Atomwaffen abschaffen – Friedensnobelpreis für die Hibakusha

Friedensnobelpreis für „Nihon Hidankyo“

von Martin Singe
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„Der Friedensnobelpreis 2024 geht an die japanische Friedensorganisation Nihon Hidankyo. Die Organisation wird damit für ihren Einsatz für eine atomwaffenfreie Welt geehrt. Das gab das norwegische Nobelkomitee in Oslo bekannt.“ (tagesschau.de 11.10.2024) Wir dokumentieren in Auszügen eine Rede von Martin Singe zum Friedensnobelpreis, die eigentlich bei der Demo in Nörvenich (siehe Artikel) gehalten werden sollte, aber nicht mehr passte. Es gab zum Schluss der Demo einen Gratulationssong aller Teilnehmenden für Nikon Hidankyo. Das war eine Atmosphäre wunderbarer Solidarität. Danach hätten die schrecklichen Schilderungen zum Atombombenabwurf nicht mehr gepasst. Und doch sind sie nötig, zu hören. Zitiert wird die Vertreterin von Nihon Hidankyo, die heute 86-jährige Kodama Michiko, die sie im Juli 2024 bei der Vorbereitungskonferenz für den Atomwaffensperrvertrag gehalten hat:

Die Verleihung des Friedensnobelpreises an „Nihon Hidankyo“, der Vereinigung der Atombombenopfer von Hiroshima und Nagasaki, soll für uns Ansporn sein, noch engagierter gegen Atomwaffen einzutreten. Wir haben in einer Presseerklärung des Aktionsbündnisses „atomwaffenfrei.jetzt“ die Preisverleihung begrüßt und der Organisation gratuliert. Die Überlebenden von Hiroshima und Nagasaki – die Hibakusha - sind bis heute die wichtigsten Zeugen gegen den atomaren Wahnsinn.

Ich möchte zitieren aus der Rede von Kodama Michiko, der stellvertretenden Generalsekretärin der Vereinigung der Atombombenopfer, die sie beim Vorbereitungstreffen zur Überprüfungskonferenz des NVV im Juli 2024 gehalten hat.

„Die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki am 6. und 9. August 1945 haben auf grausame Weise so viele unschuldige Menschenleben in einem Augenblick ausgelöscht. Ich bin ein Hibakusha aus Hiroshima. Damals war ich 7 Jahre alt, Zweitklässler in einer Grundschule und befand mich in einem hölzernen Schulgebäude.

Plötzlich spürte ich einen grellen Blitz und eine Explosion. Scharfe Splitter von Fensterscheiben flogen überall herum und steckten in den Wänden, Tischen, dem Boden des Klassenzimmers und in meiner Haut. Aber zum Glück waren meine Verletzungen geringfügig.

Meinem Vater gelang es, in die Schule zu kommen und mich zu finden. Auf dem Heimweg, auf dem Rücken meines Vaters getragen, wurde ich Zeuge der Hölle auf Erden. Ich sah einen Mann, dessen Haut stark verbrannt und geschält war. Eine Mutter mit schweren Verbrennungen trug ein Baby, das schwarz verbrannt war und wie Holzkohle aussah. Einigen wurden die Augäpfel herausgedrückt, andere rannten herum und versuchten zu entkommen, während sie ihre Eingeweide in ihren Händen hielten.

Kurz vor dem Atombombenangriff ging ich zur Schule, die nur 350 Meter von meinem Zuhause entfernt war. Aber unsere Familie wurde auf Anordnung der Regierung gezwungen, aus dem Stadtzentrum wegzuziehen, und ich wechselte auch die Schule‘.

Wären wir in unserer alten Wohnung geblieben, wären ich und meine Familie nicht mehr am Leben. Später erfuhr ich, dass etwa 400 Schüler und 11 Lehrer in meiner alten Schule verbrannt waren. Die Bombe hat keine Spuren hinterlassen, nicht einmal ihre Asche.

Meine Lieblingscousine, die wie eine große Schwester für mich war, arbeitete in der Umgebung des Explosionszentrums. Ihr halbes Gesicht, ihr ganzer Rücken bis zum Knöchel waren schwer verbrannt, wund und roh. Ihre Verbrennungen eiterten schnell und es wimmelte von Fliegen. Bald vermehrten sich Maden und krochen über ihren Körper. Sie schrie mit leiser Stimme: „Au, das tut weh!‘ Am Morgen des dritten Tages - wahrscheinlich war es der 9. August - hauchte sie ihr Leben in meinen kleinen Armen aus. Sie war 14 Jahre alt.

Ein anderer Cousin, der 10 Jahre alt war, litt an Durchfall, hatte aber keine ernsthaften Verletzungen. Eines Tages begann er aus der Nase zu bluten, erbrach viele Blutklumpen aus seinem Mund und starb plötzlich. Das war der Schrecken der Strahlung.“

Soweit die Worte von Kodama Michiko. Sie führte in ihrer Rede des Weiteren aus, wie ihre Tochter mit 45 Jahren an Krebs gestorben ist, ebenso wie ihre Eltern und zwei jüngere Brüder. Sie appellierte in ihrer Rede eindringlich an die anwesenden Staaten, die Atomwaffen abzuschaffen und dem Atomwaffenverbotsvertrag beizutreten.

Ich zitiere sie zum Schluss noch einmal: „Wir Hibakusha haben uns geschworen, dass solche höllischen Erfahrungen wie die unseren niemals jemandem auf der Welt zugefügt werden dürfen.

Deshalb haben wir den Menschen innerhalb und außerhalb Japans die Schäden der Atombombenabwürfe aufgezeigt und appellierten: ‚Keine weiteren Hibakusha‘ und ‚Schafft die Atomwaffen ab!‘ … Wir stehen am Scheideweg, ob wir unseren blauen Planeten schützen oder den Weg der Vernichtung wählen sollen.“

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Martin Singe ist Redakteur des FriedensForums und aktiv im Sprecher*innenteam der Kampagne "Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt".