Friedenspolitische Ansätze der Europäischen Union in Somalia

von Thania Paffenholz

Seit die Bundeswehr und etwas später auch der Rest der UNO Streitmacht aus Somalia abgezogen ist, ist es "ruhig" geworden um das Land am Horn von Afrika, aber nur in den Medien. Das FriedensForum beleuchtet von Zeit zu Zeit die aktuellen Geschehnisse im Land. (die Red.)

Die Friedensverhandlungen der "warlords", die vom 9. bis 15. Oktober in Nairobi auf Einladung des kenianischen Präsidenten Moi stattfanden, hatten zunächst Grund für neue Hoffnungen gegeben. Doch der Friedensprozeß in Somalia scheint auf den ersten Blick stets einen Schritt nach vorne und zwei nach hinten zu machen. Mit Blick auf die Einflußphäre der warlords von Mogadishu, Ali Mahdi, Osman Ato und Hussein Aideed, könnte man das Problemfeld Mogadishu auch als einen lokalen begrenzten militanten Konflikt sehen. Deshalb ist es notwendig, die Aufmerksamkeit mehr den Gruppen und Regionen zuzuwenden, die sich für den Frieden einsetzen. Die Europäische Kommission (EC), vertreten durch die EC Somalia Unit in Nairobi und den EC Special Envoy für Somalia, Sigurd Iiing, verfolgen seit längerem eine komplementäre Strategie, um einen konstruktiven Beitrag zum Friedensprozeß leisten zu können. Diese Strategie ist deshalb langfristig angelegt und prozeßorientiert und wird laufend weiterentwickelt. Derzeit besteht sie aus sieben miteinander zusammenhängenden Einzelansätzen.

Auch die EC ist zunächst gehalten, im Rahmen von diplomatischen Bemühungen den Dialog der Konfliktparteien zu fördern. Dieser "top-down"-Ansatz zielt vor allem auf die Führer der Konfliktparteien ab.

Ein weiterer Ansatz besteht darin, die Regionen Somalias, in denen ein vergleichbar höheres Maß an Frieden und Sicherheit herrscht, mit Projekten im Rahmen von Rehabilitation "zu belohnen". Dieser Ansatz wird von allen Mitgliedern des "Somalia Aid Coordination Body" betrieben. Dies soll Anreiz für lokale Friedensvereinbarungen geben und zeigt sich an einigen Orten auch als erfolgreich.

Mit dem sogenannten Verfassungsansatz möchte die EC den Dialog über dezentrale Strukturen fördern. Denn ein Kernproblem des somalischen Konfliktgeflechts ist der Kampf um die Herrschaft in einem Zentralstaat. Ziel dieses Ansatzes ist es, den Kampf um die Macht im Staat dadurch zu relativieren, daß eine Debatte über Strukturen eines zukünftigen Staatswesens zur Diskussion gestellt wird.

Die EC begann diesen Ansatz 1995 mit der Vergabe einer Studie über Möglichkeiten dezentraler Staatsmodelle, die von der "London School of Economics" (LSE) erarbeitet worden war. Die LSE-Professoren hatten verschiedene Modelle dezentraler Staatsstrukturen, wie beispielsweise Föderation und Konföderation und deren Praxis in verschiedenen Ländern vorgestellt. Ein Folgeseminar im Juni 1996 lud somalische Intellektuelle aus dem In- und Ausland zu einer Debatte ein, die die Ergebnisse der Studie auf die Situation in Somalia bezog. Ein weiteres Seminar zum Thema mit ehemaligen somalischen Politikern, traditionellen und religiösen Führern fand im November statt. Des weiteren werden Maßnahmen folgen, um die Diskussion noch stärker innerhalb Somalias zu beflügeln.

Ein anderer friedenspolitischer Ansatz, der sogenannte "bottom-up" oder Graswurzelansatz, ist bemüht, friedenspolitisch relevante Gruppen der Zivilgesellschaft zu unterstützten. Er stellt einen Schwerpunkt langfristiger friedenspolitischer Maßnahmen dar. Denn der Frieden in Somalia kann auf Dauer nur durch Beteiligung lokaler Bevölkerungskreise entstehen. Im Rahmen dieses Ansatzes werden unterschiedliche zivilgesellschaftliche Gruppen durch verschiedene Arten von Aufklärungs-, Trainings- und Kapazitätsbildungsprogrammen unterstützt. Die Themenpalette reicht von Menschenrechten und Demokratie bis zur Vermittlung von Methoden der Konfliktlösung.

Um diesen Ansatz zu festigen, schien es notwendig, diejenigen Kräfte, die die größte Gefahr für eine entstehende Zivilgesellschaft darstellen, ebenfalls miteinzubeziehen. Deshalb ist ein anderer friedenspolitischer Ansatz der EC die Schaffung von Alternativen für Milizionäre und arbeitslose Jugendliche. Denn diese Gruppe stellt eine permanente Bedrohung für die Zivilgesellschaft dar. Doch ein Großteil Milizionäre kämpft mehr aus Gründen der Existenzsicherung als aufgrund ideologischer Überzeugungen oder aus Loyalität zu den Fraktionsführern. Deshalb ist die EC bemüht, Demobilisierungsprojekte mit alternativen Einkommensquellen zu kombinieren und die lokale Bevölkerung aktiv am Reintegrationsprozeß zu beteiligen.

Ein weiterer Ansatz, mit dem gerade begonnen wird, versucht friedenspolitische mit entwicklungspolitischen Maßnahmen zu verbinden. Dies stellt eine wichtige Strategie indirekter Friedenspolitik dar. Denn um langfristig Frieden zu fördern, ist es notwendig, die Bedürfnisse aller Bevölkerungsgruppen anzusprechen. Frieden - als Wert an sich - ist für die meisten Menschen wenig relevant, wenn sich damit nicht Sicherheit, Nahrung, Einkommen, etc. verbindet. Deshalb versucht die EC nun, friedenspolitische Maßnahmen in ihre Rehabilitationsprojekte zu integrieren. Mit der Entwicklung und Durchführung einer solchen Strategie möchte die "EC Somalia Unit" einen konzeptionellen und praktischen Beitrag zur allgemeinen Diskussion zu diesem Thema im Rahmen der Kommission, der OECD und der Mitgliedsstaaten leisten.

Da der somalische Konflikt nicht losgelöst vom Konfliktpotential der Region "Horn von Afrika" gesehen werden kann, ist die EC ferner bemüht, die Konfliktmanagementkapazität der Organisation für Afrikaniscania@ arcc.or.ke

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Krisen und Kriege
Thania Paffenholz unterrichtet Friedens- und Konfliktforschung am Graduate Institute in Genf und ist ebenfalls als Beraterin für zahlreiche internationale und nationale Organisationen tätig. Kontakt: Thania Paffenholz, Email thania.paffenholz@graduateinstitute.ch