Es gibt nichts Gutes - außer man tut Es

Friedens-, Flüchtlings- und Solidari¬tätsgruppen bereiten Einmischung auf dem diesjährigen Kirchentag vor

von Volker Böge
Initiativen
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Das offizielle Motto des 26. Deutschen Evangelischen Kirchentags, der in diesem Jahr vom 14. bis 18. Juni in Hamburg stattfindet, lautet: "Es ist dir gesagt Mensch, was gut ist". Schön und gut - aber: "Es gibt nichts Gutes - außer man tut es!" Das jedenfalls sagen sich selbst, den Kirchenoberen und der deutschen Öffentlichkeit Bürgerinnen und Bür­ger aus zahlreichen kirchlichen und nicht-kirchlichen Gruppen, die in der Friedens-, Flüchtlings- und Asyl- sowie Solidaritätsarbeit aktiv sind und die den Kirchentag zum Anlass nehmen werden, gutes Tun - d.h. menschenrechtliches und friedensförderliches Tun - zu praktizieren und von Kirche, Staat und Gesellschaft einzufordern.

Gründe hierfür gibt es gegenwärtig zu­hauf. Zwei davon sollen in den Mittel­punkt der Aktivitäten anläßlich des Kir­chentags gestellt werden: die herr­schende skandalöse Politik der Ab­schottung der Grenzen gegen Flücht­linge auf der einen Seite  bei gleichzei­tiger Öffnung der Grenzen für militäri­sche Interventionen der Bundeswehr in aller Welt auf der anderen Seite. Wir erinnern uns: Die Grundgesetzänderung vom Sommer 1993 hob das Recht auf Asyl praktisch-faktisch auf, das Bun­desverfassungsgerichtsurteil vom Som­mer 1994 erklärte den Einsatz deutscher Soldaten "out of area" - also außerhalb des NATO-Vertragsgebiets - für verfas­sungskonform. Im Sommer 1995 wer­den wir anläßlich des Kirchentags un­überhörbar und unübersehbar deutlich machen, was wir von diesen Entschei­dungen halten - nämlich gar nichts. Adressat unseres Protests wird auch und gerade die offizielle Kirche sein, denn diese trägt sowohl die offizielle Asyl- und Flüchtlingspolitik als auch die neue interventionistische Außen- und Mili­tärpolitik aktiv mit - trotzdem sich an "der Basis" viele kirchliche Einrichtun­gen und Gruppen und viele einzelne Christinnen und Christen gegen diese Politik stellen und sich engagiert für Flüchtlinge und friedliche Bearbeitung internationaler Konflikte einsetzen.

Mittlerweile zeigen sich die menschen­rechtlich fatalen Folgen der Abschaf­fung des Asylrechts: Hunderttausende von Flüchtlingen wurden bereits an den Grenzen abgefangen und zurückgewie­sen; und von denen, die dennoch noch ins Land kommen und einen Asylantrag stellen "dürfen", werden mehr als je zu­vor wieder abgeschoben. Die über die ganze Republik verteilten Abschie­beknäste, in denen unschuldige Men­schen wochen- und monatelang einge­sperrt werden bis zu ihrer "Entlassung" in eine unsichere Zukunft, die für viele Hunger, Elend und Tod bereithält, sind nur die Spitze des Eisbergs dieser men­schenverachtenden Politik, deren "Erfolge" die Bundesregierung feiert. Das gegenwärtige Asylrecht schützt nicht Menschen vor Verfolgung und Bedrohung, sondern schottet Deutsch­land ab gegen die Folgen einer Welt(wirtschafts)"ordnung", die es selbst mit aufrechterhält und von der es profitiert, während sie Millionen von Menschen zu Armuts-, Umwelt- und Kriegsflüchtlingen macht.

Und diese "Ordnung" soll im Falle eines Falles auch mit militärischen Mitteln aufrechterhalten werden. Schließlich geht es um "vitale Sicherheitsinteres­sen" Deutschlands, etwa die "Aufrechterhaltung des freien Welthan­dels" und "ungehinderten Zugang zu Märkten und Rohstoffen" - so offizielle Verlautbarungen aus dem Verteidi­gungsministerium. Statt Abrüstung und Friedensdividende beschert uns folglich die "neue Weltordnung" nach dem Ende der Blockkonfrontation  Umrüstung, Aufstellung von sog. Krisenreaktions­kräften und Vorbereitung militärischer Interventionen "out of area".

"Der Ev. Kirchentag will - bezogen auf das Bibelwort "Es ist dir gesagt Mensch, was gut ist" - "Zeitansage" sein. Für uns bedeutet das, unsere entschiedene Ab­lehnung der deutschen Asyl- und Mili­tärpolitik zum Ausdruck zu bringen. Wenn die Kategorie vom "Frieden in Gerechtigkeit" noch irgendeine Bedeu­tung haben soll, dann gibt es zu dieser Ablehnung keine Alternative. Wir rufen dazu auf, durch Aktionen auf dem Kir­chentag einen beliebigen "Pluralismus" in diesen Fragen aufzubrechen. Wir ru­fen dazu auf, am Sonnabend, den 17. Juni mit uns gemeinsam eine große Demonstration zu planen und durch­zuführen". Mit diesen Worten endet ein Aufruf zu Aktionen anläßlich des Kir­chentages, der von Hamburger Gruppen und Initiativen entwickelt wurde. Mitt­lerweile hat es mehrere Treffen zur Vorbereitung solcher Aktionen gegeben, auf denen VertreterInnen von rund zwanzig Hamburger Gruppen präsent waren. Außerdem fand am 15.2. ein bundesweites Beratungstreffen statt, auf dem weitgehende Übereinstimmung über die Notwendigkeit und Möglich­keit von gemeinsamen Aktionen auf dem Kirchentag hergestellt wurde. Ins­besondere war man sich einig, am 17.6. eine Demonstration durchzuführen und in den Tagen vorher (vor allem zur Kir­chentagseröffnung) verschiedene spek­takuläre und skandalisierende Aktivitä­ten zu entfalten. Dem Trägerkreis, der dieses alles vorbereitet, gehören neben den lokalen Hamburger Gruppen inzwi­schen auch mehrere bundesweit arbei­tende Organisationen an, u.a. Versöh­nungsbund, Pax Christi, DFK-VK, DFG-IdK, Komitee für Grundrechte und Demokratie, AG out of area des Netz­werks Friedenskooperative, BuKO "Stoppt den Rüstungsexport", Bund für Soziale Verteidigung. Sie alle freuen sich über viele, viele zusätzliche Mit­streiterInnen!

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