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Friedensbrugg - eine Friedensarbeit über gegnerische Linien hinweg
vonAm Rande der grauenvollen Vorgänge in Ex-Jugoslawien droht der Ausgangspunkt des Krieges, der Konflikt zwischen Serbien und Kroatien, in Vergessenheit zu geraten. Auf lange Frist ist ein Frieden im ehemaligen Jugoslawien nur möglich, wenn das Feinddenken zwischen den Ethnien abgebaut und die lange Zeit freundschaftlichen oder zumindest gutnachbarschaftlichen Beziehungen wieder aufgenommen werden. Mit ihrer Vermittlungsarbeit leistet der Verein Friedensbrugg einen Beitrag zum Frieden zwischen den Ethnien Ex-Jugoslawiens: Ermöglichen von persönlichen Begegnungen und zwischenmenschlichen Kontakten über die gegnerischen Linien hinweg, Förderung bestehender Friedensinitiativen, Arbeit in den Köpfen und Herzen der Menschen.
Angesichts der grauenvollen Kriege im ehemaligen Jugoslawien wurde im August 1992 in Basel (Schweiz) der Verein Friedensbrugg, zu deutsch Friedensbrücke, ins Leben gerufen. Ziel der Friedensbrugg ist es, zwischen Menschen der gegnerischen Parteien bzw. unterschiedlichen Ethnien Vermittlungsarbeit zu leisten und sie so zu gemeinsamen, konstruktiven Aktivitäten zusammenzuführen. In diesem Sinne will die Friedensbrugg Brücken bauen über gegnerische Linien hinweg. Durch den direkten Kontakt mit Menschen von "der anderen Seite" werden Vorurteile abgebaut und Schritte zur Versöhnung eingeleitet. Die Vermittlungs- und Aufbaubemühungen von Friedensbrugg konzentrieren sich dabei schwerpunktmäßig auf das Spannungsgebiet um die UNPA Ost, eine Schnittstelle zwischen Serbien und Kroatien.
Die Vermittlungs- und Versöhnungsarbeit von Friedensbrugg zielt über die aktuell notwendige Überlebenshilfe hinaus. Als politisch und religiös neutrale Organisation achten wir auf insgesamt ausgewogene Unterstützung der verschiedenen Bevölkerungsgruppen im ehemaligen Jugoslawien. Dabei orientieren wir uns an den Prinzipien der Gewaltlosigkeit, des Verzichts auf Schuldzuweisung sowie der Unparteilichkeit. Grundsätzlich unterstützen wir nur Gruppen, welche zum Dialog und zur Zusammenarbeit mit der Gegenseite bereit sind.
"Haus der Begegnung" in Mohács, Südungarn
Das zurzeit größte und ehrgeizigste Projekt der Friedensbrugg ist der Aufbau eines Begegnungszentrums in Mohács. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, daß es nicht einfach ist, Projekte zu initiieren, an welchen Menschen oder Gruppierungen aus Serbien und Kroatien direkt und gemeinsam beteiligt sind, so wie es den Zielsetzungen von Friedensbrugg entspricht. Verschiedene Kontakte und Gespräche lassen aber erkennen, daß Menschen auf beiden Seiten durchaus bereit sind, sich mit der jeweiligen Gegenseite auf neutralem Boden zu Gesprächen zu treffen. Um diese Bereitschaft zu unterstützen, betreibt Friedensbrugg ein Begegnungszentrum auf neutralem Gebiet im Süden Ungarns. Der Schwerpunkt des "Hauses der Begegnung" liegt in der Organisation und Durchführung von Vermittlungs-Workshops und des Friedenslagers für Jugendliche sowie in der Zusammenführung von Familien und Flüchtlingen.
Außerdem dient das Begegnungszentrum als Kommunikationsdrehscheibe sowie als Ausgangspunkt für die weitere Projektarbeit im ehemaligen Jugoslawien.
Ein solches Begegnungszentrum entspricht einem wirklichen Bedürfnis. Dies bestätigten die rund 30 Teilnehmer/innen an einem eigens zu diesem Zweck durchgeführten Workshop im Oktober 1993. Teilgenommen haben Mitglieder von Friedens- und Flüchtlingsorganisationen aus Kroatien (Osijek) und Serbien (Novi Sad, Becej, Sombor, Zrenjanin), Vertriebene aus Vukovar, Vertreter/innen von staatlichen, kirchlichen und lokalen Behörden aus Ungarn, dazu Vertreter/innen des UNHCR und von HCA Holland.
Aufgrund dieser breit abgestützten Bedürfnisabklärung sind die Aufbauarbeiten schon weit fortgeschritten. Der Projektleiter ist seit Ende Januar 1994 an der Arbeit, die nötige Infrastruktur ist in Betrieb und seit Anfang April verfügen wir über eine zweite, vollamtliche Arbeitskraft vor Ort. Schwerpunkte des Hauses der Begegnung sind Vermittlungs-Workshops, Vorbereitung des Sommerlagers für Jugendliche und Familienzusammenführungen.
Vermittlungs-Workshops
Ein erster Vermittlungs-Workshop im Rahmen des Hauses der Begegnung fand im März 1994 statt. Mit den Vermittlungs-Workshops verfolgen wir ein zweifaches Ziel: Einerseits geht es darum, persönliche Kontakte und Begegnungen zwischen Angehörigen der verschiedenen Konfliktparteien zu ermöglichen und so zum Abbau von Vorurteilen und Hass beizutragen. Andererseits wollen wir gezielt Fachwissen in den Bereichen multikulturelles Zusammenleben, Demokratie, Menschenrechte etc. vermitteln.
Der erste Vermittlungs-Workshop für Lehrer/innen aus Serbien und Kroatien war diesbezüglich ein voller Erfolg. Dank der persönlichen Begegnung konnten Brücken zwischen Menschen der verschiedenen Seiten geschlagen werden. Herrschte zu Beginn Skepsis und Misstrauen vor, so machten diese im Laufe der Tage einem freundlichen und herzlichen Umgang Platz. Darüber hinaus erhielten die Lehrer/innen viele konkrete Anregungen, wie sie multikulturelles Zusammenleben, Menschenrechte, Friedenserziehung in den Unterricht einbringen können.
Friedenscamps mit Jugendlichen
Letztes Jahr konnten wir - zusammen mit einer Gruppe der HCA Wageningen (Holland) - mit großem Erfolg ein Friedenscamp für Jugendliche in Gödölö (Ungarn) durchführen. Teilgenommen haben rund 40 Jugendliche aus Kroatien, Serbien, Ungarn, den Niederlanden und der Schweiz, und im Zentrum standen wiederum die Kontakte zwischen Teilnehmer/innen aus Serbien und Kroatien. Durch das Camp haben sich viele Freundschaften, Kontakte und Initiativen entwickelt, die bis heute fortdauern.
Aufgrund der außerordentlich positiven Erfahrungen aus diesem Jugendcamp ist für den Sommer 1994 wiederum ein solches in Vorbereitung, diesmal jedoch mit weit größerem Teilnehmer/innen-Kreis. Zusätzlich zu den genannten Ländern werden auch Jugendliche aus Bosnien, Deutschland, Rumänien und der Slowakei teilnehmen, insgesamt rund 250 Personen. Dank intensiver Verhandlungen mit Vertretern der Krajina-Regierung haben wir außerdem erreicht, daß zum ersten Mal eine Delegation Jugendlicher aus der UNPA Ost (u.a. Vukovar) am Friedenscamp teilnehmen kann.
Friedensbrugg-Team anläßlich der Vorbereitungen zum Friedenscamp 1994 in Békéscsaba/Ungarn (v.l.n.r.): Bert Bom (Projektleiter "Haus der Begegnung"), Erika Langhoff-Stürmer (Sekretariat "Haus der Begegnung"), Louis Kuhn (Präsident Friedensbrugg).
Thematischer Schwerpunkt des interkulturellen Friedenscamps ist die Arbeit gegen Rassismus, Nationalismus und Diskriminierung. Die Jugendlichen erfahren am eigenen Leib, was es heißt, in einer multikulturell gemischten Gruppe zusammenzuleben und zusammenzuarbeiten. In Workshops werden eigene Erfahrungen mit Diskriminierung, Nationalismus und Rassismus z.B. durch Theaterspiel, Zeitungs- und Medienarbeit, Auseinandersetzung mit Bildern und Vorstellungen, der Geschichte, Kultur und Sprache auf kreative Weise verarbeitet und umgesetzt. Neben der thematischen Arbeit kommt aber auch die Freizeit und die Möglichkeit zum persönlichen Kennenlernen nicht zu kurz.
Das Friedenscamp findet wiederum in Ungarn statt, diesmal nahe der Stadt Békéscsaba im Südosten Ungarns, wo Angehörige der verschiedensten ethnischen Gruppierungen auf engem Raum zusammenleben. Die Schwierigkeiten und Chancen einer multikulturellen Gesellschaft sind dort bestens bekannt.
Weitere Projekte
Neben den genannten zurzeit wichtigsten Projekten führen wir einige weitere Projekte durch. So beispielsweise einen Workshop an der Primarschule Vladimir Becicô in Osijek. Erfahrene Psychologinnen unterstützen die beteiligten Primarschüler/innen und deren Eltern bei der Aufarbeitung von Kriegstraumata und -erlebnissen und bei der Vorbereitung auf ein friedliches Zusammenleben verschiedener Ethnien.
Weiter bemühen wir uns um den Wiederaufbau von Kindergärten in Vukovar. Dies gestaltet sich jedoch schwieriger, als wir uns vorgestellt hatten. Zwar haben die Behörden und Betroffenen aus Vukovar längst grünes Licht gegeben, doch wehren sich aus Vukovar Vertriebene, die heute in Kroatien leben, gegen jegliche Form von Aufbauhilfe. Denn diese Hilfe kommt in ihren Augen einer Unterstützung einer unrechtmäßigen Regierung und einer Gutheißung der serbischen Besetzung der Krajina gleich. Aufgrund unserer strikten Neutralität müssen wir die Realisierung des Kindergartenprojekts deshalb solange aufschieben, bis wir die Zustimmung beider Seiten haben. Damit dies möglich wird, bemühen wir uns intensiv darum, Begegnungen zwischen Vertriebenen und derzeitigen Bewohnern/innen von Vukovar zu schaffen, nicht zuletzt auch im Rahmen des Hauses der Begegnung und der Friedenscamps.
In solchen Situationen Brücken zu bauen und bestehenden Hass zu überwinden, ist unser Ziel - und eine unabdingbare Voraussetzung dafür, daß Frieden möglich wird.