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Hoffnungen auf einen palästinensisch-israelischen Dialog
Friedensbewegung während der Intifada
vonEs scheint paradox: Trotz des Leides der Palästinenser in den Israelis besetzten Gebieten, trotz der Versuche des israelischen Militärs, die Intifada, den Aufstand der Palästinenser brutal zu unterdrücken, gibt es eine Annäherung der Positionen von gesprächsbereiten Israelis und den Palästinensern.
Sie haben ein gemeinsames politisches Motto: "Gebiete für Frieden". Das heißt: Rückgabe der besetzten Gebiete im Austausch für die Anerkennung Israels durch die PLO und die arabischen Nachbarstaaten.
Diese an sich gute Nachricht hat allerdings einen Haken: Während über 90% der Bewohner der Westbank und des Gazastreifens inzwischen bereit sind, den Staat Israel anzuerkennen und auf den Traum von der Rückkehr nach Jaffa und Haifa zu verzichten, wenn sie in den jetzt besetzten Gebieten einen eigenen Staat bekommen, stimmen bisher nur etwa 10% der Israelis einem solchen historischen Kompromiß zu. Dennoch ist diese Entwicklung revolutionär. Noch vor zwei Jahren hätte kein Politiker im Nahen Osten, kein Politologe sie für möglich gehalten. Erstmals haben sich die Palästinenser verbindlich auf ein realisierbares Programm geeinigt, und erstmals stimmt ein so relativ großer Teil der israelischen Bevölkerung den Forderungen der Palästinenser zu.
Möglich wurde diese Entwicklung durch die Intifada, den Aufstand der Palästinenser in den israelisch besetzten Gebieten. Seit fast zwei Jahren leisten sie jetzt dem israelischen Militär Widerstand in einem symbolischen Krieg mit symbolischen Waffen, vor allem aber mit einem neuen Selbstbewußtsein und dem festen Glauben daran, daß es kein zurück mehr gibt, bis Israel sich aus den besetzten Gebieten zurückzieht.
Israels Probleme mit der Intifada
Israel wurde durch die Intifada vor ein fast unlösbares Problem gestellt, denn der Aufstand hat die Rechtfertigung israelischer Besatzungspolitik in ihren Grundfesten erschüttert.
Wie auch immer Israel sich politisch oder militärisch bewegt, eine Wiederherstellung des Status Quo vor der Intifada ist unmöglich. Denn selbst wenn es gelingen sollte, die Intifada mit militärischen Mitteln zu brechen, ist die Begründung für die Aufrechterhaltung der Besatzung doch nicht mehr zu halten. Die israelische Politik steckt somit in einem Dilemma, es sei denn, Israel verzichtet auf die besetzten Gebiete. Doch das ist mit der derzeitigen Regierung nicht zu machen. Und auch eventuelle vorzeitige Neuwahlen werden die Chancen einer solchen Lösung eher noch verschlechtern.
Politik der eisernen "Faust"
Um die Artikulation von politischem Protest gegen die Besatzung zu verhindern, ging das Militär auch vor der Intifada bereits hart gegen Demonstrationen und Streiks vor, steckte Tausende in die Gefängnisse. Auch offiziell nannte die israelische Regierung ihr Vorgehen gegen die Palästinenser in den besetzten Gebieten "Politik der Eisernen Faust".
Die Strafaktionen des Militärs richteten sich in der Regel nicht nur gegen die eigentliche Zielgruppe (die "Unruhestifter"), sondern wurden zu einer Art Kollektivstrafe: Immer wieder wurden auch andere, nicht unmittelbar Beteiligte von den israelischen Reaktionen betroffen. Besonders deutlich wurde dies im Fall von Schul- und Hochschulschließungen, der Zerstörung von Häusern, in denen "Terroristen" wohnten, willkürlichen Verhaftungen oder Ausgangssperren.
Dabei haben gerade offensichtliche Willkür und der Kollektivcharakter von Strafmaßnahmen zur Konsequenz, daß sich im Grunde jeder politisch betätigen kann, denn Wohlverhalten hat nicht unbedingt Strafverschonung zur Folge, die Abschreckung durch Strafe also greift nicht.
Israels Reaktion auf die Intifada
Angesichts des Palästinenseraufstandes verschärfte Israel die Politik der "Eisernen Faust" und versuchte so, den Druck zu erhöhen. Mehr als 600 Palästinenser wurden bisher getötet, etwa 50.000 (schwer) verletzt; über 400 Häuser wurden zerstört, über 100.000 Bäume entwurzelt oder abgesägt. Tausende Palästinenser sitzen - zumeist ohne Anklage - in Gefängnissen, von denen mehrere erst in den letzten Monaten eingerichtet wurden. Doch dies verfehlte nicht nur den erwünschten Erfolg, sondern erwies sich als kontraproduktiv. Denn nun kamen die Freunde und Förderer Israels in eigene Rechtfertigungsprobleme, zuvorderst die US-Regierung, aber auch die Juden in den USA - bisher zumeist unkritisch auf Seiten Israels - und ebenso kritische Juden in Israel selbst.
Vor allem die "Politik des Knochenbrechens" (Soldaten schlugen gezielt auf Palästinenser ein mit der Absicht, ihnen Arme oder Beine zu brechen), bestätigt durch Aussagen israelischer Militärs und internationaler Ärztegruppen, die exzessive Anwendung der Administrativhaft (Verhaftung ohne Anklage und Gerichtsverfahren) auf politisch aktive Personen und die Deportation von Palästinensern in den Libanon forderten starke Proteste heraus.
Hier liegt die Geburtsstunde der israelischen Friedensbewegung.
Die Friedensbewegungen
Sowohl in Israel wie in den besetzten Gebieten kann man erst seit kurzem von einer Friedensbewegung im Sinne westliche Demokratien sprechen. Dies hat sicherlich mit dem krassen Ungleichgewicht zwischen Israelis und Palästinensern zu tun - zumindest bis zu Beginn der Intifada waren die Palästinenser in den besetzten Gebieten in der schwächeren Position -Israel hatte es nicht nötig, sich mit ihren Forderungen, allen voran das Ende der Besatzungszeit, überhaupt zu befassen.
Mit dem Libanonkrieg 1982 änderte sich die Situation. Vor allem die Bewegung "Peace now", damals unterstützt von der oppositionellen Arbeiterpartei, brachte Zehntausende auf die Straßen, forderte immer wieder ein Ende des Krieges. Nach dem weitgehenden Rückzug Israels aus dem größten Teil des Libanon und dem Eintritt der Arbeiterpartei in die Regierung schliefen dann auch die Aktivitäten von "Peace now" weitgehend ein.
Erst durch das brutale Vorgehen des israelischen Militärs gegen die Intifada erwachte die Bewegung wieder zum Leben. Doch diesmal trafen die verschiedenen Friedensgruppen auf eine neue Situation. Durch die Erfolge der Intifada und die somit gestärkte Position der Palästinenser konnte nun erstmals ein gleichberechtigter Dialog zwischen ihnen und den Israelis stattfinden.
Friedensbewegung in den besetzten Gebieten
Derzeit gibt es in Israel mehr als 50 meist sehr kleine, aber durchaus effektive Gruppen, die einen Frieden mit den Palästinensern suchen. Die Spannweite reicht von der "Peace now"-Bewegung über Solidaritätsgruppen für die von der Militärverwaltung geschlossenen Universitäten bis zu "Jesh Gvul", die offen zu Militärdienstverweigerung aufruft.
Obwohl es Israelis seit 1987 bei Androhung von Gefängnis verboten ist, sich mit Mitgliedern der PLO zu treffen, unterhalten alle Friedensgruppen derartige Kontakte. Das Militär versucht, wenn es von einem solchen Treffen erfährt, dieses zu verhindern, indem der Versammlungsort kurzfristig zum militärischen Sperrgebiet erklärt wird.
Das größte Problem aus Sicht der Friedensgruppen ist die Einstellung der Mehrheit der Israelis zur Besatzung: Sie wird nicht in Frage gestellt. "Im Unterschied zum Libanonfeldzug, wo Hunderte israelische Soldaten starben, kommt uns die Besatzung nicht teuer genug zu stehen. Für die meisten Israelis stellt sich nicht die Frage, warum die 'befreiten Gebiete' mit Gewalt gehalten werden sollten; sie fragen, warum man sie ohne Not 'weggeben' soll."
Doch auch wenn die Friedensbewegungen nach eigener Schätzung nur 10% der israelischen Bevölkerung hinter sich haben, waren ihre Aktionen dennoch erfolgreich. Fast alle israelischen Zeitungen berichten täglich von den Menschenrechtsverletzungen in den besetzten Gebieten und von den Aktionen der Friedensgruppen.
Allerdings können die Palästinenser in den besetzten Gebieten nicht einfach öffentlich eine Organisation oder Gruppe bilden, um mit progressiven jüdischen Israelis Kontakt aufzunehmen. Daher kann man im Grunde nicht von einer palästinensischen "Friedensbewegung" im engeren Sinne reden. Doch es begann eine "Bewegung in Richtung Frieden". Aus einer Position relativer Stärke reichten die Palästinenser in Westbank und Gazastreifen allen verständigungsbereiten Israelis die Hand zum gleichberechtigten Dialog.
Die PLO als ihre politische Vertretung konnte auf Grund der veränderten Machtkonstellation politische Zugeständnisse machen, die vor der Intifada undenkbar waren. Sie verzichtete auf die 1948 verlorenen Gebiete, den bewaffneten Kampf in Israel als Mittel ihrer Politik, erkannte Israel an und proklamierte gleichzeitig einen palästinensischen Staat in der Westbank und dem Gazastreifen, der inzwischen von mehr als 100 Staaten anerkannt ist.
Innerhalb Israels kam es verstärkt zu Kontakten zwischen einzelnen Palästinensern und Israelis, vor allem mit den Mitgliedern der verschiedenen Friedensgruppen. Dies ist nicht ungefährlich: Immer wieder wurden Palästinenser verhaftet, nachdem sie an einem Treffen mit israelischen Gruppen teilgenommen hatten. Prominentestes Beispiel ist der Leiter des Forschungs- und Dokumentationszentrums in Ostjerusalem, Feisal Husseini. Keiner von ihnen wurde eines Vergehens angeklagt, sie alle wurden Administrativhäftlinge.
Sowohl die PLO wie auch deren Sprecher in den besetzten Gebieten haben inzwischen deutlich gemacht, daß weitere Zugeständnisse von ihnen nicht zu erwarten sind. Auf die bisherigen hat Israel bislang nur mit dem "Shamir-Plan" reagiert, der - mit Ausnahme des Punktes "Wahlen in den besetzten Gebieten" unter bestimmten Bedingungen - von den Palästinensern rundweg abgelehnt wird.
Gibt es eine Hoffnung?
Verständigungsbereite Israelis und Palästinenser hegen gemeinsam die Hoffnung, daß die von ihnen aufgezeigte Möglichkeit des Dialogs westliche Regierungen und ihre eigenen Landsleute davon überzeugt, daß die Situation sich geändert hat, daß die einzig vernünftige Lösung des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern die Schaffung eines palästinensischen Staates an der Seite Israels ist. Nicht nur ein konstruktives Miteinander von Israelis und Palästinensern wäre dann mögliche, sondern auch die Anerkennung Israels durch seine arabischen Nachbarn und eine Entspannungspolitik, die es allen Seiten ermöglichen würde, sich mit den eigentlichen Problemen der Region zu beschäftigen: soziologischen, wirtschaftlichen, ökologischen.
Und es ist die Hoffnung beider Seiten, daß die westlichen Länder ihren Beitrag zu einer solchen Entwicklung leisten.
Den Artikel entnahmen wir leicht gekürzt der Zeitschrift "pogrom" 150 vom September 1989.