Editorial

FriedensForum 5-6/2003

von Redaktion FriedensForumMartin Singe

Weihnachten 1914 an der Westfront: ein kleines Wunder geschieht. An Heilig Abend singen britische und deutsche Soldaten gemeinsam in ihren Schützengräben Weihnachtslieder. Am 1. Feiertag kriechen sie vorsichtig aus ihren Gräben, niemand schießt, sie treffen sich im Niemandsland zwischen den Schützengräben, begrüßen sich, feiern, tauschen Zigaretten und Geschenke. Selbst ein Fußballspiel zwischen einem sächsischen und schottischen Regiment ist überliefert.

Ein kleiner, kurzer Frieden von unten an etlichen Frontabschnitten, der nur durch harte Befehle von oben wieder zerstört werden konnte. Im Tagesbefehl vom 2. Feiertag fordert der zuständige britische General die Namen beteiligter Offiziere, um Disziplinarmaßnahmen einzuleiten. Die Offiziere werden aufgefordert, mit allen Mitteln die Refraternisierung durchzusetzen und die Kämpfe weiter zu führen. Selbst Weihnachten 1915 sitzt die Angst den Oberen noch in den Knochen. Briten drohen kurz vor Weihnachten strengste Strafen für neuerliche Fraternisierungen an, die deutsche Oberste Heeresleitung droht jedem Soldaten, der die eigenen Linien verlässt, die sofortige Erschießung wegen Hochverrats an.

Weihnachtswunder werden leider immer seltener. Jugoslawien, Afghanistan, Irak - Deutschland führt wieder Kriege, oder unterstützt zumindest die Kriegsführung der Willigen. Der Schwerpunkt dieses Heftes ist den im Kontext dieser neuen Kriege entwickelten Militärstrategien gewidmet. In ihnen sind praktisch schon weitere Kriege angelegt. Um so wichtiger bleibt das widerständige Handeln der Friedensbewegungen - Wunder wachsen von unten!

In diesem Sinne wünschen wir von der Friedensforum-Redaktion und vom Netzwerk Friedenskooperative Euch und Ihnen Kraft, Mut und Hoffnung für das Neue Jahr 2004!

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Editorial
Martin Singe ist Redakteur des FriedensForums und aktiv im Sprecher*innenteam der Kampagne "Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt".