Eindrücke von der Gründungssitzung der Friedenskooperative

Friedensbewegung im neuen Gewand

von Beate Roggenbuck

Zumindest eine Tradition der alten KA-Sitzungen schien sich gleich zu Beginn der Friedenskooperative fortzusetzen: die chronische Verspätung. Gegen Mittag hatte sich der Versammlungsraum der Bonner Evangelischen Studentengemeinde aber dann bis zum letzten Platz gefüllt: viele bekannte, aber auch neue Gesichter waren zu sehen, auch "Ehemalige", die den KA einmal mitbegründet und mitgeprägt hatten, hatte es zur letzten, auflösenden Sitzung gezogen.

 

Die eigentliche Gründung der Friedenskooperative ging relativ schnell und mit überwältigender Mehrheit vonstatten. Sofort Mitglied werden wollten dann aber doch weniger Organisationen.

Entscheidende Veränderungen gegenüber der bisherigen KA-Struktur: die Kooperative versteht sich nicht mehr als Repräsentant der Friedensbewegung, sondern als Informations-, Austausch-, Koordinierungsgremium, das in losen, jeweils variablen Arbeitszusammenhängen mit eigener finanzieller Verantwortung arbeitet. Mit diesem Konzept sind einige der Kritikpunkte, die nicht erst seit dem Austritt der Aktion Sühnezeichen-Friedensdienste diskutiert wurden, zumindest formal ausgeräumt:

  • die Verkrustung in der Zusammensetzung (Neuaufnahmen wurden seit Jahren blockiert, um das freie Gleichgewicht der Spektren nicht zu stören)
  • die Verkrustung des Diskussionsstils (der oft genug nur noch spektral geführt wurde)
  • die Mißerfolge (und Mißtöne bei den lokalen Initiativen) bei den in den letzten zwei Jahren organisierten Demos
  • die eigene Selbstüberschätzung (in nostalgischer Erinnerung an die Erfolge Anfang der achtziger Jahre und mit Ausklammerung der Tatsache, daß sich andere effektive Arbeitszusammenhänge parallel zum KA entwickelt haben.)

Ein Neuanfang?

Ob sich tatsächlich ein offenerer, einladender Diskussionsstil entwickelt, ob sich die Gruppen gleichberechtigt einbringen können, ob nicht die "alten Hasen und Häsinnen" (Verzeihung, aber so lautet die weibliche Form) wieder die Bühne beherrschen, werden, wir sehen.

Die Strukturen für einen neuen Stil sind jedenfalls geschaffen.

Praktisch sah es im weiteren Sitzungsverlauf dann so aus, daß in den noch verbleibenden drei Stunden fast keine Zeit mehr zur inhaltlichen Diskussion blieb. Die Vorstellung der einzelnen anwesenden Initiativen und Kampagnen (z.B. Kunst gegen Tiefflug, Entrüstet Daimler, AG: deutsch-deutscher Dialog, Bundesrepublik ohne Armee) und der bestehenden Arbeitsgruppen, für die neue Kooperationspartner gewonnen werden sollten, wurde meistens sehr ausführlich gehandhabt.
So kam der m.E. spannendste, und aktuellste Punkt: die rapiden revolutionären Veränderungen in der DDR (für die andere osteuropäischen Staaten blieb eh' keine Zeit mehr) erst gegen Ende der Sitzung zur Sprache, leider nur zugespitzt auf die Frage:

"Wie hältst Du's mit der deutsch-deutschen Grenze?"

Für den gerade vorher in der Frankfurter Rundschau dokumentierten Vorstoß der DDR-Gruppe: "Demokratie jetzt" für einen ''Deutschen Bund ohne Waffen" und auch für die Aufforderung verschiedener Oppositionsvertreter und -vertreterinnen (unter ihnen immerhin Ibrahim Böhme, Geschäftsführer der SDP) zur Entmilitarisierungsdemo anläßlich des bevorstehenden Kohl-Modrow-Treffens blieb wenig Zeit.

Struktur(ierung) notwendig

Gewundert habe ich mich, daß die doch erheblichen Veränderungen, die für Teile der bundesdeutschen Friedensbewegung jetzt anstehen und ihre Auswirkungen auf die regionalen und überregionalen Arbeitsstrukturen der Friedensbewegung (zumindest im Plenum) nicht diskutiert wurden.

Für die nächsten Sitzungen bleibt eine gute vorherige Strukturierung unerläßlich, außerdem ist es hilfreich, wenn von dem Angebot des Friedenskooperativenbüros Gebrauch gemacht werden würde, vorher Informationen zu verschicken, um so ein großes Gremium arbeits- und diskussionsfähig zu halten.
Bleibt zu fragen, ob die Friedenskooperative es schaffen wird, nicht nur zur „Altersversorgung von Friedensfunktionären" zu dienen, wie während der Sitzung geäußert wurde.

Die Befürchtung ist nicht so abwegig, immerhin bewegt man und frau sich doch größtenteils in einem bekannten kleinen Zirkel von Hauptamtlichen. Das Interesse und die Attraktivität von Friedensthemen hat jedenfalls·rapide abgenommen.

Gerade jetzt, wo im öffentlichen Bewußtsein die Abrüstung ''gelaufen" ist, wo fast täglich neue Meldungen über Politikerforderungen nach Rüstungs- und Wehrzeitkürzungen erscheinen, ist es wichtig, auf die lästigen Wahrheiten des nach wie vor bestehenden Rüstungswahns hinzuweisen:

  • auf die immer noch horrenden Rüstungsausgaben, auf neue Aufrüstungspläne und Tiefflugterror und Rüstungsexporte nicht als Kavaliersdelikte durchgehen zu lassen.

Gleichzeitig müssen wir unsere eigenen Visionen einer künftigen europäischen Friedensordnung artikulieren. Es wäre jammerschade, die in der Friedenskooperative vorhandenen fachlichen und organisatorischen Kompetenzen dafür nicht zu nutzen.

 

 

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Im Blickpunkt
Beate Roggenbuck ist Mediatorin BM, Trainerin und war Vorstandsmitglied von „Den Krieg überleben“ von 1994 – 2002.