Leserbrief

Friedensbewegung: Antifaschistische Identität und Abgrenzung nach rechts

von Karl-Heinz Peil

In der Ausgabe Nr. 3/2017 des Friedensforums ist ein Beitrag unter dem Titel „Völkischer Antiimperialismus: Die `Querfront` gegen den Krieg und die Strategien der Neuen Rechten“ enthalten. Darin wird von Richard Gebhardt die Abgrenzung nach rechts thematisiert. Diese erfolgt jedoch nicht mit konkreten Vorschlägen, sondern als Fragestellung zum Schluss, indem er „inhaltliche Mindeststandards“ (zur Abgrenzung) einfordert. Genau diese sind in der weltanschaulich breit angelegten Bündniskonstellation der Friedensbewegung viel mehr als bei anderen sozialen Bewegungen vorhanden, werden aber in dem genannten Artikel nicht thematisiert.

Zu nennen ist hier der Antifaschismus als gemeinsame historische Wurzel, was schließlich auch in den jährlichen Aktionen und Veranstaltungen zum Antikriegstag am 1. September zum Ausdruck kommt. Hierbei geht es nicht nur um die Erinnerung an die (Kriegs-)Verbrechen des deutschen Faschismus, sondern um die nach 1945 als Konsequenz daraus entstandene Weltordnung für ein friedliches Zusammenleben auf Basis der Menschenrechtscharta der UNO. Antifaschismus lässt sich eindeutig definieren und ist unabhängig von weltanschaulichen Bekenntnissen. Verwiesen sei hier beispielhaft auf das Buch "Antifaschismus" von Ulli Schneider, einer der beiden Bundessprecher der VVN-BdA (1).

Antifaschismus bedeutet ein Eintreten für friedenspolitisches Geschichtsbewusstsein und ist damit gegen Geschichtsrevisionismus und Geschichtsvergessenheit gerichtet. Dieses gilt vor allem in Bezug auf das NATO-Säbelrasseln gegenüber Russland an dessen Westgrenze, die auch von solchen PolitikerInnen kritisiert wird, die man als rechts einstufen kann. Auch deren Stimmen sind für die Friedensbewegung relevant. Ergänzend dazu ist für die Friedensbewegung auch die Ablehnung jeglicher Form von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, sei es Rassismus allgemein oder (anlassbezogen) Antisemitismus, Islamophobie und Stimmungsmache gegen Flüchtlinge ein eindeutiger und umfassender „inhaltlicher Mindeststandard“.

Bezüglich Abgrenzungen nach rechts gilt zunächst, dass die Friedensbewegung keine weltanschauliche Bewegung ist, die in einem immer unschärfer werdenden Links-Rechts-Koordinatensystem zu verorten wäre, sondern schon immer ein breites Bündnis von sehr unterschiedlichen gesellschaftlichen Kräften verkörperte. Betrachtungen über den Völkischen Antiimperialismus von rechtsextremen Kräften führen deshalb in die Irre, weil es nicht darum gehen kann, diesem einen „richtigen“ Antiimperialismus gegenüber zu setzen. Solche Debatten sind an anderer Stelle zu führen.

Zu den Gefahren einer isolierten und diffusen „Rechts“-Abgrenzungsdebatte sei auf die aktuellen Vortragsveranstaltungen des Psychologen und Kognitionsforschers Prof. Dr. Rainer Mausfeld verwiesen, in denen er die Methoden zur Meinungsmanipulation analysiert. Eine seiner wesentlichen Aussagen lässt sich wie folgt zusammenfassen: Soziale Bewegungen werden marginalisiert bzw. zerstört, indem man diesen ihre Identität beraubt, sie von ihren historischen Wurzeln abtrennt und durch falsche Identitäten ersetzt (2). Dieser Gefahr ist derzeit auch die Friedensbewegung ausgesetzt, indem durch die irreführende Abgrenzungsdebatte ihre historische Verwurzelung bzw. Identität und der damit selbst definierte Konsens ausgeblendet werden. An dessen Stelle tritt eine fremdbestimmte Debatte darüber, mit wem man angeblich nicht zusammen arbeiten darf bzw. von wem man sich unbedingt distanzieren müsse. Bei Begriffen wie „rechtslastig“, „neu-rechts“, „verschwörungstheoretisch“ und daraus abgeleiteten Querfront-Vorwürfen bestimmen aber politische Akteure die Deutungshoheit, die der Friedensbewegung nicht wohl gesonnen sind. Eine solche Abgrenzungsdebatte erweist sich damit als Trojanisches Pferd derjenigen, die aktiv Kriegspropaganda betreiben und deshalb an einer Marginalisierung der Friedensbewegung interessiert sein müssen - durch die Einschleusung falscher Identitätsmerkmale.

Der Querfront-Vorwurf führt sowohl zur Diffamierung führender Köpfe der Friedensbewegung als auch von alternativen Medien, die für die Reichweite friedenspolitischer Forderungen immer wichtiger werden. Letztere passen aber überwiegend ohnehin nicht in ein schwammiges Links-rechts-Schema, sondern können nur nach selbst definierten Ansprüchen und den dort zu Wort kommenden Autoren bzw. Interviewpartnern von den Mediennutzern selbst beurteilt werden.

 

Anmerkungen
1 Siehe dazu: „Ist der antifaschistische Konsens in der Friedensbewegung gefährdet? - Eine Flugschrift zu Querfrontdebatten, Diffamierungen und Medienkompetenz“ - abrufbar unter http://www.frieden-und-zukunft.de/pdf/2017/2017-02_Peil_Flugschrift_Quer.... Dort wird auch die genannte Antifaschismus-Definition zitiert.

2 Aktuelle Vorträge von Prof. Rainer Mausfeld hierzu sind als Videoaufzeichnungen auf www.youtube.de abrufbar.

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Hintergrund
Karl-Heinz Peil ist Mitglied des Bundesausschusses Friedensratschlag und verantwortlicher Redaktion des zweimonatlich erscheinenden Friedensjournals. Der Artikel wurde entnommen von: www.friedensratschlag.de.