Eine Woche vor Ostern rufen wir mit unserem Aufruf "Kriege stoppen - Frieden und Abrüstung jetzt! " in mehreren Zeitungen zur Teilnahme an den Ostermärschen 2025 auf. Hilf auch du mit bei der Mobiliserung!
Friedensbewegung in Serbien und Montenegro
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Es gibt in Serbien und Montenegro eine Reihe von Friedens- und Menschenrechtsgruppen, die sich mit vielfältigen Aktivitäten gegen Krieg und Totalitarismus und für eine friedliche, demokratische Gesellschaft einsetzen. Wir möchten in diesem Friedensforum eine Reihe nicht so bekannter Gruppen vorstellen, die Bodo Weber im Frühjahr dieses Jahres besucht hat.
Gesellschaft für Frieden und Toleranz, Backa Palanka:
Backa Palanka ist eine Kleinstadt mit ca. 20.000 Einwohnern, die überwiegende Mehrzahl Serben. Trotzdem leben aber insgesamt 17 Nationalitäten in der Stadt, die die direkt an der Grenze zu Kroatien liegt, bzw. der Region Baranja und Ostslawoniien (sog. UNPA-Ost), welche von Serben kontrolliert wird. Backa Palanka war eine der Hochburgen des Nationalismus von Beginn an, aus ihr kommen so zentrale politische "Persönlichkeiten" wie der frühere Minister und heutige Chef des serbischen Zolls Mihajl Kertes. Wie auch im übrigen Serbien herrscht bei denen, die nicht nationalistisch eingestellt sind, heute Angst und Apathie vor.
Die Gesellschaft für Frieden und Toleranz hat sich 1994 gegründet, eine Registrierung wurde ihr allerdings bis jetzt von staatlicher Seite verwehrt. Nichtsdestotrotz hat die Gruppe, welche ca. 10 Mitglieder umfasst, verschiedenen Projekte am Laufen:
- Plakat-Aktion: Aktivisten haben Plakate entworfen mit friedenspolitischem Inhalt, die sie regelmäßig in der Stadt aufhängen.
- Veranstaltungen: Bisher wurden einige öffentliche Veranstaltungen organisiert, z.B. mit Mitgliedern von holländischen Friedensgruppen über Struktur und Aktivitäten der Friedensbewegung in Westeuropa. Im Moment ist ein Veranstaltungsreihe zum Thema Menschenrechte geplant, zu der u.a. der ehemalige jugoslawische Außenminister Mirko Tepavac eingeladen werden soll.
- Gewaltfreie Konfliktlösung: Regelmäßige Trainings für die Gruppenmitglieder und eine Anzahl von Lehrern aus Backa Palanka wurden bisher organisiert. Da der Lehrer-Kreis sich mittlerweile sehr gut entwickelt hat, plant die Gesellschaft, jetzt auch Lehrer aus den umliegenden Dörfern in die Trainings einzuschließen.
- Most-Mira/Brücke des Friedens: Dieses in Mohacs/Ungarn angesiedelte internationale Projekt zielt darauf ab, durch Treffen von Aktivisten, Flüchtlingen u.a. aus Kroatien und Serbien und dem besetzten Ostslawonien auf neutralem Boden, unterbrochenen Kontakt wieder aufzubauen und dadurch zu Verständigung beizutragen. Die Gesellschaft beteiligt sich intensiv an diesem Projekt, so arbeitet etwa ein Mitglied zurzeit fest in Mohacs. Die Gruppen hat gute Kontakte zu Einzelpersonen im Sektor Ost, z.B. nach Ilok, aufgebaut, mit denen sie in regelmäßiger Verbindung steht. Bei einem Besuch von Zdravko Marjanovic, der eine Art Koordinator der Gesellschaft ist, beim Friedenszentrum in Osijek ist er auch mit Vertretern vom kroatischen Flüchtlingsverband zusammengetroffen. Bei dieser Gelegenheit entstand der Plan, ein Treffen der Flüchtlingsvereinigungen aus allen ehemaligen jugoslawischen Republiken auf die Beine zu stellen. Es ist für den 22. Juni vorgesehen, Zdravko organisiert das Ganze auf der serbischen Seite.
Die Gruppe verfügt über einen Computer mit Modem. ein Fax werden sie demnächst bekommen. Als Büro dient Zdravkos Wohnung. Finanziell sind sie schlecht versorgt, so stellt etwa jede Reise zu Treffen in Mohacs ein Geldproblem dar.
Montenegrinisches Helsinki-Komitee
Das Montenegrinische Helsinki-Komitee, Mitglied der Internationalen Helsinki Föderation für Menschenrechte, wurde Ende Oktober 1994 gegründet. Es besteht aus etwa 20 Mitgliedern, die in verschiedenen Orten Montenegros, etwa in Podgorica, Cetinje, im Sandzak, Budva, Tivat, Ulcinj und anderswo leben. Aktivitäten:
- Arbeit gegen Vertreibung von Minderheiten: diese ist zur Zeit das zentrale Projekt des Komitees. MitarbeiterInnen sind gerade dabei, genaue Zahlen über das Ausmaß an Auswanderungen aufgrund von Diskriminierungen zu sammeln. So etwa zur kroatischen Minderheit in Tivat, zur albanischen in Ulcinj und zur muslimischen Bevölkerung im montenegrinischen Teil des Sandzaks. Gleichzeitig wird versucht, gegen Menschenrechtsverletzungen vorzugehen und politisch Druck zu machen für Minderheitenrechte, wie etwa im Bereich der Bildung.
- Das Komitee übt Druck auf staatliche Stellen aus, damit während des Krieges mit Kroatien aus der Region Dubrovnik entwendeten Kunstschätze und Wertgegenstände zurückgegeben werden. Hierbei waren sie schon recht erfolgreich, Teilrückgaben fanden bereits statt.
- Daneben mischt sich das Helsinki-Komitee permanent in aktuelle Fälle ein, wie etwa die Vertreibung von Roma und die Niederbrennung ihrer Siedlung Ende April in der Stadt Danilovgrad oder etwa den zahlreichen Prozessen gegen unabhängige Journalisten wegen angeblicher Verleumdungen. Das Komitee verfügt weder über ein eigenes Büro, noch über Fax oder Computer. Es steht in Verbindung mit der Zentrale in Wien und dem serbischen Helsinki-Komitee und hatte auch schon einige internationale Kontakte, blieb bisher jedoch ohne finanzielle oder materielle Unterstützung bei ihrer so wichtigen Arbeit.
Sanzacki odbor za Zastitu Ljudskih Prava i Sloboda / Sandzak Komitee für den Schutz von Menschenrechten und Freiheit, Novi Pazar
Der Sandzak ist eine Region, die je zur Hälfte in Serbien und in Montenegro liegt und in der die Muslime ca 50% der Bevölkerung ausmachen (vor dem Krieg etwa 250.000). Novi Pazar stellt zugleich die größte Stadt und das Handelszentrum dar, mit einem muslimischen Bevölkerungsanteil von 80%. Der Sandzak erlebt seit 1991 systematische Menschenrechtsverletzungen, die zur fast vollständigen "ethnischen Säuberung" in einem Streifen von ca. 40 km entlang der bosnischen Grenze und dem Exodus von 80.000 Muslimen geführt haben. Im Unterschied zur Situation im Kosovo ist aber im Sandzak nicht das Verhältnis der Ethnien das Problem, sondern beschränkt sich dieses weitestgehend auf den Konflikt zwischen Behörden und Minderheit. Zur Bekämpfung dieser Situation wurde 1991 das Menschenrechtskomitee in Novi Pazar gegründet. Es hat 25 Mitglieder, der Präsident ist Safet Bandzovic. Das Komitee hat Büros in vielen verschiedenen Orten im Sandzak, die in permanentem Kontakt mit der Zentrale stehen.
Aktivitäten:
- In erster Linie sammelt und dokumentiert das Komitee Fälle von Menschenrechtsverletzungen. Jedes Opfer wird befragt, eventuelle Folterspuren fotografiert, alles dann dokumentiert und an die Öffentlichkeit weitergeben.
- Daneben organisiert es Anwälte als rechtlichen Beistand für Verhaftete, auch für Flüchtlinge.
- Auch Informationen über Kriegsverbrechen werden gesammelt.
- Regelmäßig werden Berichte veröffentlicht über die aktuelle Situation.
Außerdem hat das Komitee zahlreiche Bücher veröffentlicht zur Menschenrechtsentwicklung. Das Sandzak Menschenrechtskomitee unterhält gute Kontakte zu serbischen und montenegrinischen Menschenrechtsorganisationen, zu Amnesty International, der Europäischen Menschenrechtskomission, zur Menschenrechtskomission der Vereinten Nationen und anderen. Es verfügt über ein Büro, Fax, Computer und Modem. Das meiste wurde von internationaler Seite gespendet. Das war allerdings bisher schon alles an Hilfe von außen. Laufende Kosten, die zwischen 1.500 und 3.000 DM liegen, müssen aus einheimischen Spenden finanziert werden, was sich zunehmend schwieriger gestaltet. Nicht nur wegen der wirtschaftlichen Lage, sondern auch deswegen, weil viele Angst haben, Geld zu geben, weil Spender schon von der Polizei verfolgt und auch misshandelt worden sind. Alle Mitarbeiter arbeiten unentgeltlich, auch Ärzte und Anwälte.
Eine weitere Ausweitung der Aktivitäten, wie etwa die Einrichtung zusätzlicher lokaler Büros oder die Übersetzung von Publikationen ins Englische, hängt also völlig von fremder Hilfe ab.