Aufruf zum Gespräch

Friedensbewegung und Forschung sollten mehr miteinander sprechen

von Andreas Buro

In den 60er Jahren hat die Friedensbewegung immer wieder gefordert, es sollten Friedensforschungsinstitute eingerichtet werden. Es solle nicht nur um die Analyse von Machtstrukturen gehen, sondern auch um die Erforschung der Möglichkeiten, Frieden zu erhalten und die Bedrohung durch Aufrüstung und nukleare Abschreckungsstrategien zu überwinden. Am 1. Juli 1970 trat der neu gewählte Bundespräsident Gustav Heinemann vor dem Bundestag für einen Aufbau der Friedensforschung ein. Die deutsche Friedensbewegung hat dies mit großen Erwartungen zur Kenntnis genommen, gab es doch bis dahin nur eine Forschung, die sich auf die Konfliktberatung der Regierungspolitiken konzentrierte. Politikberatung dieser Art war für die Friedensbewegung nie befriedigend, ging es ihr doch gegenüber den Regierenden um eine Friedensberatung, also wie Kriege verhindert, bestehende deeskaliert und Konflikte zivil bearbeitet werden könnten.

Trotz des Aufbaus der Friedensforschung seit dieser Zeit hat sich im großen Ganzen kein intensiver Dialog zwischen Bewegung und Forschung ergeben. Eines der ‚Distanzthemen‘ war die große Bedeutung der Rüstungskontrolle für die Forschung, während die Bewegung an Abrüstungsstrategien interessiert war. Allerdings gab es auch für die Bewegung sehr wichtige Forschungsarbeiten. Ich nenne nur die bahnbrechende Kritik von Dieter Senghaas an den Abschreckungsstrategien von West und Ost. Doch auch als sich in späteren Jahren in der Friedensforschung eine kritischere Richtung herausbildete, kam es nicht zu einem ständigen Dialog zwischen Forschung und Bewegung.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass es weder eine einheitliche Friedensbewegung noch eine einheitliche Friedensforschung gibt. Beide vereinen in sich Personen und Gruppierungen mit recht unterschiedlichen Grundauffassungen. Diese haben auch unterschiedliche Nähe oder Distanz zueinander. Nähe wird es zum Beispiel bei sehr Vielen in Hinblick auf die Notwendigkeit der Abrüstung von Kernwaffen geben, wobei der Weg dorthin schon wieder diskussionsbedürftig seien dürfte. Pazifistische Anschauungen in der Friedensbewegung treffen in der Forschung vielfach auf Vorbehalte. Ist es nicht doch erforderlich, Militär als ultima ratio vorzuhalten? Auch die zivil-militärische Zusammenarbeit wird höchst unterschiedlich beurteilt. Ich breche hier ab, alle Felder zu benennen.

Dennoch gibt es, so meine These, die große Gemeinsamkeit, dafür Sorge zu tragen, dass Konflikte nicht mit militärischen Mitteln ausgetragen werden, sondern mit zivilen. Diese Zielsetzung erhält angesichts der gegenwärtigen großen globalen Machtverschiebungen, der Klima-, Ökologie- und Armutsprobleme, wie auch der enorm unterschiedlichen Reichtumsverteilung eine stets steigende Bedeutung. Ist nicht eine Katastrophe und Unfriedlicheit größten Ausmaßes zu erwarten, wenn die voraussehbaren Konflikte militärisch ausgetragen würden!

In der deutschen Friedensbewegung wird diese Problematik unter dem Stichwort ‚Zivile Konfliktbearbeitung‘ diskutiert. Erfahrungen aus zivilen Interventionen und Diensten werden zusammen getragen und Strategie-Modelle entwickelt. Die Friedensforschung hält sich in diesem Bereich nach meiner Kenntnis  weitgehend zurück. Ekkehart Krippendorff hat jüngst der Friedensforschung in dieser Hinsicht sogar Versagen vorgeworfen (Freitag vom 26.5.2011, S.11). Allerdings liegt ein wichtiges Buch von Harald Müller „Wie kann eine neue Weltordnung aussehen? Wege zu einer nachhaltigen Politik“ (Fischer Taschenbuch Verlag 2008) vor, das aus nicht-pazifistischer Sicht diese Thematik behandelt, also auch einen Ausgangspunkt aus der Friedensforschung markiert.

Der Dialog zwischen Forschung und Bewegung sollte von dem genannten gemeinsamen Interesse ausgehen, wie militärischer Konfliktaustrag vermindert und letztlich auch verhindert werden kann. Dabei geht es vorrangig darum, die zivilen Möglichkeiten zu stärken und in der Öffentlichkeit als wirksame Alternative bekannt zu machen. Krieg ist nicht alternativlos! Dazu müssen auch die den Krieg legitimierenden Ideologien des ‚gerechten Krieges‘, der ‚humanitären Intervention‘ und des Militärs als ultima ratio deutlich und öffentlich kritisiert werden. Es geht darum, die zivile Konfliktbearbeitung zum Mainstream werden zu lassen, um die Bereitschaft der Politik zu wecken, sie zur Richtlinie ihrer Politik zu machen und dazu auch die erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen. Eine engere Zusammenarbeit zwischen Bewegung und Forschung könnte hierzu wesentlich beitragen. Über die Möglichkeiten hierzu sollten wir den Dialog zwischen Forschung und Bewegung verstärkt aufnehmen.

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