Schule und Bundeswehr

Friedensbildung an die Schulen!

von Bernd Rieche

Friedensbildung gehört in die Schulen, die Gesetzeslage hierzu ist jedenfalls eindeutig. Im Grundgesetz steht in der Präambel „...dem Frieden der Welt zu dienen“. Die Landesverfassungen leiten aus diesem Friedensauftrag einen entsprechenden Erziehungsauftrag der Schulen ab, bspw. Thüringen: „die Friedfertigkeit im Zusammenleben der Kulturen und Völker … zu fördern“ (Art. 22) oder Baden-Württemberg: „Die Jugend ist ... zur Brüderlichkeit aller Menschen und zur Friedensliebe … zu erziehen“ (Art.12).

Bei so viel Auftrag in Verfassungsrang sollte man meinen, dass es um die Friedensbildung in Schulen hierzulande gut bestellt sein müsste.

In der Tat gibt es zu begrüßende Entwicklungen: Fast flächendeckend gibt es Streitschlichtungs- und ähnliche Programme, die einen konstruktiven Umgang mit Konflikten und Gewaltminderung der SchülerInnen untereinander fördern. Auch manche Erkenntnisse der Friedensforschung sind im Politik-Unterricht angekommen, Krieg und Militär werden nicht offensichtlich verherrlicht.

Fraglich bleibt, ob die Aktivitäten der Bundeswehr an Schulen diesem Friedensgebot entsprechen. Sie bemüht sich um wachsende Akzeptanz ihrer Einsätze im Ausland und um Rekrutierung von Nachwuchs nach Wegfall der Wehrpflicht. Angesichts der Fantasielosigkeit und Neigung von PolitikerInnen und auch großer Teile der Gesellschaft, bei gewaltsamen Konflikten über kurz oder lang militärisches Eingreifen zu verlangen, wäre eine kritische Auseinandersetzung mit der Rolle des Militärs und noch mehr mit den Möglichkeiten der Prävention und zivilen Intervention dringend nötig. Eine Aufgabe auch für die Schule!

Kooperationsvereinbarungen
Eine neue Qualität der Zusammenarbeit zwischen Bundeswehr und Schule wurde im Jahr 2008 begonnen. Das Kultusministerium Nordrhein-Westfalen und das zuständige Wehrbereichskommando II der Bundeswehr unterschrieben eine Kooperationsvereinbarung, wonach Jugendoffiziere im schulischen Kontext über die „zur Friedenssicherung möglichen und/oder notwendigen Instrumente der Politik“ informieren und dabei „Informationen zur globalen Konfliktverhütung und Krisenbewältigung genauso wie Informationen zu nationalen Interessen einzubeziehen“ seien. Jugendoffiziere sollen darüber hinaus in die Aus- und Fortbildung von Lehrkräften eingebunden werden, das Besuchen von Einrichtungen der Bundeswehr wird ausdrücklich vorgesehen und die Bildungsangebote der Bundeswehr werden durch das Ministerium verbreitet. In den Jahren 2008-2011 folgten in der Grundausrichtung ähnliche Kooperationsvereinbarungen zwischen der Bundeswehr und den Kultusministerien in Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland und Sachsen. Obwohl es seit den 1950er Jahren übliche Praxis ist, dass Lehrkräfte Jugendoffiziere als externe ReferentInnen in ihren Unterricht einladen, gehen diese Kooperationsvereinbarungen darüber weit hinaus. Auch wenn die Jugendoffiziere nicht für Tätigkeiten innerhalb der Bundeswehr werben, denn so ist es zumindest in den Kooperationsvereinbarungen festgelegt, sind jedoch in der Praxis Information und Werbung oft schwer voneinander zu trennen. Jugendoffiziere vermitteln eine Sicht auf die politischen und militärischen Handlungsspielräume und Notwendigkeiten, die in der Friedensarbeit in ihrem Grundansatz kritisch gesehen wird.

Prominentes Beispiel ist das von der Bundeswehr angebotene sicherheitspolitische Simulationsspiel Po&Lis. Problematisch ist nicht, dass es besonders militaristisch wäre, was es nicht ist, sondern eher die unterschwelligen Botschaften, wie „Militär ist ein Mittel der internationalen Politik“ oder, dass das Spiel von freundlichen, adretten Damen und Herren der Bundeswehr angeleitet wird, die sich dabei so ganz nebenbei als kompetente RatgeberInnen darstellen. Problematisch ist auch, dass die Bundeswehr sich hier als Akteur der politischen Bildung zeigt – was eine Überschreitung ihres Mandates ist.

Friedensbewegung in die Schule?
In letzter Zeit oft zitiert und diskutiert in diesem Zusammenhang wird der „Beutelsbacher Konsens“. In diesem wurden 1976 drei Grundprinzipien des Politikunterrichts festgelegt: das Überwältigungsverbot (auch: Indoktrinationsverbot), das Gebot der Kontroversität (auch: Gegensätzlichkeit) und das Prinzip der Schülerorientierung, d.h. SchülerInnen sollen zu eigenem politischen Verständnis und Handeln befähigt werden.

Mithilfe des Kontroversitätsgebotes wird argumentiert, dass, wenn die Bundeswehr in die Schule geht, auch friedensbewegte ReferentInnen eingebunden werden müssten.

Entsprechend formuliert die durch die rot-grüne Regierung überarbeitete Kooperationsvereinbarung von 2012 in NRW nunmehr, dass „unterschiedliche Institutionen und Organisationen gleichberechtigt und gleichgewichtig einbezogen und berücksichtigt werden“.

Die Notwendigkeit von Friedensbildung an Schulen ist keine Frage des Ausgleichs zur Bundeswehr, sondern ergibt sich grundlegend aus dem in den Verfassungen festgeschriebenen Auftrag zur Förderung des Friedens.

Wichtiger noch ist, dass die Lehrkräfte für den Unterricht verantwortlich sind und selbst entscheiden können, wie sie Friedensbildung umsetzen und wen und wie sie gegebenenfalls Externe dazu einladen. Letztlich müssen Schulen ausreichend Ressourcen und Lehrer Innen die Kompetenz haben, Friedensbildung angemessen und differenziert im Unterricht zu betreiben. Eine kompetente Lehrerin kann auch mit einem Besuch der Bundeswehr umgehen und deren Auftreten entsprechend kritisch reflektieren. Meist wird den Jugendoffizieren jedoch der Unterricht überlassen, als willkommene Entlastung der LehrerInnen. Ein Besuch der Jugendoffiziere für die Schulen ist kostenfrei, dafür bezahlt die Bundeswehr fast 100 hauptamtliche und über 200 nebenamtliche Jugendoffiziere. Die Einladung anderer ReferentInnen in den Schulunterricht ist dagegen oft mit Kosten für die Schulen verbunden.

Die privilegierte Einbeziehung der Jugendoffiziere in den Schulunterricht durch die Kooperationsverträge verletzt den Beutelsbacher Konsens. Auch wenn diese selbst vorgeben, ihn einzuhalten, können sie dies letztlich nicht, da sie die politischen Richtlinien ihres Auftraggebers, des Verteidigungsministeriums, vertreten müssen.

Gegen diese zunehmende Präsenz der Bundeswehr an Schulen haben sich in zahlreichen Bundesländern Akteure der Friedensbewegung zu Bündnissen wie „Schulfrei für die Bundeswehr“ zusammengeschlossen. Durch kreative Aktionen und politische Arbeit soll die Präsenz der Bundeswehr an Schulen verhindert werden.

Parallel dazu setzen sich friedensbewegte Gruppen dafür ein, Friedensbildung an Schulen zu stärken. Die Kooperationsvereinbarungen der Bundeswehr waren Anlass, nicht Grund, sich intensiver mit Friedensbildung an Schulen zu beschäftigen. Denn Friedensbildung ist unabhängig von Bundeswehr und Militär nötig.

Was macht nun Friedensbildung aus?
Im engeren Sinne wird sie hier verstanden als politische Bildung, die gesellschaftliche Teilhabe und demokratisches Miteinander in begleiteten Lernprozessen fördert und dabei ganzheitlich Kopf, Herz und Hand einschließt und im Fokus den Umgang mit gesellschaftlichen Konflikten hat. Damit ist sie ein Teil einer umfassenden Friedenspädagogik, die beispielsweise auch persönliche Konfliktkompetenz beinhaltet. Diese Begriffe werden aber zum Teil unterschiedlich gebraucht und bedürfen immer wieder einer gemeinsamen Verständigung.

Friedensbildung findet bisher recht wenig statt, es gibt derzeit kaum aktuelles Material für die Schule, welches militärisches Handeln in aktuellen internationalen Konflikten kritisch behandelt. Fast alle militärkritischen Unterrichtsmaterialien sind aus Zeiten der Ost-West-Konfrontation vor 1990 oder thematisieren Fragen der Kriegsdienstverweigerung. Lediglich im Bereich der Zivilen Konfliktbearbeitung sind in letzter Zeit einige Materialien entstanden (siehe Kasten).

Dagegen fehlt eine auch nur annähernd relevante Anzahl gut ausgebildeter  ReferentInnen aus der Friedensbewegung, und es fehlen die Strukturen und AnsprechpartnerInnen, sodass interessierte LehrerInnen häufig nicht wissen, an wen sie sich wenden können. Darüber hinaus fehlen die finanziellen Ressourcen, die es ReferentInnen ermöglichen, für die Schulen kostenfrei in den Unterricht zu gehen, oder die zur Erstellung von aktuellem Unterrichts- und Informationsmaterial eingesetzt werden können.

Projekt „Friedensbildung, Bundeswehr und Schule“
Um Friedensbildung bundesweit zu fördern, haben die Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF) und die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden (EAK) zusammen mit der DFG-VK, der in Schulen aktiven Gewerkschaft GEW, der katholischen Friedensbewegung Pax Christi und der Konferenz für Friedensarbeit im Raum der EKD das Projekt „Friedensbildung, Bundeswehr und Schule“ gestartet. Ziel ist es, für LehrerInnen Material für Friedensbildung verfügbar zu machen und die Voraussetzungen zu schaffen, dass ReferentInnen der Friedensbildung bundesweit eingeladen werden können.

Als erster Schritt wurde die bundesweite Vernetzung vorangetrieben. Ein regelmäßiger Newsletter informiert über Friedensbildung und verfolgt die Aktivitäten der Bundeswehr in der Schule. Im sich regelmäßig treffenden Fachrat des Projektes tauschen sich die Akteure der Friedensbildung, insbesondere der inzwischen gegründeten Netzwerke in einzelnen Bundesländern aus.

Schnell wurde deutlich, dass es nicht sinnvoll ist, eine zentrale Vermittlung für ReferentInnen aufzubauen, da es hierfür regionale Strukturen braucht. Entsprechende Netzwerke haben sich bereits in NRW, Hessen, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz gegründet. Diese werden durch das Projekt durch Fortbildungen, Material  oder Öffentlichkeitsarbeit unterstützt. Ein erstes überregionales Ergebnis ist die Entwicklung des Planspiels „Civil Powker“ (siehe den Beitrag zu „Civik Powker“ von Sandra Bauske in diesem Heft).

Weiterhin wird pädagogisches Material gesichtet und für den Einsatz im Unterricht eingeordnet, wofür ein Kriterienraster erarbeitet wurde. Nach dem Sichten sollen thematische Lücken durch Neuerarbeitung von Lehrmaterial geschlossen werden.

Alle diese Angebote werden demnächst auf der Webseite www.friedensbildung-schule.de zugänglich gemacht.

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Bernd Rieche ist Referent der Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden in Bonn und dort u.a. für die Themen zivile, gewaltfreie Konfliktbearbeitung und Friedensbildung zuständig. Bis 2003 war er Geschäftsführer des Friedenskreises Halle e.V.