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Friedensinitiativen in Westslawonien und der früheren Krajina
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Westslawonien war ein attraktives Gebiet für Friedensinitiativen seit 1992. Als Ort für Pilotprojekte der UN in "Peacebuilding" zog es eine gewisse Zahl (inter)nationaler Nichtregierungsorganisationen (NRO) an. Westslawonien war bis zu seiner Rückeroberung durch die kroatische Armee im Mai 1995 teilweise unter serbischer Kontrolle; die Waffenstillstandslinie verlief u.a. quer durch die Kleinstadt Pakrac.
Das Pakrac Freiwilligenprojekt
Die Initiative hatte zunächst 1992/93 UN Civil Affairs und UNOV/UNDP "Social Reconstruction Programme" ergriffen. Doch als diese Projekte bis Sommer 1993 nicht adäquat umgesetzt wurden, begab sich die Antikriegskampagne Kroatien (ARK) nach Pakrac in Westslawonien. Innerhalb von zwei Jahren sind verschiedene Projekte von ARK in und um Pakrac herum entstanden. Es begann mit einem internationalen Workcamp im Juli 93 und wurde zu dem "Freiwilligenprojekt Pakrac". Dieses war das einzige von einer kroatischen NRO betriebene Projekt, dem es gelang, auf beiden Seiten der Waffenstillstandslinie zu arbeiten. In Verbindung und Zusammenarbeit mit der Belgrader Gruppe MOST, einem Projekt des Zentrums für Antikriegsaktion, wurde das Wiederaufbauprojekt ein leuchtendes Beispiel der Zusammenarbeit zwischen Friedensgruppen aus Kroatien und Serbien; unterstützt durch zahlreiche ausländische NROs und "unter dem Schirm der UN", wie die UNO gerne betont.
Der Verein Österreichischer Friedensdienste, der seit September 1993 jeweils vierköpfige Teams für ein Jahr in Kroatien hatte, war lange Zeit die einzige NRO, die vorwiegend auf der 'serbischen' Seite tätig war und dort eine unglaublich wertvolle Arbeit leistete. Ich möchte einen kurzen Überblick über die Arbeit und Aktionen der "Pakrac Freiwilligen", wie die lokale Bevölkerung sie einfach nannte, geben.
Mehr als 250 Freiwillige aus 24 Ländern Europas, Nordamerikas, Australiens und Chile kamen für jeweils 3-Wochen, um acht oder mehr Stunden an dem physischen Wiederaufbau und sozialen Aktivitäten in der "Freizeit" zu arbeiten. Zusammengerechnet macht dies ca. 30.000 Stunden physischer Arbeit und nicht weniger bei anderen Aktivitäten. Dazu gehörten: regelmäßige Englischstunden, Aktivitäten mit Kindern, sportliche Ereignisse, kulturelle Veranstaltungen (Rockbands aus England und ein Friedenszirkus aus Schweden), Workshops in Gewaltfreiheit, Friedenserziehung, Kreativität, Schulmanagement, Gesundheit, Emailnutzung etc., Diskussion von Umwelt-und Geschlechtsrollen-Themen; Email-Kontakte zwischen Oberschülern aus Pakrac und den USA; eine wöchentliche Radioshow; regelmäßige Besuche bei Alten und Isolierten; Rundbriefe. Und, man glaube mir, viel, viel mehr, denn die Anwesenheit der internationalen Freiwilligen drehte sich nie darum, in einem Büro vorgeplante Ziele oder "schnelle Versöhnung" zu erreichen. Hingegen ging es darum, in einer zu 70% zerstörten und geteilten Stadt zu leben, Toleranz und Sensibilität mitzubringen (aktives Zuhören!), Respekt gegenüber den Menschen vor Ort und Solidarität mit ihren Verlusten zu zeigen, unabhängig von ihrer Nationalität.
Harte Arbeit, sehr harte Arbeit - 50 Meter von der Demarkationslinie und Minenfeldern entfernt leben und versuchen, Freundschaften mit Einheimischen auf den verschiedenen "feindlichen Seiten" zu gründen (was einfach ist) und zu bewahren (versuche es, und sehe wie schwierig dies ist). Abgesehen von der Antikriegskampagne und den Freiwilligen schien Westslawonien den anderen kroatischen NGOs zu heiß für Friedensarbeit zu sein.
Nach der Rückeroberung
Nach der kroatischen Militäraktion im Mai 1995 und dem Verschwindender Waffenstillstandslinie kehrte das gesamte Gebiet unter die Kontrolle der kroatischen Regierung zurück. Was jetzt? war die zentrale Frage für alle, die in Westslawonien Friedensarbeit machten. Die Mehrheit der serbischen Bevölkerung aus der Ex-Krajina floh und flieht aus dem Gebiet.
Der Schock für die gewaltfreien FriedensarbeiterInnen, die auf eine baldige friedliche Lösung hofften und die Trauer darüber, daß 70%, 80%, ja bis jetzt beinahe 90 % der 15.000 SerbInnen in der Region geflohen waren, wurde allmählich durch das Bewußtsein ersetzt, daß in weniger militarisierten und nicht geteilten Gebieten Friedensarbeit sogar effizienter sein kann. Die Verbindungen mit MOST und dem Zentrum für Antikriegsaktion Belgrad wurden genutzt, um das Schicksal der Flüchtlinge in Nordbosnien, Serbien und der Baranja zu verfolgen. Gleichzeitig nahmen neue NROs ihre Arbeit im Pakrac-Gebiet auf.
Sehr schnell reagierte die Koordination der Menschenrechtsgruppen in Kroatien. Mitte Mai eröffneten sie das "Büro für Menschenrechte und die Herstellung von Vertrauen" in Pakrac. Jeweils zwei MenschenrechtsaktivistInnen aus Osijek, Split, Pula, Rijeka, Porec, Zagreb usw. kamen für jeweils eine Woche, um für die lokale serbische Bevölkerung zur Verfügung zu stehen. Jeden Tag kamen bis zu siebzig Menschen, um Rat oder Information zu suchen oder auch nur einfach ihre Geschichte zu erzählen. Jetzt, nach vier Monaten, plant das Büro, mehr langfristige Projekte anzugehen.
"Otvorene Oci" ("Offene Augen"), der kroatische Zweig des Balkan Peace Teams, waren die ersten im Feld nach der Militäraktion. Sie unterstützten kroatische FriedensaktivistInnen, hielten 24 Stunden am Tag'ihre Augen offen', stellten Verbindungen zwischen verschiedenen UNeinheiten, NROs und lokalen Gruppen. Meiner Ansicht nach war dies der Höhepunkt der großartigen Arbeit von Otvorene Oci in Kroatien. Ihre Berichte wurden bei verschiedenen Gelegenheiten beinahe wie offizielle Dokumente behandelt.
Das Zentrum für Frauen-Opfer des Krieges aus Zagreb stellte Teams zusammen, die die dringendst benötigte humanitäre Hilfe in den ersten Wochen leistete, als hunderte von Männern im Gefängnis saßen und ihre Frauen und Kinder auf sie warteten. Unterstützt durch ein Fahrzeug von Oxfam, gaben diese mobilen Teams kroatischer Frauen einer Reihe von Familien entscheidende Unterstützung.
Derzeit hat ein Informationszentrum die Arbeit in Pakrac aufgenommen. Sein Zweck ist, allen NROs, Regierungseinrichtungen und BesucherInnen mit Informationen, Kontakten und durch die Bereitstellung von Räumen zur Verfügung zu stehen, die das Gebiet besuchen.
Das Pakrac Freiwilligenprojekt baute eine fruchtbare Zusammenarbeit mit der Fakultät für Sozialarbeit an der Uni Zagreb auf und bezieht StudentInnen in ihre Nachbarschaftsarbeit mit ein.
Eine große Zahl weiterer Gruppen - NROs und "Quasi-NROs" sind in Westslawonien tätig. Ich habe hier diejenigen aufgezählt, deren Arbeit längerfristiger Natur war/ist und die als ein Ziel haben, die Beziehungen zwischen den beiden ehemals geteilten Gemeinschaften zu verbessern.
Lektionen nach der Militäraktion
Aus der viertägigen Militäraktion haben wir folgende Lehren gezogen: - Es war eine extrem schwere Zeit für alle FriedensaktivistInnen, die sich der Gewaltfreiheit verpflichtet fühlen. - Es ist ein erstaunlicher Mangel an realer finanzieller Unterstützung verglichen mit den Versprechungen, die verschiedene hochrangige Besucher machten, festzustellen. - Das Interesse an dem Gebiet nach dem Verschwinden der Demarkationslinie verschwand. (Das Freiwilligenprojekt reagierte darauf mit der Feststellung: "Wir arbeiten daran, Grenzen zwischen Menschen zu überwinden. Wir brauchen keine Unterstützung von Leuten, die nur durch die physische Existenz der Waffenstillstandslinie angezogen waren.")
Westslawonien - ein Modell für den Rest der Krajina?
Nach der Rückeroberung des Hauptteils der Krajina Anfang August diskutieren und planen die Friedens-und Menschenrechtsgruppen Projekte in diesen Gebieten. Zu viele Menschen flohen und ich muß sagen, daß ich mich immer noch in einem 'Schockzustand' fühle. Die zivile Gesellschaft und die Friedensbewegung mit der Antikriegskampagne könnte eine Menge anbieten. Es gibt bereits Pläne für Menschenrechtsbüros in Vrhovine und Knin. Wir hoffen, daß Oxfam bei der Finanzierung hilft. Wer außerdem?
Ziel des "Büros für Menschenrechte und Wiederherstellung von Vertrauen", das das Dalmatinische Solidaritätskomitee in Knin eröffnen will, ist, die Menschenrechte derjenigen Serben und Serbinnen, die im Gebiet geblieben sind, zu schützen. Häuser werden geplündert und in Brand gesteckt, Flüchtlinge daran gehindert, in ihre Dörfer zurückzukehren. Auch die KroatInnen, die jetzt in die Krajina zurückkehren, werden wirtschaftlich vor dem Nichts stehen. In Knin selbst wurde eine Suppenküche eingerichtet; aber den Menschen in den Dörfern sind völlig auf sich gestellt. Das einzurichtende Büro will ähnliche Arbeit leisten wie das oben für Westslawonien beschriebene.
Im "Sektor Nord" (Krajina östlich von Karlovac) wollen Antikriegskampagne und Balkan Peace Team mit finanzieller Unterstützung durch Oxfam ein Gemeindezentrum eröffnen. Es soll alten und behinderten Menschen humanitäre Hilfe leisten, juristischen Rat geben und bei Konflikten zwischen Menschen der beiden Ethnizitäten vermitteln.
In dieser Zeit, wo Kroatien 'sauberer' ist als noch vor einigen Wochen, hat ARK öffentliche Kampagnen gestartet. Mit bezahlten Anzeigen und Statements, denn die Medien sind ansonsten nicht zugänglich. Ein Versuch, Bewußtsein zu erhöhen in einer triumphierenden Realität, wenn Millionen buchstäblich alles glauben, was ihnen von den (kontrollierten) Medien präsentiert wird. Ich möchte betonen, daß es eine Menge sinnvoller Arbeit gäbe, die in der ehemaligen Krajina getan werden kann. Ich sehe nur zwei Hindernisse:
- persönliche Motivation (es ist eine schwere Zeit für FriedensaktivistInnen, um es zu wiederholen)
- Geld: Wer finanziert die Projekte?
In derselben Zeit, in der der Hauptsprecher der UN 20.000 DM/Monat verdient, braucht das größte Feldprojekt im ehemaligen Jugoslawien, das Freiwilligenprojekt Pakrac mit 5 gut ausgebildeten 'Professionellen', zehn Langzeit und zehn Kurzzeitfreiwilligen DM 12.000,- (und hat gewöhnlich ungefähr die Hälfte).
Sprechen wir über viel Geld?