieinhalbstündigen Diskussion blie­ben die Positionen bezüglich der Befür­wortung oder Ablehnung einer militäri­schen Intervention unvereinbar. Leider waren die VertreterInnen der militäri­schen Interventionismus-Position zah­lenmäßig nur sehr schwach vertreten, was gerade in einem entscheidungs-freien Rahmen wie dem Symposium sehr zu bedauern ist, aber nach einer ähnlichen Situation eine Woche vorher auf dem GRÜNEN Länderrat (Kleiner Parteitag) nicht unerwartet kam. Ähnli­che Veranstaltungen finden zurzeit auf verschiedenen Ebenen in den GRÜNEN statt, wobei i.d.R. die Mehrheit der Par­teimitglieder, teilweise im Gegensatz zu einigen FunktionärInnen, militärische Interventionen ablehnt und für gewalt­freie Instrumente der Konfliktlösung eintritt. Daran kann auch der Zugang ei­niger prominenter ExponentInnen als "TabubrecherInnen" zu den Medien nicht viel ändern. Diese grün-offene Diskussion zur Neu-Bestimmung, bzw. Bestätigung GRÜNER Friedenspolitik ist notwendig und kann mit dazu beitra­gen, einen gesellschaftlichen Diskurs zu entwickeln, der der Regierung und der SPD eine schleichende Militarisierung der deutschen Außenpolitik erschwert und sie evtl. sogar verhindert.

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Klaus Müller, schleswig-holsteinischer Delegierter in der Bundesarbeitsge­meinschaft Frieden und internationale Politik der GRÜNEN.